Kapitel Vier

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Gedimmtes Licht, deckenhohe gefüllte Bücherregale, kleine Gruppentische, vereinzelte deckenhohe Bogenfenster und der Ausleihtresen mit Schreibtisch, Tablet und Stuhl - mein Arbeitsplatz. Dunkle, smaragdgrüne Wände und Holz als Material der Möbel. Insgesamt eine angenehme Atmosphäre meiner Meinung nach.
Bald würde die Jahresinventur bevorstehen. An sich mochte ich den Job hier, aber der Teil konnte mir gestohlen bleiben. Abertausend Bücher, die gezählt und geordnet werden mussten und neue, die einsortiert werden sollten. Bei einer Regalhöhe von knapp vier Metern eine heiden Arbeit.

Vorbereitend saß ich vor meinem Tablet, eingeloggt im Bibliothekssystem, und markierte die noch fehlenden Bücher, die in den nächsten Wochen abgabepflichtig wurden.
Die Schüler respektierten die allgemein bekannten Regeln einer Bibliothek, das bedeutete für mich angenehme Ruhe. Ich wurde lediglich durch wenige Ausleihen gestört. Mein Kaffeebecher stand neben mir, meine Lernunterlagen griffbereit. Im Allgemeinen kein Stressfaktor, der mich erfassen könnte.

Ich tippte auf dem Tablet die noch ausstehenden Rückgaben an. Ein kleiner rollbarer Tisch stand bereits neben meinem Arbeitsplatz mit den zuletzt abgegebenen Schmökern. Zwischendurch sah ich auf die Uhr. Meine Schicht endete bald - wie jeden Abend unter der Woche. Samstags wurde ich eher selten einberufen. Noch zweiundvierzig abgabepflichtige Werke. Die Antwort auf alles, herrje.

Wassertropfen klatschten gegen die großen Fensterscheiben. Na prima, wenn ich hier fertig war konnte ich ohne Schirm nach Hause stapfen. Sicher, ich könnte mit meiner Magie einfach einen herbeizaubern oder eine Art Schirm über mir halten, aber flöge das auf wäre ich geliefert. Typische Gesetze der Magiewelten - lass die Menschen nie etwas von uns wissen. Vielleicht wäre gerade das aber auch gar nicht so schlecht. Entweder würden sie in Ehrfurcht und Heiligungen versinken oder einfach ihre kleinen, leichten Leben weiterführen. Von den kriegerischen und mörderischen Seiten bekämen sie doch eh nichts mit. Oder von den Drachenjagden. Oder von den wahren Legenden und Mythen.

Ich war so in meine Gedanken vertieft, dass ich nicht mitbekam wie jemand sich ein Buch nahm und den Raum verließ. Ich stand auf und wollte hinterhergehen, doch ich konnte die Person nicht mehr sehen. Seltsam. Wer stahl schon ein Buch?

Da würde mir meine Sehergabe wohl auch nicht weiterhelfen wenn ich keinen Plan hatte, was es für ein Buch war. Nun, Al würde es spätestens bei der Inventur herausfinden, sollte es nicht vorher zurückkommen. Al war der Inhaber der Bücherei und kannte wirklich jedes Buch hier. Nichtzuletzt durch seine Magiergabe. Er war mir zugeteilt worden als ich an diese Schule kam. So eine Art Vormund. Er war zu neunzig Prozent zwar sehr kratzbürstig, aber im Grunde schon in Ordnung. Das hieß jedoch nicht, dass hitzige Diskussionen bei uns kein Thema waren. Im Gegenteil. Manchmal wollte man uns dabei echt nicht erleben. Seine Bücher hingegen wurden gehegt und gepflegt, auf dass sie ja keinen Kratzer abbekamen.

Mein Handydisplay leuchtete auf. Ich entsperrte es und tippte auf die Nachricht.
Fate.
Noch knappe drei Stunden bis zu ihrer Party mit Galen. Meine Herrn, woher nahm sie diese Vergötterung? Er war nun wirklich nichts besonderes. Da gab es ja bessere Geschöpfe um Arshad, von Arshads Mitgliedern ganz zu schweigen. Irgendwie hatte sich das Blut der Aphrodite allmählich in allen Familienclans eingeschlichen.

Ich antwortete kurz und knapp, dass ich mich bald fertig machen würde. Mit dem Blick auf die Uhr schloss ich die Bücherkartei und machte mich auf den Weg die restlichen Besucher der Bibliothek hinauszuschicken, um meinen Feierabend anzutreten.

Den Rolltisch mit den einzusortierenden Büchern nahm ich mit mir. Wozu zweimal laufen? Vereinzelte Grüppchen saßen noch an den Tischen und beugten sich über Texte oder unterhielten sich leicht. Ich sah zu ihnen und vermittelte mit einem Kopfnicken, dass sie zu gehen hatten. Schnell nahmen sie ihre sieben Sachen zusammen und gingen. Ich spürte förmlich wie die Seelen den Raum verließen.

Zwischen den Regalen hindurchgehend ordnete ich die restlichen Bücher. Weit oben gelegene ließ ich durchaus hinauf schweben, hier sah mich schließlich keiner. Nur eine Standpauke von Al konnte mich höchstens erreichen, aber ich war allein. Nicht, dass es mich störte. Das war ja alltägliches Unterfangen.

Aus dem Augenwinkel vernahm ich ein Lichtflackern. Ich wandte meinen Kopf in seine Richtung. Eine der Glaslampen gab wohl den Geist auf wie mir schien. Na toll, da konnte ich ja auch noch den Elektriker verständigen. Doch je näher ich kam, desto unwohler wurde mir. Irgendetwas war anders. Etwas gehörte nicht hierher. Die Härchen auf meiner Haut stellen sich auf, elektrisiert von der Luft. Die Lampe flackerte immer wilder. Was zum Teufel stimmte da bitte nicht? Nun stand ich direkt vor dem Lichtbehälter. Ich streckte die Finger aus, in der Hoffnungen mit einem Klopfen oder so etwas richten zu können. Manchmal half ja ein kleiner Schlag auf die zwölf.

Meine Fingerkuppen verbrannten sich praktisch an dem Glas. Funken sprangen auf den Boden. Ob elektrisch oder pyrotechnisch konnte ich nicht sagen. Eine kleine Vorahnung schlich sich in mein Bewusstsein. Ich war anscheinend doch nicht so allein wie ich dachte.

Ein Schnauben oder mehr schweres Atmen erklang hinter mir. Ich richtete mich kerzengerade auf. Langsam wandte ich mich um.

Und starrte in gelbe, pupillenlose Augen und ein ziemlich weit aufgerissenes Mundwerk mit nadelartigen Reißzähnen.

Na dann mal gute Nacht.

Glowing EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt