Der Transporttunnel

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Am Eingang zu der Transportplattform hatte sich schon eine Gruppe von acht Leuten angesammelt. Sie alle waren in teure Kleider angezogen und es waren sogar Kinder dabei, die ein wenig älter als Diabel aussahen. Höchstwahrscheinlich waren sie auch auf dem Weg in die Alte Stadt. Diabel stellte sich mit dem Mann dazu. Sie alle mussten auf die Aktivierung der Plattform warten. Eigentlich wollte sie bis zum Ende ihrer Reise ruhig bleiben aber eine Frage brannte ihr auf der Zunge:

„Wenn sich doch nicht genug Leute angesammelt hätten...müssten Sie dann aus ihrer eigenen Tasche zahlen?"

Bei der Formulierung zwickte es innerlich bei dem Mann. Er ließ es sich aber diesen kleinen Nervenstich nicht anmerken, antwortete stattdessen ruhig: „Ja."

Diabel sah verwundert zu ihm hoch. „Und es würde Ihnen nichts ausmachen?"

„Ich würde alle Zusatzkosten ihrem Vater berichten und würde dann eine Auszahlung bekommen."

„Ah...", so war es also. Sie könnte sich das auch selber denken. Es war ein wenig beschämend, dass sie sowas nicht wusste, also beschloss sie zu schweigen.

Diabel schaute sich um. Noch keine der Transportplattformen wurde aktiviert, also konnte sie den Vorgang nicht betrachten. Stattdessen, bewunderte sie die Transportvögel. Transportvögel waren unglaublich große Biester, fast bis zu hundert Meter in Spannweite der Flügel. Sie hatten die Farbe des Sonnenuntergangs, warm und brennend. Diese Farbe könnte einen an die Phönixe erinnern – nun ja, die Transportvögel waren mit ihnen in gewisser Weise verwandt aber ihre einzige Eigenschaft war, dass sie tagelang ohne Pause sich in der Luft befinden konnten. Deswegen waren diese Vögel sehr in kleinen Städten oder in Gebirgsregionen beliebt. Und sie waren auch viel günstiger. Auf den Rücken dieser Vögel war eine Art Holzhaus mit mehreren Etagen. Der Vogel, der sich gerade zum Abflug vorbereitete war nicht sonderlich groß und das Haus auf dessen Rücken hatte nur drei Etagen. Die erste Etage war die günstigste, man hatte keinen Privatraum, sondern nur einen Tisch für maximal vier Personen in einem gemeinsamen Saal. Da konnten sich ziemlich viele Leute befinden, der Platz war aber auch limitiert. Aber es kostete hundert von Goldmünzen - eine kleine Summe für die reichen und ein riesiges Gehalt für die unteren Stände. Auf der zweiten Etage gab es schon Privaträume mit Betten und auf der dritten waren manchmal ganze Suiten zu finden. Die Kosten waren aber auch dementsprechend höher – bis zu fünf Kristallmünzen. Schien nicht viel Unterschied zu den zehn bei der Transportplattform zu machen, für manche Leute war es enorm.

Diabel sah mit offenem Mund zu, wie der Vogel seine großen Flügel ausbreitete und mit einem lauten Aufschrei von dem Boden abhob. Dabei verursachte er so einen starken Windstoß, dass manche Leute einfach zu Boden vielen. Die Transportplattformen standen weit weg aber man konnte noch immer den Windzug abbekommen.

„Woah, hast du das gesehen?"

„Na klar! Wie die aufgehende Sonne!"

Diabel sah nach rechts. Nicht weit weg von ihr standen zwei kleine Jungs, die erstaunt zu dem Vogel hinsahen, der sich langsam von der Stadt entfernte. Die Jungs lachten fröhlich und fingen an in Kreisen rumzulaufen, während sie anscheinend versuchten, wie Vögel auszusehen – ihr Händeflattern sah ziemlich lustig aus aber Diabel wagte nicht, darüber zu lachen. Sie schienen schließlich Spaß zu haben. Nach ein paar Augenblicken, kam noch eine kleine Gruppe von Kindern an und sie alle rannten in die Richtung des Marktes, während ihr Lachen laut in der Menschenmenge zu hören war.

Diabel riss ihren Blick von der Stelle weg, wo die Kinder vor kurzem standen und schaute hin zu den Plattformen. Nach ein paar Minuten, durften sie schon die Treppen hochsteigen. Die Transportplattform war rund, ungefähr zehn Meter im Durchmesser, zwei Meter Dicke und hatte drei Runenkreise in sich eingeritzt. Als alle sich in die Mitte stellten, fingen die Runen an weiß-gelb zu leuchten. Am Anfang war das Leuchten ziemlich schwach, bis es dann immer stärker wurde. Innerhalb von Sekunden wurde die Gruppe aus zehn Menschen von einem Lichtstrahl verschluckt.

Diabel wurde für einen Augenblick geblendet. Sie musste ein paar Male blinzeln, bis sie verstand, wo sie war. Ja, sie standen noch immer auf der Plattform aber die Umgebung war mehr als nur mysteriös. Es sah so aus, als ob sie im Licht aller möglichen Farben schwimmen würden, die eine Art Tunnel darstellten, der keine Wände, noch ein Ende hatte. Die Plattform schien sich zu bewegen aber auch auf der Stelle zu stehen. Das Mädchen verstand es nicht und konnte nur zusehen, wie die Leute sich einfach etwas weiter Weg am Rand auf die Platte hinsetzten. Als sie zu ihrem Prüfer hinsah, merkte sie, dass er das Gleiche tat, also setzte sie sich zu ihm hin. Der Mann merkte nach einer Weile, wie das Mädchen sich ständig fragend umschaute.

„Haben Sie darüber noch keine Bücher gelesen?"

„Ah?", Diabel sah fragend zu ihm hin.

„Über Transdimensionale Tunnel."

„Trans...dimensionale Tunnel?", fragte sie erstaunt. Nein, darüber hatte sie noch kein Wort gehört.

Der Mann beschloss, dass es nicht schaden würde, ihr das zu erzählen. Sie bräuchten so oder so drei Tage, um in der südlichen Hauptstadt anzukommen.

„Wir sind gerade in einem Transdimensionalen Tunnel. Wie man sieht, können diese Tunnel einen viel schneller durch das ganze Kontinent transportieren, als alles Mögliche. Diese Tunnel entstehen bei den sogenannten „Kernlöchern"."

„Kernlöcher?"

„Unsere Dimension – unsere Welt hat einen Kern. Jeder Kontinent oder Insel in unserer Dimension hat auch einen eigenen Kern. Jeder Magier und Kampfmagier hat einen eigenen Kern. Es ist eine Ansammlung an spiritueller Energie mit variierbarer Stärke. Kernlöcher sind auch Löcher, wo die spirituelle Energie eine stärkere Konzentration hat, als irgendwo anders. Wie ein Vulkan. Sie können unterschiedlich groß und stark sein. Mit der Zeit haben die Magier verstanden, wie man solche Energie kontrollieren und umwandeln könnte. Und so haben sie Transdimensionale Tunnel erschaffen", erklärte der Mann langsam.

„Aber wieso „Transdimensional"?", fragte sie.

„Weil wir uns gerade in einer anderen Dimension befinden. In einer Dimension, wo die Zeit auf einen nicht wirkt. Wo fast gar nichts auf einen wirkt."

Diabel hielt innerlich ihr Kinn vom Fallen ab. Dass sowas existierte...andere Dimensionen.

„Heißt es, wir könnten auch andere Welten, also andere Dimensionen besuchen?", hackte Diabel nach.

„Nicht nur könnten – das wurde schon lange getan," antwortete der Mann.

Diabel war erstaunt wie noch nie. Andere Welten...wer hätte gedacht, dass es noch andere Welten und Menschen gab, die sich vielleicht von dem einen total unterschieden.

„Allerdings gibt es ein Unterschied zu den Transdimensionalen Tunneln zu anderen Welten."

„Und dies wäre?"

„Man müsste so einen Tunnel selber erstellen. Unsere Kernlöcher haben auch nur die Wirkung, uns innerhalb dieser Welt zu transportieren. Das Ende der Reise muss den gleichen Kern haben. Einen eigenen Tunnel zu erschaffen kann aber nur ein Magier mit sehr hoher spiritueller Energie in seinem Kern. Nur zwei Magier hatten es innerhalb von tausenden von Jahren geschafft, so ein Tunnel aufzustellen. Nun leider, ist nur einer von den beiden zurückgekommen und hatte auch nicht mehr lange gelebt danach - seine spirituelle Energie war komplett ausgesaugt. Nicht nur das, solche Tunnel sind extremst instabil. Sie sind voller Spalten, Löcher und Stürme. Es ist schwer, sowas zu überleben," sagte der Mann, ohne seine desinteressierte Miene zu verändern.

Nur starke Magier...

Diabels Herz sank wieder. Einen Trip in eine andere Welt konnte sie anscheinend vergessen.

Silver Heart and Grey WingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt