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Montag
8. November 2021, Er

"Damals als das Feuer bei uns im Haus ausbrach..." Ich zögere. Doch sie legt mir ihre Hand auf das Herz. Sie versteht, dass ich mich zurück in einem Menschen verwandelt habe, um ihr endlich alles zu erzählen und so fasse ich allen Mut zusammen. "...ich war rasend vor Zorn und habe mich in etwas verwandel, was ich nicht kontrollieren konnte. Ich hab mein Haus niedergebrannt mit samt meiner verhassten Familie."

Ich stocke. "Ich hab es nicht bereut, bis ich erfahren habe, dass auch Maria ums Leben gekommen ist. Seitdem plagen mich die Alpträume und das Gewissen, dass ich sie getötet habe."

Meine Hände fangen an zu zittern und meine Stimme bebt, als ich weiter spreche. "Sie war in meinem Alter, ein Monat jünger, es wären nur noch zwanzig Tage gewesen, dann wäre sie zwölf Jahre alt geworden. Ich hab ihr die Chance genommen, ihren großen Traum zu erfüllen. Sie wollte Balletttänzerin werden. Dabei konnte sie keinen einzigen der Schritte."

Nun kann ich es nicht mehr zurück halten und viel zu viele Jahre zurück gehaltene Tränen verlassen meine Augen. Sie nimmt mich noch fester in den Arm und ich kann spüren, dass auch sie weint. Wie kann sie Tränen für mich vergießen? Ich bin ein Mörder und sie verachtet mich nicht, für das was ich getan habe?

"Du solltest mich hassen." "Nein, wie könnte ich. Du warst noch ein Kind. Es war ein Unfall. Du hattest keine Kontrolle über dich und deine Fähigkeit." "Das stimmt nicht. Davor musste ich mich schon tausend Mal verwandeln. Jedes Mal, wenn sie es befohlen haben und wenn ich es nicht geschafft habe, gab es Schläge."

"Raymond." sie befreit sich aus unserer Umarmung und schaut mich direkt an. "DU bist das Opfer! Sie haben dich jahrelang misshandelt. Dass du nicht schon viel früher ausgerastest bist, ist schon eher bewundernswert, als das dich jemand dafür verachten kann."

Sie macht eine kurze Pause, bevor sie sanfter meint: "Das mit Maria tut mir wirklich Leid. Aber meinst du nicht sie hätte sich gewünscht, dass du all das hinter dir lässt und ein besseres Leben in Freiheit beginnst? Ohne all den Schmerz und das Leid, was du ertragen musstest?"

Ich bin sprachlos. Konnte sie vielleicht wirklich Recht haben? "Wenn Maria dich genau so geliebt hat wie du sie, dann will sie, egal wo sie nun ist, nur das Beste für dich. Da bin ich mir sicher." Schluchzent werfe ich mich wieder in ihre Arme.

***

Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen ist, als ich wach werde. Sie liegt noch immer in meinen Arm und ich fühle mich völlig fertig. Meine Augen sind geschwollen von den vielen Tränen und mein Körper ist wund von dem Schlafen auf den Steinen.

Ich versuche aufzustehen ohne sie zu wecken, aber natürlich wird sie wach. "Guten Morgen oder guten Abend, je nachdem wie spät es ist." meine ich zerstreut. "Hi." nimmt sie die ganztägige Variante. "Ich brauche mal etwas Bewegung und wollte schauen, ob der Helikopter immer noch über den Himmel kreist."

"Mmm ok." "Ich bringe dir dann auch gleich was zu Essen mit. Erwarte aber kein Fünf-Sterne-Essen. Dadurch dass wir kein Feuer machen können, wird es wohl eher die vegetarische Variante. Es sei denn du magst Insekten?" "Alles bloß das nicht." "Gut. Ich schaue was ich finden kann."

***

Montag
8. November 2021, Sie

Als er zurückkommt, weiß ich erst nicht, was er nun zu Essen mitgebracht hat. Er schüttelt sich und sagt "Volaa." Klitschige Algen fallen zu Boden. Ich sehe nichts Essbares und dann dämmert es mir. Mit den Fingerspitzen nehme ich eine auf und rieche daran.

"Ich hab auch kurz überlegt, ob ich dir Sushi machen soll, aber mir fehlt leider der Reis und ich weiß nicht ob roher Fisch so verträglich ist. Ich meine mal irgendwas von Salmonellen in rohen Fleisch gehört zu haben." Ich denke mir 'Augen zu und durch', dann beiße ich ein Stück ab.

"Und? Essbar?" fragt er. "Schmeckt mega salzig. Aber von Prinzip, wie labberiger Salat." Er seufzt. "Gott sei Dank." "Was ist mit dir? Nicht auch mal ein Salatblatt probieren?" "Ich hatte schon Fisch." "Na toll. Du schlägst dir den Bauch voll und ich bekomme Schonkost. Du kannst ruhig auch welche essen, dann komme ich mir nicht so blöd vor."

Er setzt sich zu mir. "Na gut, dir zuliebe werde ich Algen essen, bis ich platze." Ich grinse. "Als ob du durch den paar Dingern platzen würdest." "Das geht schneller als du gucken kannst."

"Morgen können wir doch bestimmt wieder raus, oder?" frage ich, als mein Teil Algen aufgegessen ist. "Ich fürchte nicht. Ich hab eine Hundeflotte gesehen und an machen Stellen des Flusses suchen sie mit Tauchern." "Toll, also Algendiät."

Raven und Amy gefangen in einer dunklen Hölle, ob das gut geht?

Immerhin wissen wir jetzt den Grund warum er immer so empfindlich auf Amys Aussagen reagiert hat. Ich muss sagen damit hatte ich nicht gerechnet. Raven ein Mörder? Nein, dass will ich einfach nicht glauben.

Welche Meinung habt ihr dazu? Ist Raven wirklich ein Mörder oder war es eher wie Amy meint ein Unfall und er ist eigentlich das Opfer?

Raven - GefiederWo Geschichten leben. Entdecke jetzt