Der neue Herr

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Kopfschmerzen. Immer wieder diese Kopfschmerzen. Ein fürchterliches Dröhnen das mit einem Pochen einherging und ihn nicht mehr in Ruhe ließ. Das war nicht immer so, nur an Tagen wie heute. An regnerischen, stürmischen, düsteren Tagen. Ganz automatisch, wie jedes Mal, fasste er sich an den Hals und rieb sich die Stelle die für diese Schmerzen verantwortlich war. Es würde ein paar Minuten dauern und dann würden sie wieder vergehen. Davon war er aufgewacht und dabei hätte er noch liegen bleiben können. Normalerweise tat er das auch. Er stand nicht auf, wenn es nicht unbedingt sein musste.

Seit dem Tag an dem alles geendet war, hatte es in Wirklichkeit doch erst wieder angefangen. Er hatte gewusst, was auf ihn zukam, hatte gewusst, das er in der Heulenden Hütte angegriffen werden würde, hatte gewusst, dass das ‚goldene Trio' alles miterleben würde. Voldemort hatte es geschafft alles zu erfahren. Und zwei Tage vor der großen Schlacht hatte er sich seinen Plan überlegt. Severus war immer noch seine rechte Hand, aber er konnte sich nicht mehr sicher sein, ob er wirklich ganz der treue, untertänige Todesser war. Also hatte er ihn darin eingeweiht, was im Falle seines Ablebens passieren sollte, hatte ihm klar gemacht, das es wichtig war alles so kommen zu lassen wie es sollte. Er sollte Potter seine Erinnerungen geben, denn Potter sollte sich sicher sein. Bei Naginis Biss hatte er gespürt, das die Schlange ihn tatsächlich nicht vergiftete. Dennoch hatte er stark geblutet. Nachdem er wieder alleine auf dem Boden lag, die drei hatte glauben lassen wirklich gestorben zu sein, zog er seinen Zauberstab und heilte die tiefe Wunde. Leider kannte er sich mit Heilzaubern nicht so gut aus. Heiltränke waren eher sein Gebiet und er wusste es würde eine Narbe bleiben. Dann hatte er sich zum Schloss zurückgeschlichen und alles beobachtet. Er musste zusehen, konnte nicht eingreifen und es verhindern, er hatte keine andere Wahl.


Voldemort hatte es geschafft ihn zu überrumpeln. Er hatte ihm den Plan nur unter der Bedingung eines Unbrechbaren Schwurs verraten. Dabei hatte er von ihm verlangt, das er niemandem etwas verraten würde, das er ihm helfen würde zu siegen und sollte er doch sterben, dann würde Severus seinen Platz einnehmen, die Macht an sich reißen und es jeden in der Zaubererwelt wissen lassen. Alle sollten auch nach seinem Untergang wissen, dass die dunkle Seite nichts erschüttern kann und das er durch sein Gefolge weiterlebte. Diese Bedingungen hatte der dunkle Lord an den Schwur gebunden und ihn somit zur Untätigkeit verdammt. Also musste er im Schatten der Bäume stehen und zusehen wie sie alle starben, während die Dementoren und seine ‚Brüder' Gefangene machten oder sich an Ort und Stelle vergnügten. Innerlich hatte er gebrodelt und all seine Hoffnung auf Harry gesetzt. Doch als dieser dann auch reglos liegen blieb, wusste er, dass es kein Zurück gab. Er würde es tun müssen um den Schwur zu erfüllen und selber nicht zu sterben.

Und jetzt saß er hier, die Nummer Eins, Voldemorts Nachfolger und er hasste sich. Jetzt hatte er nicht nur Lily auf dem Gewissen, sondern auch ihren Sohn und seine Freunde und Verbündeten im Kampf um den Frieden. Und er konnte nichts tun. Er hatte sich damals überlegt, wie er vorgehen würde, wenn Harry es schaffen würde. Er war schließlich ‚der Junge der überlebt hatte' und wenn er seiner Erinnerung wirklich glaubte, dann würde er ihm auch zuhören und ihm helfen, dem Ganzen endlich ein Ende zu machen. Er hatte eine Lösung für alles gefunden. Damit einen eigenen Plan entwickelt um alles auf einen Schlag zu beenden. Und dann war alles anders gekommen. Jetzt war die Erfüllung dieses Plans in unendliche Ferne gerückt und der Antrieb ihn unbedingt erfüllen zu wollen war verschwunden.


Am nächsten Tag hatte er getan was Voldemort von ihm verlangte, was der Unbrechbare Schwur von ihm erwartete und die Macht übernommen. Keiner der anderen Todesser hatte dagegen Einspruch erhoben. Für sie war seine Auferstehung Grund genug es zu akzeptieren. Denn sie hatten alle nicht das gewusst, was Severus wusste. Und auch wenn er einen Überblick über alles hatte, sie alle beobachtete und an manchen Tagen heimlich schlimmeres Unheil verhinderte, zog er sich in sein Haus zurück. Er war wieder nach Spinner's End gezogen und regelte von dort aus alles Weitere. Trotzdem hatte er sich unsichtbar gemacht, ließ sich nicht mehr sehen. Aber seine Präsenz und das Wissen, das er noch lebte lag wie ein bedrohlicher Geist über der Welt und ließ niemanden daran zweifeln.

Aber das war nicht der Grund, warum er das tat. Es war zwar ein passender Nebeneffekt, aber mehr nun mal auch nicht. Severus tat es aus Schuld. Denn diese war um einiges angestiegen und lastete schwer auf seinen Schultern. So viele Fehler, die er begangen hatte und sie wollten einfach nicht enden. Mittlerweile war er sogar soweit, dass es ihm lieber gewesen wäre, wirklich zu sterben. Er hatte gar nicht mehr das Recht zu leben, wo doch so viele andere, die so viel Gutes getan hatten, nicht mehr da waren. Also vergrub er sich noch mehr in seiner Einsamkeit, als all die Jahre zuvor. Nur einer kam ihn besuchen und das war niemand geringeres als Lucius Malfoy. Denn er war nun seine rechte Hand, etwas an das er sich nie gewöhnen würde. All die Jahre hatte er nie selber entscheiden können, hatte immer nach der Pfeife von anderen getanzt und jetzt war er selber so eine Person. Wie absurd. Natürlich hatte Lucius sein Verhalten bei einem seiner zahlreichen Besuche bemerkt und ihn mit viel Überredungskunst dazu gebracht auf dessen Vorschlag einzugehen. Dabei wollte er das nicht, er wollte nicht noch eine Person in seinem Leben haben, deren Schuld er trug.


Es brachte eh nichts. Er konnte jetzt keinen Rückzieher machen. Mühsam erhob er sich, zog sich an und machte sich dann auf den Weg zu Malfoy. Dort wurde ihm dann auch sofort die Tür geöffnet, aber nicht von einem Hauself, sondern von Luna Lovegood. Nach außen hin blieb er ruhig, aber innerlich war er über ihren Anblick doch erschrocken. Lucius war nicht zimperlich mit ihr umgegangen, was die frische, verschorfte Wunde auf ihrer linken Wange zeigte. Auch die älteren Wunden und Blutergüsse waren an Armen und Beinen zu sehen. Wie es unter ihrer Kleidung aussah konnte er sich also gut vorstellen. Luna sah nicht nach oben, sah ihn nicht an. In einer demütigenden Haltung stand sie einfach da und hielt wortlos die Tür offen. Ehe Severus auch nur das Wort an sie richten konnte, kam ihm schon Lucius entgegen. Mit einem harten Stoß schubste er Luna von der Tür weg. Die war darauf nicht vorbereitet und schlug mit einem erschrockenen Aufschrei auf dem Boden auf.

„Severus! Da bist du ja endlich! Ich habe dich bereits erwartet!"


„Hör auf mit deinem Gefasel und komm zur Sache. Ich habe nicht ewig Zeit." Lucius gute Laune stieß bei Severus nur auf Abneigung. Das war schließlich kein guter Anlass in seinen Augen.

„Warum denn so gereizt? Ach, ich weiß schon. Aber glaube mir, wenn du dich heute Abend erst mal deiner neuen Errungenschaft angenommen hast, wird es dir besser gehen. Selbst du kannst mir nicht erzählen, das du ewig auf eine Frau verzichten möchtest."


Severus gab ihm darauf keine Antwort, sondern schenkte ihm nur einen Blick, der ihn wissen ließ das er es nicht übertreiben sollte. Und Lucius schien zu verstehen, das er sich auf sehr dünnem Eis befand und gab mit einer knappen Entschuldigung an seine erworbene Ware zu holen. Severus stand derweil im Salon und hoffte so schnell wie möglich wieder gehen zu können. Er wusste immer noch nicht, warum er sich darauf eingelassen hatte und er wusste auch nicht, was er mit seiner ‚Sklavin' machen sollte. Er wusste nur, das er Lucius endlich zum Schweigen bringen wollte. Und als dieser davon anfing von einer überaus intelligenten, jungen Frau zu sprechen, hatte er einfach zugestimmt. Der Preis, den Lucius verlangte war hoch, aber es war Severus einzige Möglichkeit gewesen, das er endlich Ruhe gab. Noch bevor er überhaupt einen weiteren Gedanken daran verschwenden konnte, kam Lucius wieder zurück.

„Und hier haben wir auch schon das gute Stück. Du musst mir die kleine Gebrauchsspur im Gesicht entschuldigen, aber sie musste sich mir ja widersetzten."


Als Severus sah, wenn er da gekauft hatte stockte ihm wirklich der Atem. Aber sie war doch auch gestorben. In Hogwarts war sie doch auch, wie alle anderen gefallen. Er traute seinen Augen nicht und ging zu ihr hinüber. Sein Gesicht verriet wie immer keine Regung, während er sie grob und bestimmend am Kinn packte und sie genauer betrachtete. Als ihre Augen sich trafen, waren sie beide gefangen. Severus von der Angst, die sich in ihren widerspiegelte und Hermine von der bedrohlichen Kälte, die er ihr entgegenstrahlte. Was sie jedoch nicht wusste, war der Gedanken von ihrem nun neuen Herr, der fand dass sie genauso aussah, wie er sich innerlich fühlte.

„Miss Granger!"

The pain I'm used toWo Geschichten leben. Entdecke jetzt