Kapitel Neunzehn

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Unerbittlich prasselten dicke Regentropfen auf die Teerstraßen und Gehwege.
Ruhig richtete er seine Kopfhörer. Richtete die dunkle Kapuze seiner Sweatjacke und hockte weiterhin auf seinem Aussichtspunkt über der Stadt. Ein kleines Lichtermeer bot sich seinen Augen. Leichter Wind strich über sein Gesicht. Er konnte mit seiner ausgeprägten Scharfsicht gar erkennen, wie einige kraftvolle Tropfen erneut hochsprangen, durch die Kraft ihres Aufpralls, bevor sie zerbarsten.
Die Lichter der nächtlichen Dunkelheit reflektierten und brachen sich in ihnen. Lautlos wie eine Katze folgte er ihr wie ein zweiter Schatten ihrer selbst.
Zielstrebig suchte sie sich ihren Weg durch schmale Gassen, auf niedrige Dächer und über hohe Mauern. Mühelos und elegant, als hätte sie nie etwas anderes getan. Sie hatte die Schule vorzeitig verlassen. Schwänzte sie? Er hatte sie im Flur erhaschen können. Doch aufgehalten hatte er sie nicht. Eher observierte er sie zuletzt.
Durch den orangenen Schleier nahm er wahr, wie sie die Kapuze ihres Hoodies enger zog, da sie immer wieder von ihrem Haupt rutschen wollte.
Er spürte, wie sich irgendein minimaler Muskel an einem seiner Mundwinkel bewegte. War er etwa belustigt? Schnell verwarf er diesen Gedanken. Seine Aufgaben waren klar definiert.
Sein Job war es Agent und Soldat zu sein. Befehlen zu folgen. Böses vom Antlitz der Welt zu entfernen, um das glorreiche Reich zu altem Glanz zurückzuführen.
Und doch trug er diese Zweifel in sich. Waren die Älteren, die Gelehrten, wirklich unfehlbar in ihren Entscheidungen und Ansichten, wie man es Jungschwingen unweigerlich beibrachte? Sollte der silberne Rat weiter in seiner nie geänderten Besetzung bestehen? Sollten die über tausend Jahre alten Regeln unangetastet bleiben? Bis auf die Klausel, nun, aus heiterem Himmel, alles Drachenblut auszumerzen und nur wenige Proben zu sammeln? Warum war der Wunsch ihrer Vernichtung so präsent, wo es doch solch kostbare Bruten gab?
Kostbarkeiten wie sie.
Kostbarkeiten, derer seiner mit der Aufsicht und dem Schutz betraut war.
Sie zu beschatten und sich immer dessen bewusst zu sein, dass er sein Leben für sie einzusetzen bereit sein müsse. Für ihr Fortbestehen zu sorgen.
Leichtfüßig sprang er über die höher gelegenen Dächer, niemals ihre Figur aus den Augen verlierend.
Doch wer war dieses widerspenstige Wesen wirklich?
Eine reine Seele? Eine gebrochene Mordmaschine? Oder doch alles in allem nur eine der wenigen, selektierten Laborratten in fraglicher Freiheit?
Aufeinmal vernahm er ein leichtes Kribbeln. Feiner, hauchzarter violetter Schimmer ging von ihr aus.
Der blaue Kristall trat in Aktion. Bald würden sich seine Schwingen entfalten.
Nur mit welchen Folgen?

Glowing EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt