Kapitel 12

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Kapitel 12

Mein Finger flog nervös über dem Antwortfeld, während ich einige Stunden später zu Hause saß und überlegte, wie ich Joyce am besten absagen konnte, ohne sie zu verletzen.

Ich hatte schon einige Ideen, wie zum Beispiel die Krankheits-Lüge auch bei Joyce zu verwenden, doch die Gefahr, dass Collin mich verraten würde, war mir zu hoch. Dann wollte ich eine Familienfeier vortäuschen. Allerdings war ich mir ziemlich sicher, dass ich einmal erwähnt habe, bis auf meinen Vater keine Familie mehr in Deutschland zu haben, also fiel das auch flach. Mit anderen Freunden konnte ich mich auch nicht treffen. So ziemlich die ganze Welt weiß, dass ich nur zwei Freunde habe.

Na ja, jetzt nur noch eine Freundin.

Ich atmete laut aus und begann, zu tippen.

Zach: Sorry, ich kann nicht kommen. Trotzdem viel Spaß!

Ich war kurz vor dem Abschicken, als mir ein „Was machst du da?" von meinem Vater fast einen Herzinfarkt verpasste.

„Papa!", rief ich und hielt mir eine Hand auf die Brust, während ich meinen Atem zu kontrollieren versuchte.

„Du sagst ab? Wieso sagst du ab?", fragte mein Vater unbekümmert weiter. Empört versteckte ich meinen Bildschirm.

„Du musst wirklich aufhören, dich in alles einzumischen.", murmelte ich.

„Ja, ja, ja. Wieso sagst du ab?"

„Kann ich nicht einfach eine Feier absagen, ohne, dass ich verhört werde?", fragte ich bissig zurück.

„Nein.", antwortete mein Vater, „Joyce ist doch deine Freundin. Das könnte lustig werden."

„Eigentlich nicht wirklich.", sagte ich und gab nach, „Collin und ich haben uns heute ein wenig gestritten und ich bin gerade ungern in seiner Nähe."

„Dem Jungen, den du Nachhilfe gegeben hast?", ich nickte, „Hm. Das ist ungünstig. Aber da kann Joyce ja nichts für."

„Aber er wird da sein und dann wird die ganze Stimmung seltsam und furchtbar.", erwiderte ich.

„Ihr seid doch beide smarte Jungs. Ich glaube, ihr wisst, wie man sich aus dem Weg geht. Außerdem, wen hat sie denn doch eingeladen?"

„Na ja, sicherlich ihre ganzen anderen Freunde.", meinte ich.

„Zum Beispiel?"

Ich überlegte. Und überlegte. Ich weiß, dass Joyce zu Anfang gesagt hatte, dass sie eine Freundesgruppe hatte, aber dass diese nicht dieselben Interessen hatte, wie sie. Sie hatte mir sonst nichts weiter erzählt. Ich zuckte mit den Schultern.

„Siehst du. Wenn sie sowieso nicht viele Leute hat, dann bricht es doch ihr Herz, wenn einer ihrer Freunde wegen so einem Kindergarten absagt.", er klopfte mir auf die Schulter, „Du machst schon das richtige."

Also entsperrte ich mein Handy wieder. Mein Vater hatte Recht. Das hatte Joyce nicht verdient. Ich löschte das vorig getippte und schrieb stattdessen:

Zach: Gerne :)

Kurz darauf klingelte das Haustelefon. Eigentlich machte das Haustelefon gar keinen Sinn mehr. Ich hatte ein Handy und Papa sogar zwei. Wozu dann noch ein Haustelefon?

„Es ist deine Mutter.", sagte Papa und reichte es mir.

Richtig, damit Maman anrufen kann.

„Bonsoir, mon amour.", begrüßte sie mich herzlich.

bruyamment//lautWo Geschichten leben. Entdecke jetzt