Theresa Johnson

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„Schön, dass du dich auch mal blicken lässt", sagt Mike, als ich zu Mittag in die Mensa angekommen bin und mich zu meinen Freunden setze. „Sorry, ist grad viel Stress zu Hause" Sophia ist still. Nein, ich will jetzt nicht mit ihre reden. Trotzdem will sie etwas sagen, aber wird unterbrochen. „Halt dich von Jayden fern sonst passiert dir das Gleiche wie bei deinem Unfall, und er wird dir nicht wieder helfen können!" Ich spüre eine ungemütliche warme Flüssigkeit auf meinem Kopf, die langsam in meinen Nacken gleitet. Nach einigen Sekunden brennt die heiße Soße auf meiner Haut. Sam steht vor mir mit einer leeren Suppenschüssel. Sie hat doch nicht gerade etwa heiße Suppe über mich geschüttet? Mike springt auf und verteidigt mich sofort. Kyle sieht das Geschehen sprachlos mit an.

Leider kriege ich den Streit und die Diskussion nicht wirklich mit, weil ich noch so geschockt bin was Sam getan und gesagt hat. Schwarze Punkte verdecken langsam meine Sicht und Schwindel überrollt mich. Mein Shirt ist bis zu meiner Oberweite durchnässt. Man kann nur leicht meinen BH hindurchsehen. Alle Schüler in der Mensa blicken uns geschockt an. Mein Nacken glüht wegen der heißen Suppe. Während Mike weiter versucht auf Sam einzureden, schnappe ich mir geschwind meine Tasche und flüchte in schnellen Schritten auf das Mädchenklo. Sophia folgt mir. Ich schlage die Tür auf und lasse meine schwere Tasche fallen. Langsam rutsche ich die Wand entlang auf den kalten Boden. Wieder werden meine Arme und Hände taub und ich habe das Gefühl, dass mein Hals meinen Kopf nicht mehr halten kann. 

„Dove", flüstert jemand. Mein Kopf pocht. Ich blicke zur Tür. Sophia. „Es tut mir leid, wegen neulich-" „Ist mir scheiß egal, hol' Jayden", befehle ich ihr. Ich kann ihr jetzt nicht zuhören. „Jayden Johnson?" Ich nicke nur, da mir das Sprechen immer schwerer fällt. „Wieso denn?" „Hol' ihn einfach", antworte ich ihr schweratmend. „Dove!" Jayden reißt die Tür des Mädchenklos auf und kommt auf mich zu gerannt. Mein Schwindel wurde schlimmer, obwohl ich ruhig da saß. Er setzt mich aufrecht hin und nimmt mein Gesicht in seine Hände. „Girl, ich bin da. Kannst du gehen?" Ich blicke in seine besorgten Augen und alles ist verschwommen. Leicht schüttele ich meinen Kopf. Sophia steht noch immer auf der Seite und weiß nicht was sie tun soll. Jayden nimmt meine Tasche und hängt sie um seine Schulter. „Achtung Girl, das kann jetzt unangenehm werden" Er setzt einen Arm unter meine Kniekehle und einen am glühenden Nacken und hebt mich vorsichtig hoch. „Wie viele Finger, Dove?" „Na, wie viele wohl", lache ich und kralle mich so gut wie ich kann, an ihm. „Du bist kurz davor abzukratzen und kannst aber noch immer scherzen", lacht er mit mir mit. Wieso hilft er mir überhaupt? Er kennt mich doch nicht mal und keiner zwingt ihn auf mich aufzupassen.

„ ...lass sie doch einfach in Ruhe! Das mit uns ist schon lange vorbei! Und Dove, sie muss einiges durch machen", höre ich eine leicht wütende Stimme. Jayden? Ich öffne leicht meine Augen. Ich bin wohl eingeschlafen, während er mich hierher getragen hat. Eine Decke liegt über mir. Meine Haare sind leicht zusammen gebunden. Er hat sie geflochten, damit das Nasse mich nicht stört. Ich muss leicht schmunzeln, als ich mir vorstelle, dass er meine Haare geflochten hat. Ich liege auf dem Rücksitz seines Trucks. Ich blicke zwischen den Autositzen durch ein dreckiges Autofenster hindurch. Anscheinend sind wir noch am Parkplatz vor unserer Schule. Jayden und Sam sprechen miteinander. „Oh mein Gott! Du stehst doch nicht etwa auf sie! Merkst du denn nicht, dass sie dir ihre Armseligkeit wie gedruckt vorspielt!", regt sich Sam auf. Es kommt keine Antwort von Jayden. Daraufhin lacht sie spöttisch: „Du stehst auf Dove Edwards! Ich dachte du hättest mehr Niveau!" Dabei verschränkt sie ihre Arme vor ihrer Brust. Was tut er? „Wenn du nur wüsstest!", schreit er sie an, „Du hast keine Ahnung!" Selbst ich habe mich erschrocken. Plötzlich dreht er sich um steigt in den Truck und fährt los. Sam sieht ihm entsetzt nach. Ich setze mich langsam auf. Er bemerkt mich nicht. Angespannt hält er das Lenkrad und flucht dabei kleinlaut. „Schnall dich an", sage ich leise. Erschrocken blickt er durch den Rückspiegel mir in die Augen und sein Blick voller Wut verwandelt sich in ein weiches, liebevolles Gesicht. Bei einer roten Ampel schnallt er sich an. „Du hast es mitbekommen oder?" Ja. Ich bleibe still. Noch ein Mensch, dem ich wichtig bin. „Hör zu-" „Jayden", unterbreche ich ihn. „Ja?" Wieder sieht er durch den etwas zerkratzten Spiegel zu mir. „Ich kann dieses Gespräch jetzt nicht führen", sage ich müde. Ich will es nicht wissen. Ich will nicht noch einen Menschen auf meine imaginäre Liste setzen müssen, die durch meinen wahrscheinlichen Tod leiden müssen. Es beginnt zu regnen. Man hört die Regentropfen am Auto aufprallen und sie übertönten mit dem brummenden Motor des Autos die Stille.

After One Year and 91 DaysWo Geschichten leben. Entdecke jetzt