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-Lucifers Sicht-

Im Angesicht des Todes sah ich in seine Augen und ich wusste, er konnte es unmöglich überleben. Der Beweis wäre mir nah, wenn ich für mich allein die Bestätigung für dieses mir bekannte Mär hätte. Brudermord, wie es nur einmal vorkam. Das Bild, welches vor mir lag, zeigte es mir deutlich auf. Der Sündenmann diente jemand anderes. Dieser Mann, der sich die Augen ausstach um mir seine Begierden zu verleugnen, war der totgeglaubten Bruder, demjenigen, dem ich all das zu verdanken hatte. Als Marcus Pierce leblos mit einem Messer in der Brust auf dem Boden ankam, wusste ich genau,wem ich den Diebstahl meiner Würde zu verdanken hatte.
„Du hast dich selbst in die Schlucht geworfen, mein junger Freund.“
Als ich auf seine Auferstehung wartete, trank ich meinen Whiskey; Schluck für Schluck. Ehe ich diese mir so bekannte Stimme am anderen Ende des Raumes erkannte. Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, wer nach langer Zeit dort stehen musste. Die Stimme eines gefallenen Engels, welches im Himmel für die gerechte Rache aufleuchtete. Das Echo eines verfluchten Menschleins, welches im Garten Eden für das Verderben einging. Der Klang einer missverstandenen Mischwesens, welches wie ich einst abgelehnt wurde. Ihre Stimme hatte ich niemals vergessen können, selbst als wie uns sehen konnten in der Hölle,war sie mir näher als im Garten Eden. Getrennt von flüssigem Magma. Verflucht auf jegliche Ewigkeit.
„Ich dachte mir schon, dass du dich Lucifer Morningstar nennst, Samael!“
Nach Jahrtausenden erkannte ich diese unter Millionen von Menschen. Ohne mich umzusehen, wusste ich noch alles von ihr. Sie lief die Stufen herab, kam mir immer näher. Meine Augen schlossen sich. Meine Lippen brachten ihren Namen zur Geltung.
"Lily, mein Abendstern!"
Als sie sich neben mir auf einen der Barhocker platzierte, wandte ich mich zu ihr um und sah nicht schlecht. Ihre wundervolle blonde Haarmähne reichte ihr deutlich gewellt bis zum Steißbein. Ihr makelloses Gesicht sah mich mit ihren grünen Augen an; neutral und doch erkannte ich eine kleine Freude darin.
"Was zur Hölle machst du hier?"
"Ich habe dich gesucht. Ich dachte, du freust dich darüber?"
Schließlich sah sie hinter mir auf den am Boden liegenden Mensch und blickte wieder mir tief in die Augen.
"Anscheinend hat er dich vor mir gefunden."
Nicht, das ich mich nicht freuen würde, sie endlich wieder in meiner Nähe zu wissen. Dennoch lag so viel Zeit zwischen uns, dass wir uns wieder erst anbahnen mussten.
"Lily, meine verbannte Seele, ich habe dich wirklich sehr vermisst."
Sie erhob ihre Braue und sah ihn neutral an.
"Wieso bist du nicht mehr in der Hölle?"
"Und wieso bist du nicht mehr im Paradies?"
"Guter Konter, vermutlich, weil ich nicht mehr nach der Pfeife des Allmächtigen hantieren wollte."
„Exakt, ich wollte meine Freiheit hier in Los Angeles genießen.“
„Und anscheinend gefällt es dir hier besser, hm?“
Ich musste leicht lächeln, als sie dies voller Hohn fragte. Ich wusste genau, dass sie auf dieser Welt nur zu ungern war. Sie floh von jenem Ort. Der Lebensbaum von Garten Eden war ihr erste Behausung. Als sie sich von Adam trennte, war sie nicht mehr im Recht dort zu wohnen. Sie wandte sich an die Dunkelheit und wurde nach Edom verbannt.
„Wie läuft es in Edom?“ fragte ich daher herablassend.
„Eigentlich ganz gut, wenn die Ausblick in die Leere nicht immer wäre. Ich habe dich vermisst, Samael!“
Das Gespräch wurde abrupt beendet, als Marcus sich wieder regte. Lucifer sowie Lilith sahen dem vor Schmerzen schreienden Mann an, der versuchte das Messer aus der Brust zu reißen.
„Sag mir nicht, du wolltest dies als Bestätigung?“ verkündete die Blondhaarige neben ihm selbstsicher.
Ich hob nur abwertend die Schultern und sah dem Schauspiel neutral zu.
„Ich frage mich, wieso ich das nicht früher herausgefunden habe. Der erste Mörder der Welt. Von Gott gezeichnet. Und dazu verdammt alleine eine quälende Ewigkeit auf Erden zu wandeln. Das ist mal ein Name und lange nicht so lächerlich, wie der Sündenmann.“
Zitternd stellte er sich wieder auf seine Füße und zog ihn mit einem Schmerz hinaus.
„Siehst du das nicht auch so, Kain?“
Der muskulöse Mann sah den mir ins Gesicht und schien sich dem auch nicht abzuwerben. Er schmiss das blutige Messer auf die Theke, setzte sich neben mir und sah mich duellierend an.
„Jetzt kannst du mir auch ein Whiskey eingießen.“
„Kain? Doch nicht etwa der erste Sohn von...“ ließ meine Schönheit über ihre roten Lippen kommen.
„Der erste Mörder der Welt. Der erste Sohn von Adam und Eva. Man könnte meinen, er habe genauso viel Sünden abgelegt wie wir Beide getrennt.“ ergötzte ich mich über diese Erkenntnis.
Ich schenkte für Lily und auch für Kain einen Whiskey ein. Jeder von ihnen nahm ein Schluck und stellte fest, dass es ganz sicherlich Gottes Plan war, mir diese Beiden in den Weg zu legen. Kain, ganz offensichtlich, dass er mich irgendwann begegnen muss. Aber wieso ausgerechnet Lily, mein allerliebster Abendstern. Während ich in Gedanken versank, bekam ich die musternden Blicke meines Besuchs nicht mit.
„Sie müssen also Lilith sein, die erste Frau von Adam, die erste verbannte Seele?“
Die Blondhaarige sah Kain mit finstrem Blick an und seufzte leise aus ihrer Nase aus.
„Da dies nun geklärt zu sein scheint, werde ich mich nun um etwas Wichtigeres kümmern.“ sagte die Blondhaarige neben mir und war im Begriff zu gehen.
„Warte,werden wir uns wieder sehen, mein Abendstern?“
„Bald, mein Morgenstern. Bald werden wir uns wiedersehen.“
Mit einem Lidschlag war sie aus dem Raum verschwunden. Geheimnisvoll und unbarmherzig. Zum ersten Mal hatte ich Vater in seiner Werkstatt besucht um mit ihm über mein Auftrag zu reden. Als ich nach Garten Eden kam, war ich von so viel Schönem fasziniert und ich glaubte einst, dass es ein Grund haben musste, dass ich an jenem Tag an jenem Ort gelangte.
„Und nun zu dir, Kain, wo ist mein Teufelsgesicht? Und wieso die Flügel?“
„Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Es mag sein, dass ich sie dir all das genommen und geschenkt habe. Jedoch würde ich nicht davon ausgehen, dass du es auch wieder von mir erlangst.“
„Was meinst du damit?“ fragte ich ihn deutlich bestimmt nach.
„Dein Hab und Gut wurde mir wenige Tage darauf selbst entwendet. Dabei wollte ich es als Zeichen für dem Allmächtigen, dass er mir vergab.“
„Du wolltest meinem Vater um Vergebung bitten, in dem du ihm mein Gesicht als Huldigung überreichst?“
Marcus nahm einen weiteren Schluck seines Whiskeys und hob gelangweilt seine Schultern, als Zusage für meine Worte.
„Und wie hast du mich in die Wüste gebracht?“ wollte ich interessierter wissen.
„Alles zu seiner Zeit. Wieso gibst du mir für all das die Schuld? Fragst du dich nicht, wieso ausgerechnet jetzt Lilith auf die Erde zurückgekehrt ist?“
„In gewisser Weise spricht Lily immer die Wahrheit und in diesem Fall...“
„...glaubst du ihr einfach mal so? Was ich über euch weiß, solltest du vorsichtig mit ihr sein. Ihr habt euch Beide verändert.“
„Sprich nie wieder so über...“
„...dein Abendstern. Wenn du wirklich der Teufel bist, dann finde heraus, was sie vorhat. Meine Leute rochen ein süßlichen Duft mit einem verwesenden Hauch an jenem Ort, an dem ich beraubt wurde.“
„Ich wurde beraubt von dir. Und jemand stahl es von einem Dieb.“ empört sah ich ihn mit einem Quäntchen Sarkasmus im Unterton an.
„Wer sagt dir, dass Lily es nicht war?“
Augenblicklich spürte Kain die gegenüberliegende Glaswand im Rücken. Der Spiegel zersprang unter seinem Aufprall, sowie sämtliche Flaschen voll mit wertvollstem und kostenträchtigem Whiskey.
„Wage es dir nicht noch einmal, sie mit dem meinen Namen zu nennen! Ich alleine, werde ihr dem Namen geben! Ich alleine, werde ihre Sünde sein! Ich alleine, werde ihre Bestimmung sein!“
Drohend und mit einem finstrem Blick sah ich den ächzenden Mann hinter der Theke an.
„Sie macht blind. Was geschah zwischen euch, dass ihr euch wie Magnete einfangt?“
„Es geht dich nichts an, Kain und jetzt verschwinde von jenem Ort!“

Lucifers CryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt