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Donnerstag
4. November 2021, Sie

"Wie konnten die uns so schnell finden?" werfe ich in den Raum, als ich den Motor starte. "Am Wahrscheinlichsten ist es, dass sie dich über das Handy oder die Kreditkarte geortet haben." "Ach verdammt, an die blöde Karte habe ich nicht gedacht. Ich habe doch gestern damit unser Zimmer bezahlt." "Na dann ist das wohl geklärt."

Ich biege ab auf die Hauptstraße. "Und was ist mit deinem Handy? Hast du es weggeworfen?" fragt er nach. "Ich habe die SIM-Karte raus genommen und es ausgeschaltet, um den Akku zu sparen für Notfälle." antworte ich und er zuckt die Achseln. "Das sollte eigentlich auch reichen, solange du es nicht nutzt."

"Fällt dir sonst noch etwas ein, was uns verraten könnte?" "Es könnte uns jemand erkennen, falls die Polizei öffentlich nach uns suchen lässt." "Bisher kam noch nichts dazu im Radio." "Das muss nichts heißen. Sie können genau so gut im Fehrnsehen, in der Zeitung oder im Internet einen Aufruf gestartet haben." "Und wir würden es noch nicht einmal mitbekommen." stelle ich deprimiert fest. "Leider ja. Deshalb müssen wir auch so schnell wie möglich runter von den Straßen."

Verwirrt werfe ich ihm ein kurzen Seitenblick zu. "Warum das denn?" "Überall an öffentlichen Gebäuden hängen Kamaras. Wenn uns eine davon filmt, ist das purer Leichtsinn gewesen. Das wäre genau so blöd, wie  an einem video überwachten Bahnhof  vorbei zu spazieren, geblitzt zu werden oder von einem öffentlichen Telefon bei deinem Vater anzurufen. Jede Kleinigkeit könnte die Ermittler auf unsere Spur bringen."

"Du glaubst mein Vater steckt da mit drin?" "Das habe ich nie behauptet. Aber hundertprozentig werden sie euer Telefon abhören, egal ob mit oder ohne seiner Erlaubnis. Für die zählt am Ende nur das Ergebnis."

"Du schlägst also vor, dass wir uns irgendwo auf dem Land verstecken. Wie sollen wir dann überleben? Ohne Lebensmittel sind wir aufgeschmissen." "Wir jagen uns unser Essen selbst." "Unser Essen selbst jagen..." Dazu fällt mir nichts mehr ein. Er meinte das wirklich ernst.

***

Gegen Mittag knurrt mir der Magen so laut, dass ich es nicht mehr länger aushalte und in das nächste Dorf fahre. Raven wirft mir ein missbilligen Blick zu. Aber noch war ich nicht bereit die Zivilisation hinter mir zu lassen und so halte ich schließlich vor dem kleinen Dorfladen.

Ich war immerhin so schlau und zahle mit meinem restlichen Bargeld. Draußen vor der Tür flüstert mir Raven zu: "Ich glaube der Typ bei dem Gemüse hat uns erkannt." "Was?" rufe ich und drehe mich um. Ein kleiner Kerl mit Halbglatze und Schnauzer redet gerade aufgeregt auf den Verkäufer ein. Er deutet auf uns.

"Lauf!" ruft Raven und packt mich am Arm. Er ist als erstes am Auto. "Gib mir den Schlüssel!" Ich werfe ihn rüber und nehme auf dem Beifahrersitz platz. Mit quitschenden Reifen fährt er los. "Scheiße, die suchen doch nach uns." flucht er und drückt nur noch weiter auf das Gas.

Plötzlich taucht Blaulicht hinter uns auf und mein ohnehin schon wie wild schlagendes Herz beschleunigt noch ein weiteres Mal. "Festhalten!" schreit Raven, dann biegt er mit Vollgas ab auf einen unebenen Waldweg. Ich werde auf meinem Sitz hin und her geworfen.

"Vertraust du mir?" kommt es auf einmal von ihm. Ich bin so überfordert mit der Situation, dass ich ohne Nachdenken mit Ja antworte. "Dann zähle ich bis drei, dann springst du aus dem Auto." "Was?!" "Ich werde sie ablenken und dann zu dir kommen. Wichtig ist, dass du ohne anzuhalten immer weiter in den Wald rein läufst. Keine Angst ich werde dich finden. Bereit?"

Sein Ernst?! "Nein! Ich-" "Los jetzt! Da vorne kommt eine Kurve, da werden sie nicht merken, wenn du springst." Er öffnet mein Gurt. "1" Verflucht, ich kann doch nicht bei mehr als hundert Kilometer die Stunde aus dem Auto springen! "2" "Raven!" "1"

Wir erreichen die Kurve. Er macht eine Vollbremsung und ehe ich es mich versehe öffne ich die Tür. Ich lande unsanft auf der Erde. Der Moter heult auf, die Tür klappt zu und dann wirbelt jede Menge Staub auf. Kurz darauf zieht ein anderer Wagen an mir vorbei. Dann Stille.

Also ich bewundere Amy dafür, dass sie ohne zu zögern aus dem Auto gesprungen ist. Ich glaube ich hätte mir alle Knochen gebrochen. Ich meine alleine schon vom Fahrrad zu fallen hinterlässt jede Menge Kratzer 0.0

Aber etwas überrascht über Raven bin ich auch. Wo zum Henker hat er so Autofahren gelernt?

Raven - GefiederWo Geschichten leben. Entdecke jetzt