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Kurze Zeit nach jenem kleinen Zwischenfall hat es begonnen wie aus Eimern zu gießen und so ist es nicht verwunderlich, dass als wir endlich in dem Lager der Amerikaner ankommen, meine Kleidung völlig durchnässt ist. Doch ein warmer Schauer durchfährt mich, als ich den schwachen Schein eines Lagerfeuers in der Ferne erkenne. Es durchflutet mich mit neuer Kraft und ich fühle mich als würde ich auf es zu schweben – immer schneller und schneller. Die Tortur des kräftezehrenden Abstiegs ist gleich vergessen und nur die beiden Soldaten vor und hinter mir halten mich davon ab einfach darauf los zu rennen.

Nachdem wir wenige Meter weiter dem geschlungenen Pfad gefolgt sind, kann ich auch einige dunkle Schatten ausmachen, die sich um das Feuer versammelt haben. Diese springen hektisch auf und ich höre Schreie, als ich auf einen Ast getreten bin, der unter meinem Fuß mit einem lauten Knacken in zwei Teile zerbrochen ist. Die Gestalten – die Männer kommen mit ihren Waffen auf uns zu gerannt, stoppen aber als einer meiner Begleiter ihnen etwas zuruft.

"What took you so long, Dougan?", frägt nun einer, der gerade einmal vier Soldaten, die hier ihr Lager aufgeschlagen haben. Nur kommt weiter auf uns zu während die anderen drei sich leise unterhaltend wieder zurück begeben.

Der Rothaarige antwortet ihm mit einem Schwall von Worten, die ich angesichts der Schnelligkeit, mit der er spricht, nicht verstehen kann. Ich bin neugierig zu erfahren was sie besprechen, aber im selben Moment bin ich auch viel zu müde um mich auf das Gespräch zu konzentrieren. Außerdem hätte ich den Rothaarigen bis zu diesem Augenblick auch eher als schweigsam eingeschätzt, da er den gesamten Weg über nur das nötigste an Worten verwendet hat, allerdings beweist er mir gerade das Gegenteil und ich vermute, dass es daher eher auf sein fehlendes Vertrauen mir gegenüber begründet ist.

Schließlich erreichen wir das Lagerfeuer und die beiden, die mich hierher gebracht haben, setzen sich zu ihren Kameraden ans Feuer, um das mehrere Plastikplanen ausgelegt waren auf denen sie sitzen und andere aufgespannt sind um vor dem erbarmungslosen Regen zu schützen. Sogleich werden ihnen dann zwei Schüsseln gereicht, aus denen sie zu essen beginnen.

Jedoch wird mir diese Freundlichkeit erst zuteil nachdem einer der anderen meine Hände mit einem dicken Seil zusammengebunden hat. Doch nachdem sie mich dann an einen Baum gelehnt an einer Stelle, die noch vom Wasser einigermaßen verschont geblieben ist platziert haben, reichen sie auch mir eine Metallschale, in der sich eine in der Dunkelheit schlecht zu identifizierende dickflüssige Brühe befindet. Ich nehme das Gefäß mit einem leise gemurmelten: Danke entgegen und trinke noch bevor ich den Löffel bemerke, der mir angeboten wird, einen großen Schluck daraus. Mein leerer Magen knurrt begierig auf mehr und so schlucke ich noch mehr von der heißen Mahlzeit herunter, die mir Mund und Rachen verbrennt. Langsam spüre ich wie sich die Wärme allmählich in meinem Körper ausbreitet und mich Müdigkeit und Erschöpfung überkommen.

Als nur noch ein kleiner Rest übrig ist, bin ich viel zu satt um diesen auch noch aufzuessen und lege die Schüssel achtlos neben mir ab. und drifte langsam mit einem mollig warmen Gefühl, das mich durchflutet, ins Land der Träume ab.

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Das Heulen von Sirenen reißt mich plötzlich aus dem Schlaf. Schnell drehe ich mich um und rüttle meine kleine Schwester Marie wach. Zuerst murrt sie noch, aber dann springt sie genauso eilig auf und wir werfen all das, das wir bei uns tragen auf die Decke, in die wir uns zuvor noch eingewickelt haben. Dann packe ich sie an allen vier Enden und drehe sie so zu einem Sack zusammen, sodass der Inhalt nicht herausfallen kann und werfe sie mir über die Schulter. Mit dem Gepäck, das ich mit der einen Hand festhalte und meiner anderen Hand, an der ich Marie mit mir ziehe, eile ich aus dem leerstehenden Haus, in dem wir Unterschlupf gesucht haben.

Changes (Arbeitstitel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt