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Dienstag
2. November 2021, Er

Wach wurde ich das nächste Mal, als mich jemand wild an der Schulter rüttelt. "Wach auf Raven! Bitte!" Die Stimme kam mir wage bekannt vor.

Mühsam öffne ich die Augen und erblicke eine blasse rothaarige Frau. "Schnell wir müssen uns beeilen." Sie hebt eine Katzentransportbox auf das Bettende. "Du musst dich in die Katze verwandeln, damit ich dich hier rausschmuckeln kann."

Sie öffnet die kleine Gittertür der Box und ein neugieriger schwarzer Kater kommt zum Vorschein. Als ich nicht reagiere meint sie: "Uns bleibt nicht viel Zeit. Jeden Moment können die Ärtze oder die Polizei wieder kommen. Darum, bitte Raven vertraue mir und verwandel dich."

Ich bin wie gerädert. Mein Kopf braucht viel zu lange um zu realisieren, dass ich im Krankenhaus liege. Was hatte sie verlangt? Ich soll die Gestalt einer Katze annehmen? Warum? Weil die Polizei hinter mir her ist?

Zittrige Hände legen sich um mein Gesicht. "Raymond Ragninson, du wirst dich jetzt auf der Stelle in einen schwarzen Stubentieger verwandeln oder du kannst denn Rest deines Lebens, als Versuchskaninchen in irgendwelchen Laboren verbringen."

Maria. Sie klang genau wie sie, wenn sie sauer wurde. Dann hat sie auch immer meinen vollen Namen genannt.

Da taucht Maria's Gesicht vor meinen Augen auf und alles verschwimmt. Ich war wieder in der kleinen Kammer, wo sie lebte. Die schmudelige Stoffpuppe auf ihren Zimmer sah so echt aus, dass ich erwartete sie ihn die Hand nehmen zu können als ich danach griff.

Der zuckende Schmerz in meiner Wange holt mich zurück. "Verwandel dich!" Ich gehorche auf der Stelle.

***

Mittwoch
3. November 2021, Er

Diesmal weckt mich der pochende Schmerz in meinem Kopf. Die kalte Glasscheibe an meiner rechten Gesichtshälfte schenkt keine Linderung und so richte ich mich stöhnent auf.

Das Auto steht an einer Tankstelle, der Fahrersitz ist leer und langsam beschlagen die Scheiben. Ich kann nur eine Gestalt ums Auto gehen sehen, dann öffnet sich die Autotür und kalte Luft strömt herrein.

"Gott sei Dank, du bist endlich wieder bei Bewusstsein." Sie strahlt mich freudig an. "Hier trink den, der wird dir gut tun." Sie reicht mir einen warmen Pappbecher mit einer dunkelroten Flüssigkeit. Vorsichtig nippe ich daran. "Schmeckt gut. Was ist das?"

"Das ist Punsch. Der Alkohol wird dich ordentlich wärmen und alle Bakterien in deinem Blut abtöten." Sie wirft ein sehnsüchtigen Blick zum Becher, doch bevor ich ihr ein Schluck anbieten kann, schmeißt sie den Motor an und fährt los.

"Wie fühlst du dich?" "Ich hab furchtbare Kopfschmerzen." "Im Vergleich zu den anderen Verletzung die du hattest, kommt mir das gerade zu harmlos vor. Wenn du willst, können wir aber an der nächsten Aphotheke halten und Kopfschmerztabletten besorgen." "Nicht nötig." "Sag mir aber unbedingt Bescheid, wenn es dir schlechter geht." Sie schweigt.

"Kannst du dich eigentlich noch an den Unfall erinnern?" "Bis zu dem lauten Reifenquitschen und einen Ruck durch meinen Körper ist noch alles da. Aber ab da an weiß ich nichts mehr."

"Wie lange ist der Unfall eigentlich schon her?" "Ungefähr ein Monat." "Hab ich wirklich solange geschlafen?" "Du lagst im künstlichen Koma." Diesmal schweige ich. Das muss keine schöne Erfahrung für sie gewesen sein, wenn sie die ganze Zeit über zu mir gehalten hat.

"Wo fahren wir eigentlich hin?" traue ich mich dann doch zu fragen. "Keine Ahnung. Erstmal nur ganz weit weg von Zuhause und der Polizei."

***

Donnerstag
4. November 2021, Er

Gemeinsam sitzen wir in einem kleinen Bäcker neben dem Hotel, wo wir übernachtet haben und essen Frühstück. Ich hatte die Nacht eher unruhig geschlafen bei dem Gedanken, dass die Polizei hinter uns her war.

Sie glaube genau so wenig wie ich, dass die zwei Beamten im Krankenhaus mich nur befragen wollten. Den riesigen Abdruck den mein Körper in der Motorhaube des LKW's hinterlassen hat, konnte die Ermittler nur zu einen Schluss kommen lassen. Ich war nicht normal und spätestens wenn sie den Fahrer vernommen haben, werden sie wissen, dass es ein riesiger Braunbär und kein Mensch war, der den LKW stoppte.

Ich schaue auf, um sie nach dem weiteren Vorgehen zu fragen, aber sie starrt nur geschockt aus dem Fenster. Ich folge ihrem Blick, kann aber nichts nennenswertes erkennen. "Was ist los?" Sie blinzelt mehrmals und schüttelt den Kopf. "Ich bin mir nicht sicher, aber ich bilde mir ein den einen Polizisten aus der Klinik wieder gesehen zu haben."

"Dann sollten wir sofort aufbrechen." Ich stehe auf. "Und wenn ich mich getäuscht hab?" "Dann haben wir höchstens ein ruhiges Frühstück verpasst. Komm, wir dürfen keine Zeit verlieren und uns schnellst möglichst zum Auto aufmachen."

Sie bezahlt noch schnell, dann verlassen wir den Laden. Keine Sekunde zu früh, denn bei einem unauffälligen Blick nach hinten, sehe ich zwei Uniformierte in den Bäcker gehen.

Raven - GefiederWo Geschichten leben. Entdecke jetzt