Prolog

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Platsch.
Platsch.
Platsch.

Dicke Regentropfen prasselten vom düsteren, wolkenverhangenen Himmel in kleine Pfützen hinab. Eine fast schwarze Wolkenwand. Nasse, dunkle Gassen führten an Häusern vorbei, verzweigten sich zwischen einigen Reihen in kaum sichtbare Nischen.

Hell erleuchtete Fenster boten einen goldenen Anblick aus der Luft.
Ein Blitz erhellte die fast schwarzen Wolken. Ließ die Regentropfen wie kleine Diamanten für bruchstückhafte Sekunden erscheinen.
Und hob meine Silhouette vom Himmel ab.

Mein schwarzer Umhang flatterte wild umher, der hohe Kragen schlug ständig an meinen Hals. Das Wasser rann über mein Gesicht und tropfte an meinen langen blonden Haaren die blauen, großzügig gefärbten Spitzenlängen hinab.
Sehen, aber nicht gesehen werden. Mein violettes Sichtfeld half mir dabei.
Ich stand auf dem Dach des Columbia Centers. 285 Meter über der Erde, Seattle betrachtend.

Ich machte einen Schritt vorwärts. Der Absatz meiner langen dunklen Stiefel hallte leicht nach. Die Arme vor der Brust verschränkt überblickte ich den Ort erneut. Nichts regte sich, Lichter erloschen. Die Reklamewände waren als einige wenige deutlich zu erkennen durch ihr penetrantes Neonlicht.

Wie mir die Nacht doch zum Freund geworden war. Meine Zeit. Mir verbunden, meine liebste Umgebung.

Donnergrollen.

Ein leichtes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Meine Haut begann zu kribbeln, ich spürte förmlich die Ladung der Luft. Die Härchen meiner Arme stellten sich auf. Jedoch nicht vor Unbehagen.

Der nächste Blitz.

Und für einen Moment schien alles still zu stehen. Der Blitz am finsteren Himmel, die fallenden Regentropfen und mittendrin ich auf dem Columbia Center.

Mit einem Schnipsen ließ ich meinen Umhang verschwinden, so dass ich nur noch meinen dunklen Kapuzenpulli trug.
Dann breitete ich meine Flügel aus.

Sie waren mehr als doppelt so groß wie ich. Nachtblaue Federn bekleideten sie, vereinzelt auch hellere, mit silbernen Reflexionen auf jedem Exemplar.
Es war ein befreiendes Gefühl. Schließlich spannten sich meine Schwingen an.

All dies verlief in Sekundenbruchteilen. Der Blitz verschwand, die Regentropfen prasselten so stark wie zuvor herunter.
Dann stieß ich mich ab und ließ mich in die Tiefe fallen.
Nach vielen Metern schlugen meine Flügel einmal kräftig und ich flog der Wolkendecke empor.

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May we read again.

Glowing EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt