Sechsundzwanzig

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„Meinst du, dass du mir deinen ersten Tanz schenken kannst?", will Paula mit einem süßen Grinsen auf den Lippen von mir wissen.

Ich muss lachen. „Ich bin als Aufsichtsperson hier und nicht um Spaß zu haben. Wahrscheinlich muss ich den ganzen Abend neben dem Punsch stehen und aufpassen, dass niemand Schnaps rein schüttet", antworte ich.

„Ach komm' denk doch bitte noch einmal darüber nach", bittet Paula mich. „Wozu haben ich mir dann das Kleid angezogen."

Ich sehe Paula an. Sie hat sich die Haare zur Seite geflochten, ein wenig geschminkt, auch wenn sie das gar nicht nötig hat. Sie ist eine total Naturschönheit. Dazu trägt sie ein total süßes hellblaues Kleid, dass zu der Farbe in ihren Haaren passt. Paula sieht atemberaubend aus und es entgeht mir nicht, dass einige Jungs sie anstarren. Vielleicht hätte ich mir doch etwas besseres anziehen sollen, als eine schwarze Jeans und eine Bluse. Leider ist es jetzt zu spät dafür.

„Ich würde ja gerne, aber ich glaube nicht, dass ich Zeit haben werde. Ich werde es versuchen", sage ich.

„Danke", meint sie und drückt mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

Sofort kribbelt es wieder in meinem ganzen Körper. Ich kann es immer noch nicht fassen, was mit mir passiert, wenn Paula mich berührt oder mir nah kommt. Es ist verrückt.

„Dann lass uns rein gehen", sage ich.

Paula nickt und nebeneinander gehen wir in die Sporthalle, die für heute Abend der Ballsaal ist. Sofort kommt Marc auf mich zu. Ich hatte schon ganz vergessen, dass ich mit ihm eingeteilt bin. Das wird ein anstrengender Abend werden. Er ist nach wie vor total neugierig und löchert einem mit Fragen.

„Ich werde mich mal unter die Menschen mischen", meint Paula.

„Mach' das", erwidere ich.

Ich sehe ihr hinter her, wie sie verschwindet, bis ich sie gar nicht mehr sehe. Wie gerne hätte ich ihr gesagt, dass sie den ganzen Abend bei mir bleiben soll, aber das wäre egoistisch gewesen. Schließlich wird mein Abend richtig langweilig werden.

„Und ist das deine neue Freundin?", will Marc von mir wissen, als wir alleine sind.

Ich nehme mir einen Becher und fülle ihn mit Punsch, um meinem Kollegen nicht sofort antworten zu müssen. Eigentlich geht es Marc überhaupt nichts an, was zwischen Paula und mir läuft.

„Nein", antworte ich knapp.

„Ihr versteht euch aber echt super", meint er.

„Hast du eigentlich mittlerweile eine Freundin?", will ich ein wenig genervt von ihm wissen.

Wenn Marc redet, muss ich es wenigstens nicht tun. Es interessiert mich zwar kein bisschen, was er von sich gibt. Mein Plan funktioniert und er fängt an vor sich hin zu reden und lässt mich in Ruhe. Hin und wieder nicke ich, aber ich höre gar nicht zu.
Mein Blick schweift durch die Menge auf der Suche nach Paula. Was sie wohl gerade macht? Bestimmt hat sie mehr Spaß als ich. Ein Blick auf meine Armbanduhr verrät mir, dass ich noch etwas länger hier Wache schieben muss. Total ätzend.

Irgendwann wird es mir zu langweilig ständig alles im Blick zu haben, was aber nichts an der Tatsache ändert, dass meine Schicht noch nicht zu Ende ist. Trotzdem beschließe ich mir eine kurze Pause zu gönnen.

„Kannst du kurz alleine hier bleiben?", bitte ich Marc. „Ich müsste man wohin."

Was genau ich vorhabe sage ich ihm nicht und ich warte auch nicht auf seine Antwort. Er ist erwachsen und wird es auch ohne mich schaffen auf alles aufzupassen. Ich dränge mich an ein paar Schülern vorbei auf der Suche nach Paula. Da ich sie drinnen nicht finden kann, gehe ich nach draußen. Für Luft hier ist so viel angenehmer und es ist nicht so laut. Ich hätte schon viel früher nach draußen gehen soll. Langsam sehe ich mich um und entdecke Paula, wie sie mit einem Mann unterhält. Wahrscheinlich einem meiner Kollegen. Da ich mittlerweile weiß, dass Paula kein Interesse an Männern hat, kümmert es mich nicht besonders.

„Hey", störe ich das Gespräch der beiden.

„Hi", erwidert Paula lächelnd.

„Tut mir leid, aber ich muss sie für einen Moment entführen", entschuldige ich mich bei Paulas Gesprächspartner.

Dieser nickt und fischt ein Päckchen Zigaretten aus seinem Jackett.

Ich nehme Paulas Hand in meine und zusammen gehen wir ein Stück. Sie sieht so atemberaubend schön aus, dass ich es kaum fassen kann, dass sie mit mir hier ist. Ihre Hand zu halten fühlt sich wie das normalste der Welt an. Am liebsten würde ich sie nie mehr loslassen.

„Du schuldest mir noch einen Tanz", erinnert Paula mich lachend.

„Das habe ich nicht vergessen. Deswegen bin ich ja hier", sage ich leise.

„Na dann", meint sie und zieht ihre Hand aus meiner.

Ich lege meine Hände an ihre Hüfte. Paula schlingt ihre Arme um meinen Hals und leise bewegen wir uns zu einer Musik, die nur wir beide hören können. Wie es wohl aussehen muss für Leute, die an uns vorbei gehen? Das ist mir sowas von total egal. Ich komme ohnehin nicht dazu den Gedanken zu Ende zu führen, da Paula mich küsst. Ihre Lippen liegen auf meinen und eine Hitze durchströmt mich. Viel zu lange habe ich auf diesen Augenblick gewartet sie endlich zu küssen. Ich ziehe Paula näher an mich heran. Unser Kuss wird intensiver. Ich könnte sie stundenlang küssen.
Schweren Herzen beende ich den Kuss und streiche ihr ein Haarsträhne hinters Ohr.

„Ich muss wieder rein", nuschele ich.

„Musst du gar nicht", widerspricht sie mir. „Schreib' einfach irgendwem eine Nachricht, dass dir nicht gut ist und du nachhause gehst."

Ich muss lachen. „Wieso kommst du erst jetzt mit dieser Idee?"

Paula zuckt mit den Achseln und grinst mich frech an. „Keine Ahnung."

Ich schreibe Marc eine kurze Nachricht und lasse mein Handy dann wieder in meiner Tasche verschwinden.

„Wie es aussieht gehört der restliche Abend nur noch uns beiden", sage ich und küsse Paula flüchtig.

„Aber sowas von", meint sie und nimmt meine Hand. „Und jetzt lass' uns wohin gehen, wo nicht so viele Jugendliche sind."

Wir beide müssen lachen.

„Stimmt, du magst ja keine Kinder", stelle ich fest. „Lass uns einfach zu dir gehen."

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