Kapitel 15

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Ich lief weiter durch die Straßen, verfolgt von meinen imaginären Demonen. Ich versuchte Haltung zu bewahren, um meinen Verfolgern zu zeigen, dass ich keine Angst hatte. Das war natürlich Humbug, in Wahrheit machte ich mir fast in die Hose vor Angst.
Aber vielleicht wurde ich ja auch gar nicht verfolgt. Warum auch? Ich habe nichts verbrochen und trotzdem werde ich in den ganzen Sachen mit hineingezogen. Natürlich lag das alles an Sherlock, an wem auch sonst, und es wäre sicherlich interessant, wenn er mich einweihen würde wie Joan. So kriegte ich nie was mit, außer unverständliche Bruchstücke.
Ein schwarzer Wagen raste quietschend um die Straßenecke, von der ich noch gut 20 Meter entfernt war und kam, mit erneut quietschenden Reifen direkt neben mir zum stehen. Diese brillante Bremskunst ließ mein Herz endgültig in die Hose rutschen. Das ist jetzt das Ende, dachte ich, während sich Schweiß in meinen Nacken bildete. In den dunkel getönten Scheiben des Wagens konnte ich mein Spiegelbild erkennen, obwohl ich mich lieber weigern würde, dieses Mädchen im Spiegel als mich zu bezeichnen. Zwei in entsetzen aufgerissenen Augen starrten mich ungläubig an. Meine Haut war blass, das war sie immer schon, aber in den Laternenlicht hielt ich mich fast für eine Leiche. Zudem wirkte meine Haut schlaff und fahl, aber das war kein Wunder. Der Stress setzte mir langsam zu und verdarb mir auch jeglichen Appetit.
Die Scheibe fuhr herunter und welches Gesicht sah mich da an, als das meines Vaters. Jetzt krieg ich endgültig einen Herzanfall, schoss es mir durch den Kopf, während ich versuchte mich wieder zu sammeln. Sherlock starrte mir in die Augen, während ich es ihm gleich tat.
"Steig in den Wagen." Ich nickte und stieß wortlos die Tür vom Rücksitz auf, als ich mich setzte, zog ich die Tür wieder zu und erkannte kurz darauf Joan am Steuer, was nicht verwunderlich war. Sie fuhr los. "Woher wusstest ihr, wo ich war?", fragte ich unsicher. "Schlussfolgerung.", erwiderte Sherlock knapp. Aha, also würde ich eine angemessene Erklärung nicht bekommen, schlussfolgerte ich.
Unruhig rutschte ich auf den Sitz hin und her, während mein Herzschlag sich langsam beruhigte. "Ihr habt nichts raus gefunden.", sagte Sherlock, obwohl es schwer war den Satz von Frage und Aussage zu unterscheiden. "Nein.",erwiderte ich genauso knapp. Ob er die Sache mit Logan ebenfalls schlussfolgerte, konnte ich nicht sagen, wahrscheinlich interessierte es ihn aber auch relativ wenig.
Die Fahrt nach Hause wurde von weiteren Schweigen begleitet, bis Joan den Wagen in die mir allzu bekannte Straße fuhr, aber anstatt vor dem Haus zu halten, fuhr sie weiter, bog rechts ab und fuhr die Straße ebenfalls runter. Sie hielt vor einem mir unbekannten, dunkel liegenden Haus, verwirrt betrachtete ich es. Es sah bewohnt aus, die dunklen Schatten von Pflanzen zeichneten sich vor den Fenstern ab. Sherlock riss mich aus meinen Gedanken, als er die Tür zu stieß. Er war ausgestiegen, ebenso wie Joan. Eilig folgte ich ihren Beispiel und begann gleich darauf leicht zu zittern. Die Temperatur war gesunken, während es später in der Nacht wurde. Ich schloss die Tür und drehte mich um, als mein Herz plötzlich stehen blieb, während mich zwei strahlend grüne Augen aus einem Fenster neben der Haustür des dunklen Hauses anstarrten. Ich lächelte leicht, als mein Schreck verflog, es war nur eine Katze.
Sherlock rauschte im nächsten Moment an mir vorbei, gefolgt von Joan, bevor ich mich ihnen anschloss. Er lief zum Haus hin, aber anstatt Richtung Haustür zu laufen, kletterte er über die Mauer in den Garten, Joan folgte wortlos. Ich blieb vor der Mauer stehen, sie sahen sich nicht nach mir um und zum fragen schien mir der falsche Zeitpunkt. Leider war ich nie ein besonders großer Sportler und stand ein wenig ratlos vor der bauchhohen Mauer.
Also tat ich das, was mir am einfachsten erschien, ich drehte mich um und sprang Hintern zuerst auf die eiskalte Mauer, bevor ich meine Beine hob, über die Mauer rutschte und auf der anderen Seite wieder hinunter, direkt in ein Blumenbet. Ein toller Einbrecher wäre ich, schoss es mir durch den Kopf, während ich hinter den bereits Verschwundenen hinterher rannte. Ich hoffte nur, dass die Person, die hier wohnte nur eine Katze besaß und nicht noch einen Wachhund. Ängstlich horchte ich in Nacht hinein, nach heran donnernden Pfoten, aber alles was ich hörte waren entfernte Autos und Sirenen. Ich lachte leise auf, jetzt müssten die Sirenen nur noch für uns sein.
Sherlock und Joan warteten bereits am Ende der Mauer auf mich, natürlich waren sie schon längst drüber, während ich mich erneut abmühte. Als meine Schuhe das weiche Gras des nächsten Garten berührten, setzten sie freundlicher Weise ihren Weg eilig fort, der mir bereits langsam den Atem raubte, denn auch Rennen war nicht so meins. Wir liefen durch eine dunkle Gasse, die ich im Leben nicht betreten hätte, kletterten über weitere Mauern, bis wir plötzlich vor einem Kellereingang standen. Ich sah zu dem Haus hoch, in einem der dem Garten zugewandten Zimmern des zweiten Stocks brannte Licht. Sherlock war natürlich wie immer unergründlich, während er mehrere der Schlösser knackte. Es wunderte mich nicht besonders, genauso wenig, wie der Gedanke gerade irgendwo einzubrechen. Sicherheitshalber horchte ich erneut nach den Sirenen, aber sie schienen eher weiter entfernt, als näher gekommen zu sein. Sherlock schien Erfolg zu haben, als die Schlösser eins nach dem anderen knackte, dann lehnte er sich gegen die Tür und drückte kräftig dagegen bis sie, erst wiederstrebend, aufschwang. Er drehte sich zu mir um:"Bitte nach dir."

Die Tochter eines "besonderen" Menschen TEIL 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt