Draußen schüttet es wie aus Eimern, was mir die Pausenaufsicht draußen erspart. So muss ich lediglich im Foyer herum stehen und die Schüler im Auge behalten. Es ist eigentlich das gleich, wie draußen, nur das ich keine Jacke brauche.
„Hast du auch Aufsicht?"
Ich drehe mich um und blicke ins Leslie's Augen. Sie grinst mich an. Sie scheint bester Laune zu sein. Ich frage mich wieso. Das Wetter trägt, meiner Meinung nach, nicht dazu bei, dass man sich gut fühlt.
„Schleich dich doch nicht so an", sage ich zu ihr. „Du hast mich erschreckt. Und ja. Wieso sollte ich sonst hier stehen."
„Tut mir leid. Wollte ich nicht", entschuldigt sie sich.
„Schon okay."
Ich sehe mich um, aber ich sehe nichts, was mich aus der Situation retten könnte. Keinen Streit, keine Handys, einfach nichts. Alleine mit Leslie zu sein ist gefährlich für mich. Ich verhalte mich dann immer, wie ein verliebter Teenager. Obwohl ich keins von beidem bin. Ich hänge einfach an den Erinnerungen von früher, als ich in sie verliebt war. Ich kann dieses Gefühl einfach nicht los lassen.
„Und schon aufgeregt wegen der Klassenfahrt?", erkundigt Leslie sich.
„Erinner' mich bloß nicht daran. Ich kann seit Tagen lang schlecht schlafen, weil ich mir so viele Gedanken mache", antworte ich.
Es macht mich verrückt, dass ich nachts wach liege und darüber nachdenke, was passieren könnte während dem Ausflug. Ich werde viel Zeit mit Leslie verbringen müssen. Hoffentlich nicht allzu viel Zeit alleine.
„Über was machst du dir denn Gedanken?", will sie wissen.
„Naja wir haben so viel Verantwortung und so. Du weißt ja", sage ich.
Das macht mir auch ein wenig Sorgen , aber nicht annähernd so viel, wie die Sache mit Leslie, aber das kann ich ja schlecht zu geben. Würde ich auch niemals. Da würde ich eher über glühende Kohlen laufen.
„Hey, du bist nicht alleine. Ich bin da und die zwei Männer auch", beruhigt sie mich und legt ihre Hand auf meinen Arm.
Sofort wird mir gleichzeitig warm und kalt. Mein ganzer Körper kribbelt und mein Mund ist ganz trocken. Verdammt. Muss das sein?
„Ich weiß. Ich mache mich wohl einfach nur verrückt."
Wahrscheinlich ist es genau das. Ich mache mich einfach nur verrückt, aber es ist so schwer nicht darüber nachzudenken. Mit jedem Tag rückt die Klassenfahrt näher. Es sind nur noch drei Tage und Helen kommt erst morgen Abend wieder, da sie für ein paar Tage nach Paris ist. Hin und wieder fliegt sie für Shootings irgendwo hin. Leider bedeutet das, dass meine Gedanken und ich ganz alleine in der Wohnung sind. Es ist niemand da, der mich ablenkt. Vielleicht sollte ich doch mal darüber nachdenken mir einen Hund oder eine Katze zuzulegen.
„Musst du aber nicht", erwidert Leslie und nimmt ihre Hand wieder weg.
Ihr Lächeln bleibt. Ich versuche ebenfalls ein kleines Lächeln, bin mir aber nicht sicher, ob es mir gelingt.
„Lass uns doch über was anderes reden. Wie läuft es im Kunstunterricht?"
Ich bin froh über den Themenwechsel. Ich rede wirklich gerne über Kunst und den Unterricht. Sofort fange ich an zu reden und zu reden und zu reden. Ich mache mir gar keine Gedanken darüber, dass ich Leslie eventuell zu Tode langweilen könnte. Naja sie ist selbst schuld, wenn sie fragt. Als es klingelt fällt mir auf, dass ich die ganze Zeit vor mich hin geschwafelt habe. Leslie hat hin und wieder genickt, aber ob es sie wirklich interessiert hat, kann ich nicht beurteilen.
„Tut mir leid, dass ich so viel geredet habe. Dich hat das alles bestimmt gar nicht interessiert", entschuldige ich mich bei mir.
„Ist okay. Ich habe dir gerne zu gehört. Ich mag es, wenn andere über ihre Leidenschaften sprechen", meint sie mit einem ehrlichen Lächeln auf den Lippen.
Sofort spüre ich, wie meine Wangen heiß werden und sehe schnell weg.
Wir bleiben noch einen Moment lang stehen und warten bis die meisten Schüler sich auf den Weg in Richtung Unterricht machen.Als ich nachhause komme ist es viel zu kalt in der Wohnung. Ich laufe ins Wohnzimmer und sofort habe ich den Grund für die Kälte gefunden. Ich habe vergessen das Fenster heute morgen wieder zu schließen. Wie dumm von mir. Die letzten Tage bin ich gedanklich nie so richtig da und vergesse ständig ding. Ich drehe erst einmal die Heizung voll auf und mache mir dann was zu essen in der Mikrowelle warm. Auf dem Couchtisch breite ich einige Bilder meiner Schüler aus dem Kunstunterricht aus. Etwas Ablenkung schadet mir nicht und ich habe mir ohnehin schon viel zu viel Zeit gelassen, um diese Bilder zu bewerten.
Nach und nach betrachte ich mir die Zeichnungen zu dem Thema, dass ich ihren vorgeschrieben habe. Einige habe wirklich etwas daraus gemacht, andere eher weniger. Das ist immer so. Ich konzentriere mich auf das bewerten der Bilder, aber meine Gedanken gehen ihre eigenen Wege.
Sie wandern umher. Von Helen zu Leslie und wieder zurück. Ich stelle mir vor, was wäre, wenn ich single wäre. Würde ich mich Leslie gegenüber dann anders verhalten? Würde ich auf sie zu gehen und sie um ein Date bitten? Vielleicht. Da ist aber immer noch die Tatsache, dass sie früher meine Lehrerin war. Jetzt ist sie es zwar nicht mehr und der Altersunterschied spielt keine so große Rolle mehr, aber manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich mir einrede, dass es nicht geht. Dann denke ich an Helen und wie schuldig ich mich fühle, weil ich über eine andere Frau nachdenke und Helen immer noch nicht erzählt habe, dass ich wieder an meiner alten Schule unterrichte. Wieso kann ich nicht einfach glücklich mit meiner wundervollen Freundin sein und mir keine Gedanken über Leslie machen? Wenn es mal so einfach wäre. Ich stelle das Essen weg, da ich eigentlich keinen Hunger habe und tue die Bilder wieder in die Mappe.
Ich gehe in die Küche und schenke mir ein Glas Wein ein. Die Flasche nehme ich gleich mit ins Wohnzimmer, wo ich mir einen Film ansehe. Nichts besonderes, aber es lenkt mich ab. Ich mag es in Filmen oder Serien zu versinken und mich zu fragen, was den Hauptpersonen wohl als nächstes passiert.
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A bad idea
ChickLitAnnalena kehrt an die Schule zurück in der sie sich das erste Mal bewusst geworden ist, dass sie lesbisch ist, als sie sich in ihre damalige Englischlehrerin, Leslie Baltes, verliebt hat. Heute sechs Jahre später ist Annalena, aber nicht mehr das s...