Kapitel 20

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Die Tür fiel laut ins Schloss, das Mauerwerk erzitterte leicht davon. Ich öffnete meine Augen wieder, das Wohnzimmer war immer noch leer. Mit einem Blick nach draußen, stellte ich fest, dass auch niemand das Haus verlassen hatte, also ist jemand hinein gekommen. Mühselig rappelte ich mich auf, mein Hintern tat vom langen auf dem Boden sitzen weh. Langsam ging ich in den Flur und wünschte gleich darauf, dass ich einfach sitzen geblieben wäre.
Kenji stand im Flur, er war übel zu gerichtet worden. Über seiner Stirn war eine Schnittwunde, wodurch Blut in sein Auge lief, seine Lippen, waren aufgeplatzt und seine Nase blutete stark. Überall in seinem Gesicht waren Blutreste, aber seine Nase machte mir besonders Sorgen, ich war einige Schritte von ihm entfernt, aber ich konnte trotzdem sehen, dass sie zusammen gedrückt aussah, es würde mich nicht wundern, wenn sie gebrochen wäre. Seine Arme baumelten neben sich und seine Hände waren rot, wahrscheinlich von der Kälte, und ebenfalls blutig. Er schien kaum noch Kraft zu haben auf den Beinen zu stehen, doch seine Augen sprühten eine unglaubliche Energie aus. Kenji funkelte mich böse an, während ich ihn ungläubig anstarrte.
"Kannst du mir mal helfen anstatt mich so dumm anzustarren?!" Seinen genervten Charakter hatte er noch nicht verloren. Ein gutes Zeichen. Ich war jedoch unfähig etwas zu erwidern. Wie mechanisch lief ich ins Badezimmer, holte ein Handtuch, machte es nass und lief wieder nach unten. In der Zwischenzeit war auch Danger wieder aufgetaucht, ich hörte seine Stimme im Wohnzimmer.
"Hab doch gesagt, du sollst aufpassen."
"Schnauze!", fauchte Kenji ihn an.
Als ich das Wohnzimmer betrat, lag er auf der Couch, sein eines Bein ausgestreckt, während das andere auf dem Boden ruhte. Ich ging langsam auf ihn zu, zeigte ihm das Handtuch und begann vorsichtig, die Blutreste aus seinem Gesicht zu tupfen, nachdem ich mich neben ihn kniete. "Danger, ruf einen Krankenwagen.", brachte ich endlich heraus.
"Auf keinen Fall!", krächste Kenji und stieß meine Hand mit dem Handtuch weg. Danger bewegte sich währenddessen nicht.
"Kenji, dir geht es nicht gut. Gar nicht. So wie du aussiehst, kannst du auch innere Blutungen haben. Du könntest sterben!"
"Wäre besser so...",murmelte er genervt.
"Finde ich nicht. Ich verstehe dein Problem. Wenn wir einen rufen, finden die Typen, die dich verfolgen das raus, aber wir können nichts anderes machen-"
"Doch abwarten. Das wird alles schon abheilen. Meine Arme hats schlimmer getroffen, als meine Organe.", unterbrach er mich.
"Und wenn nicht?"
"Kannst du mir bitte einfach ein paar Schmerztabletten holen. Es ist meine Entscheidung und ich sage wir machen nichts."
Mit flauen Gefühl im Magen richtete ich mich wieder auf und ging in mein Zimmer, um in einen meiner Taschen nach Schmerztabletten zu suchen. Als ich eine Packung fand, fühlte sie sich schwer wie Blei an. Ich hatte kein gutes Gefühl, es einfach bei Schmerztabletten zu belassen, aber ich konnte nicht gegen seinen Willen handeln. In der Tasche, in der sich die Tabletten befanden, waren auch noch Pflaster. Sie würden nicht viel ausrichten, aber ich nahm sie trotzdem mit. Mit schweren Schritten kam ich die Treppe wieder runter und reichte sie Kenji, der drei aus der Packung nahm und sie ohne Wasser herunter schluckte. Ich setzte mich wieder neben ihm und tupfte weiter das Blut von seinem Gesicht, während ich die Pflaster erstmals neben ihn legte. Unter seinem Kinn war ein blauer Fleck, genauso wie an seiner Brust direkt unterm Hals, was ich wegen seinem verrutschten, dreckigen Pulli sehen konnte. Danger ließ sich neben mir auf dem Boden sinken und starrte Kenji an.
"Kannst du uns wenigstens sagen, was passiert ist?"
Kenji schwieg und wandte den Blick ab. Als ich zu Danger schaute, tat er das gleiche. Die beiden wussten, was passiert war und insgeheim wusste ich es auch.
"Oder warum er das getan hat?", sagte ich leise, meine Kehle fühlte sich an wie zugeschnürt.
Erneutes Schweigen.
"Bitte...", fügte ich hinzu, aber es war nicht lauter als ein flüstern. Wenn ich der Grund dafür war, was eine Seite in mir auf gewisser Weise romantisch, die andere jedoch sehr abstoßend fand, musste ich mit ihm reden. Ich würde ihn umstimmen können, oder?
"Kannst du mir ein Glas Wasser holen?", fragte Kenji und wich weiterhin meinen Blick aus. Ich nickte stumm und ging in die Küche. Als ich ein Glas auffüllte hörte ich die beiden im Wohnzimmer leise reden. Natürlich mussten sie mich wieder ausschließen. Alles, was man mir mitteilte, waren nur Bruchstücke, zu wenige, um sie selbst zusammen zu setzen. Mit dem Glas kehrte ich zurück, das Gespräch war verstummt. Kenji rutschte die Couch hoch damit er trinken konnte.
"Warum verheimlicht ihr mir das?", ich starrte auf meine Hände.
"Du würdest uns nicht glauben.", gab Kenji von sich, bevor er gierig das Glas leerte.
"Vielleicht ja doch..."
"Wir dürfen nicht reden, sonst gibt es Konsequenzen für uns. Kenji hat noch Glück gehabt.", erwiderte Danger.
"Von Logan?", fragte ich vorsichtig.
Kenji nickte, während er mir das Glas wieder gab, seine Hand zitterte dabei stark.
"Nicht nur.", fügte Danger hinzu.
Ich seufzte:"Ich sollte es einfach mit ihm beenden, dann haben wir alle unsere Ruhe."
Kenji riss die Augen auf und auch Danger schüttelte heftig mit dem Kopf. Stirnrunzelnd sah ich sie an:"Warum nicht? Zu euch ist er genauso blöd, wie zu mir."
"Glaub uns einfach. Es ist besser, wenn ihr zusammen bleibt."
"Und was ist, wenn ich ihn nicht mehr liebe?", das stimmte nicht, aber es wäre wahrscheinlich gesünder für mich, wenn es so wäre.
"Dann tu weiterhin so.", sagte Kenji.
"Was würde passieren, wenn ich es beenden würde?"
Kurze Stille, bevor Kenji antwortete:"Das möchtest du dir nicht vorstellen." Er griff nach den Schmerztabletten, die er neben sich gelegt hatte und schluckte gleich darauf zwei weitere.
"Kenji, so viele aufeinmal sind nicht gut!"
Er hob abwertend eine Hand. Seufzend stand ich wieder auf und ging in den Flur. Auf der drittletzten Stufe ließ ich mich fallen, stützte meinen Kopf mit meinen Händen, welche wiederum von meinen Knien gestützt wurden.
Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Sherlock anrufen wollte ich nicht, er würde ohnehin bald wieder kommen. Selbst wenn ich es machen würde, würden Danger und Kenji mich wahrscheinlich abhalten, weil sie denken würden, dass ich einen Krankenwagen rief. Oder Logan. Meine gesammelte Motivation war mittlerweile wieder verschwunden, wie ich es vorhergesehen hatte. Ich wollte so gerne helfen, irgendwie, aber ich wusste nicht wie.

Die Tochter eines "besonderen" Menschen TEIL 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt