Kapitel 14

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Kapitel 14

Mein Vater sah mich kurz stumm an. In seinen Augen stand Verwunderung, aber kein Schock. Er leckte sich einmal über die Lippen und schien, zu überlegen, was er sagen sollte. Dann lachte er einmal kurz auf und sah zu Boden.

„Deiner Mutter wird das nicht gefallen."

Ich stieß ein angespanntes Lachen aus.

„Wahrscheinlich."

„Wie...wie kommst du jetzt darauf?", fragte Papa und sah mich wieder an.

„Ich weiß es nicht.", antwortete ich, „Es kam eben einfach so aus mir heraus. Ich schätze allerdings, dass die Idee in meinem Kopf schon länger existiert hat. Ich habe aber nie geglaubt, sie tatsächlich umsetzen zu wollen."

Papa nickte.

„Wenn du hier bleiben willst, dann freut mich das natürlich.", sagte er ehrlich, „Und du kannst sehr gern bei mir wohnen bleiben. Aber eine Frage bleibt mir noch. Warum wolltest du, dass ich dir die Geschichte erzähle? Hat das etwas mit dieser Entscheidung zu tun?"

„Schon.", meinte ich, „Ich habe dich gefragt, weil ich seit kurzem jemanden kennengelernt habe und ich glaube, verliebt zu sein. Um sicherzugehen habe ich dich gefragt."

„Oh, du hast jemanden kennengelernt?", fragte mein Vater neckend und lehnte sich vor, „Wer ist es?"

„Du kennst ihn schon."

Begeistert holte mein Vater Luft.

„Es ist der Nachhilfeschüler!", stieß er mit leuchtenden Augen, „Den mag ich!"

„Das freut mich.", gab ich zurück, „Nur leider haben Collin und seine Schwester große Probleme zu Hause. Ich möchte sie nicht alleine lassen. Zudem sind sie meine ersten richtigen Freunde und ich fühle mich, als würde ich irgendwo dazugehören. Ich wusste gar nicht, dass mir das in Frankreich gefehlt hat."

„Sie haben Probleme zu Hause?", hakte Papa nach, „Was für Probleme?"

„Ihre Mutter, sie schreit sehr oft und sie ist, denke ich, auch gewalttätig.", erzählte ich.

Papa nickte betroffen und legte sich eine Hand über den Mund.

„Und der Vater?"

„Er ist nett und ist auch betroffen. Ich weiß nicht, warum er sie nicht verlässt."

„Vielleicht braucht er einen Schubser.", schlug Papa vor, „Und jetzt, da unsere Söhne zusammen sind, müssen wir eh ein Gespräch führen. Hast du die Telefonnummer?"

Ich diktierte sie ihm und er griff zum Telefon. Kurz darauf ging er in die Küche.

Es dauerte nicht lange, bis Joyce, Collin und sein Vater vor der Tür standen. Mein Vater ließ sie herein, mit einem Nicken als Begrüßung. Joyce umarmte mich, Collin und ich tauschten nichts weiter als einen warmen Blick.

„Zach, würdest du mit Collin und Joyce ins Wohnzimmer gehen?", fragte mein Vater und klang ernst; einen Blick, den ich so noch nie bei ihm gesehen habe. Ohne ein Wort bewegten wir drei uns in das Wohnzimmer.

„Woher wusstest du?", fragte Joyce und unterbrach damit die dicke Stille im Raum.

„Collin hat es mir erzählt.", antwortete ich leise, „Ich hatte aber, um ehrlich zu sein, einen kleinen Verdacht, dass es dir nicht gut geht."

Ich sah Collin an und versuchte, herauszufinden, ob er sauer war, oder nicht. Sein Gesichtsausdruck war schwierig zu lesen. Er sah auf den Boden vor seinen Füßen, die Hände in seinen Schoß gelegt, und sagte nichts. Er zitterte auch nicht oder zeigte irgendein Zeichen von Angst, Trauer oder Wut. Vorsichtig legte ich meine Hand auf seine.

bruyamment//lautWo Geschichten leben. Entdecke jetzt