Lügen wie gedruckt und der mächtige Zorn

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„Erzählen sie nochmal. Ganz von vorne", bittet mich der Kommissar. Ich sitze in einem Raum am Polizeirevier. Ein riesen Spiegel hängt hinter mir an der grauen Zement Wand, den ich entdeckt habe, als ich hier herein kam. Eine Kamera, oben in der Ecke macht sich bemerkbar und am Tisch vor mir, an dem ich sitze, steht ein Mikrophon. Die Handschellen haben sie mir abgenommen.

„Ich war am 12. Oktober bei einer Freundin, Sophia. Wir hatten für einen morgigen Test gelernt, danach hatten wir noch fern geschaut, weswegen ich so spät nach Hause gegangen bin. Sie können sie fragen, wenn sie wollen" Er nickt mir zu. „Ich ging an einer Gasse vorbei, Bridge Street. Ich sah wie Max begann Jayden zusammen zu schlagen. Ich wollte was tun, aber mich überkam meine Angst und ich lief schnell nach Hause...Das war ein Reflex. Ich weiß ich hätte die Polizei rufen sollen, aber ich dachte mir nicht viel dabei...", ich versuche Tränen herunter rollen zu lassen, damit es noch realistischer aussieht. „Weiter...?" „Ein paar Tage später drohte Max mir mit dem Tod, wenn ich ihn verraten würde, was er getan hat" Ich atme langsam ein und aus, denn das lügen viel mir schwer, aber dem Gesichtsausdruck des Polizisten zufolge, mache ich das anscheinend richtig gut. Ich lege sachte meine Hände auf den Tisch. „Ich hatte Angst, weswegen ich auch nichts gesagt hatte. Dann war mein Unfall...ich hatte nur noch ein männliches Gesicht vor mir gesehen, dann wurde alles schwarz. Sophia erzählte mir, dass Johnson mich gerettet haben soll. Ich selbst habe gesehen, dass Max nur daneben stand" „Und die Drogen und Waffen?" „Das waren immer wieder Gerüchte in der Schule, mehr nicht. Ich und meine Freunde saßen immer zu Mittag in der Mensa und haben uns die verkorksten Theorien über diese Gerüchte ausgedacht und uns darüber lustig gemacht" „Aber wenn sie sagen, dass Jayden sie gerettet haben soll und Mr. Scott auch da war, wer saß dann im Auto, welches sie angefahren hat?" „Ich habe keine Ahnung", antworte ich dieses Mal ehrlich. Darüber wer das Auto fuhr, hatte ich gar nicht nach gedacht. Der Beamte sitzt vor mir und sieht mich mitleidig an. Er weiß, dass das Resultat ein künstliches Koma und Norbert war. „Sie und Mr. Johnson...wie ist das entstanden?", fragt er neugierig und kratzt sich dabei an seinen Bartstoppeln am Kinn. „Was entstanden?", tue ich ahnungslos. „Eure Beziehung" „Wir sind nicht zusammen", lache ich spöttisch und blicke kurz hinauf zur Kamera. Wer mir wohl alles zusieht? „Gut, dann seid ihr nicht zusammen, aber wann haben sich die Gefühle für einander entwickelt?" „Wieso wollen sie sowas wissen? Brauchen sie Beziehungstipps oder was?", antworte ich ihm frech. „Sie sind Zeugin und Opfer, und sie haben sich in einen Verdächtigen verliebt, das könnte ihre Aussage beeinflussen..." „Ich habe mich nicht in ihn verliebt!", lache ich höhnisch auf, „So einen wie der, der jede Woche eine neue Tusse hat" Gelogen. Ich habe das Gefühl, als würde ich aus den Spinnfäden von Lügen nicht mehr heraus finden.

Der Kommissar verlässt ohne Worte den Raum und ich atme einmal tief aus. Nach wenigen Sekunden schicken sie Jayden herein. Ah, er will mich testen. Ihm wurden nicht die Handschellen abgenommen, dafür sind sie nicht hinter seinem Rücken zusammen geschnallt. Ich mustere ihn stumm. Er setzt sich langsam gegenüber von mir und sieht mich wieder mit diesem Funkel in den Augen an. Keine Gefühle zeigen, Dove. „Wie geht's dir?", fragt er mich mit einer leisen Stimme. „Gut", gebe ich monoton von mir. Wieder sehe ich hoch zur Kamera. Sie macht mich nervös. „Dove?" Ich blicke zu ihm wieder. „Mein Vater versucht mich nur zu beschützen...ich bitte dich, ich...und Sam, ich will nichts von ihr..." Er findet keine Worte. Ich würde am liebsten Jayden um den Hals fallen und ihn küssen, und ihm sagen wie sehr ich ihn liebe. Natürlich sollte auf diesen Satz ein aber folgen: aber Norbert. „Sie sehen uns zu" Ich nicke zur Kamera, die hinter ihm ist. „Ich weiß", antwortet er ohne sich umzudrehen. Er legt seine Hände auf den Tisch und streckt seine Finger auseinander. Das Metall um seine Handgelenke rasseln aufeinander, als er seine Hände ablegt. Er sieht mich fragend an. Wie viele Finger tut es weh? Zehn. Es tut zehn verdammte Finger weh, nicht in seiner Nähe sein zu können, nicht seine großen warmen Hände an meinem Gesicht spüren zu können. Das einzige was nicht weh tut, ist mein Kopf. Ich lege meine verschwitzten Hände auch auf den Tisch. Er versteht wie sehr es weh tut. Jayden greift nach meinen Händen und seine sind wieder warm, so wie immer. Ich blicke wieder hinauf zur Kamera. Der Kommissar weiß, dass es zwischen uns gefunkt hat. Trotzdem versuche ich mit all meiner Kraft meine Gefühle für Jayden zu unterdrücken. Ich entferne meine Hände von seinen und lasse sie unter dem Tisch verschwinden. Er sieht mich verwirrt, aber zugleich verletzt an. Es tut mir so leid. Aber ich will nicht, dass er im Gefängnis landet. Ich will, dass Max dort lebenslänglich schmort und der Hass auf das was er mir angetan hat, ist größer als die Liebe zu Jayden. Gerade eben fühlt es sich mächtiger an.

„Was hast du ihnen gesagt?", fragt er neugierig. „Max' Taten" „Dove, sag' ihnen die Wahrheit" Ich sehe ihn hasserfüllt in die Augen. „Jayden, ich werde dafür sorgen, dass Maximilian Scott lebenslänglich sitzt, und wenn ich es schaffe ihn auf dem elektrischen Stuhl zu bringen" Rache, das will ich. „Dove, bitte denk' nicht so. So bist du nicht, das weiß ich. Wieso willst du plötzlich Zeit damit verschwenden, jemanden hinter her zu jagen, den du nicht schnappen kannst?" „Weil ich hier sitze, weil du hier sitzt und die ganze Schuld bekommst, obwohl du das hier nicht verdient hast, weil ich das Opfer bin, dem anscheinend keiner glaubt!", werde ich lauter. Er schließt kurz seine Augen. „Nutze die Zeit anders. Sag' deinen Freunden, dass du Norbert hast und verbring' die Zeit die du noch hast, denn vielleicht ist es dann zu spät für dich" „Ich werde diesen scheiß Krebs besiegen, um Scott hinter Gitter zu bringen. Falls ich doch sterben sollte, glaub' mir dann hat er einen rachesüchtigen Geist neben sich am Bett" Jayden sieht mich ängstlich an. Er hat mich noch nie voller Zorn erlebt. Das habe ich auch nicht. 

Plötzlich geht die Tür auf und Johnson wird von zwei Polizisten aus dem Raum begleitet. Der Kommissar tritt wieder in den Raum und gesellt sich zu mir. „Ich kann ihre Lage gut nach voll ziehen, aber so viel Zorn..." „Wissen sie wie es sich anfühlt, wenn man für eine Person Gefühle hat, man vergöttert sie und würde für sie sogar sterben, und dann wenn man sie braucht, rettet sie dich nicht, und es beweist, dass man ihr nie etwas wert war" „Nein, Ms.-" „Nein, ich weiß, sie wissen nicht wie sich das anfühlt. Danach hatte ich verlernt, wie das war... Gefühle und so ein Kram" Er verstummt und analysiert mein Gesichtsausdruck. „Wenn die Liebe mächtig ist, ist der Hass darauf noch mächtiger", hallt meine Stimme im Raum und die Kamera, die mich bereits seit einer Stunde beobachtet, zoomt an mein Gesicht heran. Der Ton verriet es mir.  

After One Year and 91 DaysWo Geschichten leben. Entdecke jetzt