Bei Anbruch der Dämmerung erreichen wir endlich unser Ziel: Das Lager der 107ten Division der US Army. Ich weiß nicht ob ich mich darüber freuen soll, dass der lange Marsch endlich ein Ende nimmt oder Angst vor dem haben sollte, das nun folgen könnte. Auch am heutigen Tag sind wir wieder fast ununterbrochen auf den Beinen gewesen und so habe ich genug Zeit gehabt mir die schrecklichsten Szenarien auszudenken, die sich dort ereignen könnten. Doch das schlimmste – die Möglichkeit, dass sie angegriffen und besiegt worden wären und wir das somit Lager menschenleer vorfänden – ist zu meiner Erleichterung nicht eingetroffen. Das gibt mir neuen Mut und schenkt mir Hoffnung, die ich dringend benötigen werde um das hier durchzustehen – was auch immer es ist, das nun auf mich zukommen wird.
Stattdessen werde ich von misstrauischen Blicken derer verfolgt, die sobald sich mich und kurz darauf die Fesseln um meine Handgelenke entdeckt haben, ihre Arbeiten sofort unterbrochen haben. Doch nicht nur das leicht zu erkennende Symbol, dass ich keineswegs ein Freund sein konnte, lässt sie mich missbilligend mustern, sondern auch der Dreck, der an meiner nassen Kleidung und in meinen Haaren klebt, muss seinen Teil dazu beigetragen haben. Doch ich versuche mir nicht anmerken zu lassen wie sehr mich ihre Blicke stören und starre weiter auf den breiten Rücken von Gabe Jones wie ich es schon beinahe ununterbrochen in den letzten zwei Tagen getan habe, die wir bis hierher gebraucht haben.
Das Seil um meine Hände endet in einem langen Stück Seil, an dem mich der Soldat hinter sich her führte und immer wieder daran zieht, wenn er bemerkt wie ich langsamer zu werden drohe so wie jetzt. Es ist nur ein leichtes Ziehen, aber es reicht aus um mich aus dem Gleichgewicht zu bringen, sodass ich über meine eigenen Füße stolpere und zur Seite weg knicke. Ich kann mich seit heute Morgen schon kaum auf den Beinen halten und das hat sich durch den langen Marsch seitdem nicht gebessert. Ich wäre wohl hingefallen, hätte mich nicht ein an mir vorbei gehender Soldat aufgefangen. Meine Augen finden die seinen und ich kann nicht umhin fasziniert in sie zu blicken, seine mich belustigt ansehenden blauen Augen. Noch nie zuvor bin ich einem Mann so nahe gekommen und ein leichtes Unbehagen breitet sich in mir aus, doch mit einem gedanklichen Kopfschütteln schüttle ich es einfach ab und wünsche mir nur, dass dieser Augenblick niemals endet. Dann wandert mein Blick weiter über seine gerade Nase und seine schmalen Lippen bis zu seinem markanten Kinn und wieder zurück zu seinen Augen, in denen ich mich hoffnungslos zu verlieren drohe. Was macht er nur mit mir?
"You better watch your step, my muddy Lady.", meint er mit einem verführerischen Grinsen und stellt mich zurück auf meine Füße. Bei dem sanften Klang seiner Stimme spüre ich wie mir die Hitze in die Wangen schießt und ich rot werde. Ich schäme mich dafür weshalb ich sofort meinen Blick gen Boden wende um es zu verbergen. Mir will auch nichts einfallen, das ich ihm erwidern könnte, obwohl ich normalerweise mit Leichtigkeit die passenden Worte finde.
Ein erneutes Ziehen an meiner Leine bringt mich schließlich zurück in die Wirklichkeit und ich folge Jones erneut bis wir vor einem der Zelte kurz halt machen und es anschließend betreten. Im Inneren fällt mir zuerst der Tisch ins Auge, an dem drei Soldaten ihr Kartenspiel unterbrechen, als wir eintreten. Einer von ihnen legt seine Karten auf den Tisch – darauf bedacht die anderen nicht in sie blicken zu lassen – und murmelt ein Paar unverständliche Worte bevor er dann mit einem Schlüssel, den er nach einigem Kramen in seiner Hosentasche findet eine aus Metallstäben bestehende Tür öffnet, die einen Bereich des Zelts abtrennt.
Als nächstes bemerke ich, dass es zwei von diesen Türen gibt und sich hinter der anderen zwei Männer in grauer und in schwarzer Uniform befinden. Sie sitzen zusammengesunken, unrasiert und ungewaschen gegen die Gitterstäbe gelehnt und sehen auf den ersten Blick nicht nach den niederrangigen Offizieren aus, als die sie ihre Kleidung ausweist. Einer von ihnen sieht kurz in meine Richtung, wendet dann allerdings seinen Blick desinteressiert wieder ab und genauso schnell wie ihnen das Interesse an mir vergangen ist, endet auch meines an ihnen. Ich werde es sicher leichter haben, wenn ich mich so weit wie möglich von ihnen fern halte.
Schließlich nimmt der Schwarzhaarige das Seil an sich und zieht mich in durch die Tür, die er gerade eben geöffnet hat hinein in die Zelle. Zunächst versuche ich mich noch dagegen zu wehren, da ich nicht in diese Zelle eingesperrt werden möchte, aber dann sehe ich es ein, dass ich zu schwach bin um etwas daran zu ändern und folge. Bevor er meine Zelle jedoch wieder verlässt und die Gittertür mit einem Krachen zurück in ihr Schloss fällt und nimmt er mir endlich meine Fesseln ab.
Vorsichtig fahre ich über die rot angelaufenen Stellen, an denen das Seil in meine Haut gedrückt hat. Den Schmerz bemerke ich kaum, denn meine Müdigkeit meldet sich gerade in diesem Augenblick zurück. In einer Ecke meiner Zelle ist ein wenig Stroh ausgelegt und bei dem Gedanken daran mich darauf etwas auszuruhen, werden meine Augenlider ganz schwer.
Langsam mache ich ein paar Schritte darauf zu bevor ich mich darauf zusammenkauere und noch im selben Moment in einen tiefen traumlosen Schlaf sinke.
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Als ich das nächste Mal meine Augen wieder öffne, sitzt der Mann mit den faszinierenden blauen Augen und tupft mit einem feuchten Tuch auf meine glühend heiße Stirn um diese zu kühlen. Ich liege eine weile still da und beobachte ihn dabei bis er bemerkt, dass ich wach bin.
Immer noch schweigend legt er den Lappen zur Seite und hilft mir mich aufzusetzen, als er meinen Versuch es allein zu schaffen bemerkt. Dann reicht er mir eine Metallschüssel, die ich mit zitternden Händen entgegen nehme. Die Brühe darin schwappt gefährlich hin und her und schließlich über den Rand hinaus. Ich unterdrücke den Schrei, der sich in meiner Brust formt und nach außen drängt, als die heiße Flüssigkeit auf meinem Oberschenkel landet und brennenden Schmerz durch meinen müden Körper sendet.
Sofort greifen zwei weitere Hände nach der Schale und halten sie still, sodass ich daraus trinken kann. Ich schäme mich für so etwas einfaches Hilfe zu brauchen, aber ich fürchte ihn zu vergraulen, wenn ich ihn zurückweise. Dabei kann ich mir nichts schöneres vorstellen, als ihn in meiner Nähe zu haben. Nachdem ich die schließlich Brühe ausgetrunken habe, wage ich es die Stille zu brechen und ihn nach seinem Namen zu fragen.
"I'm James.", antwortet er mir mit einem Lächeln, "And you?"
"Alexandra.", meine ich, aber es ist mehr ein flüstern. Meine Augenlider werden wieder schwer und ich merke wie ich drohe wieder einzuschlafen, aber ich versuche mich krampfhaft am hier und jetzt festzuhalten, denn ich fürchte James könnte weg sein, wenn ich das nächste mal die Augen öffne – dass er nur eine Halluzination ist, die mir mein Gehirn vorspielt, ein Fiebertraum.
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Jedes weitere mal, wenn ich in den Tagen oder auch Stunden darauf aufwache, sitzt James neben mir, gibt mir zu Essen oder wacht einfach nur schweigend über mich. Selbst nachdem ich mich mehrmals übergeben musste, ist er bei mir geblieben, hat mir meine langen Haare aus dem Gesicht gehalten und anschließend wortlos mein Erbrochenes aufgewischt und mir geholfen mich wieder sauber zu machen, während ich vor Scham darüber fast im Boden versunken wäre. Wieso ist er nur so nett zu mir? Ein anderer hätte mir wohl nicht einmal das Essen in meine Nähe gestellt.
Manchmal bin ich mir nicht einmal sicher, ob ich gerade träume oder wach bin, denn auch in meine Träumen hat er sich hineingeschlichen. Aber es sind nicht die Albträume, die mich sonst plagen, sondern schöne und friedliche Szenen. Jedes mal wache ich dann mit einem Lächeln auf, aber kein einziges Mal kann ich mich daran erinnern was mich so glücklich gemacht hat.
Irgendwann wird mein Fieber schließlich schwächer und ich benötige für viele Dinge keine Hilfe mehr und auch wenn James immer wieder für mehrere Stunden verschwindet, verbringt er auch trotzdem immer noch so viel Zeit bei mir wie möglich. Die meiste Zeit schweigen wir uns zwar nur an, da wir zu wenig über einander wissen um ein Thema zu finden, an dem wir beide interessiert sind. Zudem sind wir auch nie ungestört, da immer mindestens eine Wache mit im Zelt ist. Doch ich genieße die Stille, denn sie ist eine willkommene Abwechslung zu den meist in Raufereien ausartenden nächtlichen Kartenspielen der Wachen.
Einfach nur entspannt neben James gegen die Gitterstäbe gelehnt da zu sitzen und seinem gleichmäßigen Atem zu lauschen ist das beste, das mir hätte passieren können. Mit jeder Stunde, die so vergeht fühle ich mich auch immer wohler, auch wenn eine kleine Stimme mir in meinem Kopf immer wieder zuruft, dass ich mich nicht entspannen soll, sondern wachsam bleiben muss.
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Fiksi Penggemar[Captain America - The First Avenger ff] Gelangweilt von diesen typischen Captain America ff's? In denen ein Mädchen gut mit Bucky und Steve befreundet ist und dann mit ihnen nach Europa in den Krieg zieht um dann von Hydra entführt, gequält, gefolt...