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Klong. Klong. Tap. Klong. Tap.

Ist alles was ich hören kann. Es sind immer wieder die gleichen, sich wiederholenden metallischen Klänge, zu denen ich hin und her geworfen werde - mal zur einen Seite, dann zur anderen und in die Luft, um dann wieder auf dem harten Untergrund zu landen. Mein Rücken schmerzt nicht allzu sehr, aber ich bekomme kaum Luft und habe furchtbare Kopfschmerzen. Ein im selben Rhythmus wie die Geräusche pulsierendes Dröhnen in meinem Kopf, übertönt alles bis auf die Töne, die ich höre.

Es fühlt sich an als müsste sich jeder Gedanke, jede Idee oder Erinnerung, die ich zu fassen versuche aus einer zähen und unglaublich schweren Masse in meinem Kopf hindurchkämpfen, die ihn nach kürzester Zeit wieder verschlingt und nie mehr freigibt. Vielleicht hat der Brei meine Erinnerung an das, was geschehen ist und wo ich mich befinde schon freigegeben und wieder verschlungen. Ich hoffe, dass dem nicht so ist und die Erinnerung daran sich jeden Moment befreien wird.

Jedoch hallt ein hartnäckiger Gedanke immer wieder in meinem Kopf wieder: Lass sie nicht wissen, dass du wach bist. Doch wer sind sie? Wo sind sie? Bis auf das Dröhnen in meinem Kopf und das Tap und Klong, das ohnehin alles übertönt, kann ich nichts hören. Keine Schritte, kein Rascheln von Kleidung, kein Gähnen, kein Niesen oder ein anderes Geräusch, das durch die Anwesenheit eines anderen Menschen verursacht wird. Bin ich also allein? Aber wieso fühle ich mich so beobachtet?

Was kann schon passieren?, denke ich und öffne mein rechtes Auge gerade so weit, dass ich meine Umgebung etwas unscharf sehen kann und wer auch immer sie sein mögen, nicht erkennen können, dass ich wach bin. Ich brauche eine Weile um zu erkennen was ich sehe. Ich blicke auf zwei dunkle senkrechte Streifen, die langsam zu einem Paar schwarzer Stiefel werden und mir den Blick auf alles hinter ihnen verwehren. Der Träger steht trotz des unruhigen Untergrunds fest auf dem Boden und bewegt sich - zumindest seine Füße - keinen Millimeter. Die Schuhe werden von einem schwachen gelblichen Licht zum glänzen gebracht. Die Sonne? Wohl eher eine alte Glühlampe. Auf dem zu Spiegeln poliertem Leder hoffe ich mehr von meiner Umgebung erhaschen zu können, aber kann darin nichts erkennen.

Plötzlich wirft mich ein heftiger Ruck, der durch den Boden geht, höher in die Luft, als die vorigen es getan haben. Als ich für einen ewig zu dauernden Moment schwebe, versuche nicht aufzuschreien und beiße mir dabei auf die Lippe. Dann spüre ich, wie ich falle. Öffne nicht die Augen. Öffne nicht die Augen. Es ist das einzige woran ich denken kann. Dann schlage ich auch schon auf den Boden auf. Ich reiße meine Augen weit auf und schreie. Ein gewaltiger Schmerz breitet sich wie ein Lauffeuer von der rechten Schulter mit züngelnden Flammen in meinem ganzen Körper aus. Ich versuche mich auf die andere Seite zu drehen, aber das verschlimmert meine Schmerzen nur noch mehr und ich bleibe auf meiner verletzten Schulter liegen.

Jetzt kann ich einen wütenden Mann brüllen hören. Seine raue Stimme klingt, als wäre er weit weg. Also bin ich nicht allein.

Ich versuche mich nach ihm umzusehen. Vor mir entdecke ich nun etwa einen halben Meter von mir entfernt weitere sauber und in gleichmäßigem Abstand aufgereihte Stiefelpaare. Sie alle besitzen die selbe Farbe wie das Paar, das mir gerade eben noch den Blick auf sie verwehrt hat. Jedoch ist keiner der Schuhe so sorgfältig gesäubert und poliert worden. Stattdessen sind sie von der Sohle aufwärts mit Schlamm und Grashalmen überzogen. Als ich meinen Blick nach oben wandern lasse, erkenne ich, dass auch die Hosen nicht von dem Dreck verschont wurden, sodass sie bis über die Knie mehr braun als schwarz sind.

Soldaten, schießt es mir durch den Kopf.

Doch zu wem gehören sie? Ich suche mir einen von ihnen und lasse meinen Blick weiter nach oben wandern. Er trägt eine schwarze Uniform, zu der auch noch eine Schlichte Jacke und Hosenträger gehören, die er über der Jacke trägt. Man sollte Männer sich nicht selbst die Kleidung heraussuchen lassen. Da kann man wieder einmal sehen was dabei herauskommt. Anscheinend um sein Erscheinungsbild noch komplett zu machen gehört anscheinend auch noch eine schwarze Maske aus einem matten Metall, die er in seinen Händen hält. Dass ich ihn genau mustere, bemerkt er allerdings nicht. Seine kalten grauen Augen starren starr geradeaus.

Plötzlich setzten die metallischen Geräusche, von denen ich aufgewacht bin wieder ein. Nun höre ich sei ganz deutlich und nicht mehr gedämpft wie vorhin. Es ist das klappern eines alten Motors. Im selben Moment hört auch der Mann auf zu schreien und ein kräftiger Ruck geht durch den Untergrund, der mich erneut kurz vom Boden abheben lässt. Der darauf folgende Aufprall verursacht ein noch stärkeres Schmerzen meiner Schulter, das dunkle Flecken durch mein Sichtfeld schwirren lässt. Jemand schreit.

"HALT VERDAMMT NOCH MAL DEN MUND!!", werde ich angebrüllt. Es ist die selbe Stimme, die ich auch vorhin schon gehört habe.

Zwei schwere Schritte und die sauber polierten Stiefel stehen wieder vor mir. Doch sie stehen nicht lange still. Der linke hebt vom Boden ab, schwingt etwas zurück um Schwung zu holen und tritt dann zu. Er trifft mich. Ich schreie.

"Sei jetzt endlich still, verdammt.", zischt er.

Dann verliere ich endlich das Bewusstsein. Als ich es schließlich wieder erlange befinde ich mich in einem riesigen Himmelbett, das so weich ist, das ich darin versinke. Es ist lächerlich, das weiß ich, aber ich habe Angst darin unterzugehen und zu ertrinken. Der Baldachin ist zugezogen. Doch der Stoff lässt ein wenig Licht hindurch. Langsam setzte ich mich auf. Mir wird kurz schwindelig, aber das geht nach kurzer Zeit vorbei. Ich trage immer noch dieselbe Kleidung, jedoch hat man meinen verletzten Arm mit einer Schlinge fest an meinen Oberkörper gebunden. Deshalb schiebe ich mit meiner anderen Hand den Baldachin zur Seite.

Hinter dem Vorhangstoff befindet sich ein für seine Größe karg ausgestattetes Zimmer. Außer dem Bett finde ich darin nur noch einen Schrank, einen Tisch und zwei Stühle, die wie das Himmelbett aus dunklem Holz gefertigt wurden und mit aufwändigen Verzierungen überhäuft sind. Auf dem Fußboden ist ein tiefschwarzer Teppich mit einem blutroten Symbol darauf ausgelegt, der mir nicht so recht in das Zimmer zu passen scheint. Ich gehe hinüber zu einem der Stühle und stelle mich auf ihn um das Symbol besser betrachten zu können. Ich kenne es.

Changes (Arbeitstitel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt