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Mit aller Kraft um mich schlagend und tretend versuche ich mich loszureißen. Zwei Männer sind nötig um mich festzuhalten. Ich wehre mich so gut ich nur kann und vielleicht ist es auch das Serum, das mir Dr. Zola verabreicht hat, das mich stark genug macht. Doch ich denke nicht weiter darüber nach woher ich die Stärke nehme gegen zwei Männer anzukämpfen, die sowohl um einiges größer sind, als auch stärker sein müssten, als ich. Das einzige wofür ich in meinem Kopf gerade Platz habe ist der Gedanke daran, dass ich Colonel Wayland seine Augen dafür auskratzen möchte für das was, er meinem Bruder gerade antut.

Immer wieder prügelt er mit diesem Holzpflock auf ihn ein. Blut klebt bereits daran. Weder das noch mein Versuch auf ihn loszugehen kann ihn dazu bringen damit aufzuhören, auch wenn es immer wieder danach aussieht. Dann stellt er den Pflock beiseite, bückt sich zu Jakob hinunter und stellt ihm immer dieselben drei Fragen: Who are you? Who sent you? How many?

Erhält Wayland darauf nicht die Antwort, die er gern hätte schlägt er erneut zu.

Sieht er denn nicht, dass er schon viel zu weit gegangen ist? Ich hätte es noch verstehen können, dass er seinen Ärger über den Überfall und den Tod von einigen seiner Männer an einem derjenigen, die dafür verantwortlich sind auslassen will. Aber reicht es dafür nicht schon aus? Der Verantwortliche liegt doch bereits blutend auf dem Boden; nur noch hin und wieder ein leises Stöhnen als Lebenszeichen von sich gebend. Ist das denn nicht genug? Bin ich denn die einzige, die das so sieht? Ist es für diese Holzköpfe denn in Ordnung dabei zuzusehen, wie ein Mann vor ihren Augen schussendlich noch zu Tode geprügelt wird?

Genau das hat uns doch alle erst hierher gebracht. Da tun sie immer als seien sie ein Vorbild, an dem sich alle Welt orientieren soll und dann? So viel besser als alle anderen können sie gar nicht sein. Sie sind immer noch dieselben wie Menschen aussehenden Monster wie alle anderen, auch wenn sie von sich behaupten es nicht zu sein.

Menschlichkeit. Das ist ein Wort, das ich schon viel zu oft gehört habe und viel zu oft war damit das Gegenteil gemeint. Sie sagten uns es sei 'menschlicher', als sie einen im Rollstuhl sitzenden Jungen aus unserem Dorf abholten. Einen Monat später kam ein Brief, in dem es hieß er sei gestürzt und seinen Verletzungen erlegen; man habe nichts mehr für ihn tun können. Wenn das Menschlichkeit sein soll, geht der Colonel wohl gerade besonders menschlich mit Jakob um. Würden die Zuschauenden dann auch behaupten, dass sie nichts für ihn hätten tun können?

Wie sie sich im und um das Zelt herum sammeln um zu begaffen, wie ein Mann, den sie als den Feind abgestempelt haben, misshandelt wird. Schweigend sehen sie zu, doch keiner wagt etwas zu unternehmen. Man hätte das Geräusch einer auf dem Boden aufkommenden Stecknadel hören können. Wagt es denn keiner ihrem Vorgesetzten die Stirn zu bieten? Ihn zu beschwichtigen, ihm gut zuzureden?

Ich versuche es wenigstens. Auch wenn ich nicht viel tun kann. Mir sind die Hände buchstäblich gebunden und als mein wütendes Geschrei Wayland zu viel wurde, hat man dafür gesorgt, dass ich meinen Mund halte. Nur noch ein dumpfes Geräusch kann noch meinem Mund entkommen.

Plötzlich geht ein Ruck durch die Menge, Soldaten treten zur Seite und machen einem anderen den Weg frei. Ich traue meinen Augen kaum, wer dort aus der Menge heraustritt. War er doch kein Fiebertraum gewesen? Es ist James, der James, der sich um mich gekümmert hat. Der, der mir zu Essen und zu Trinken gegeben hat, als ich es selbst nicht konnte und der, der Tag und Nacht über mich gewacht hat, als es sonst keiner getan hat. Der, der wohl mein einziger Freund in diesem Lager ist.

"Colonel? Colonel!", sagt er mit fester Stimme, während er sich mit einer schnellen Bewegung zwischen ihn und den am Boden liegenden stellt, "Enough! It's enough."

Im selben Moment gelingt es mir, mich loszureißen. Oder waren die beiden doch nur zu geschockt von dem Mut, den James – falls er denn überhaupt so hieß – bewiesen hat, um mich weiterhin festzuhalten? Macht das überhaupt einen Unterschied?

Changes (Arbeitstitel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt