Die Kämpfergarde der Familie Kron

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Amarath war schon von klein an intelligent. Seine ganze Zeit verbrachte er entweder in der Bibliothek mit Büchern oder im Garten mit einem dünnen Stock, welches ihm als Schwert diente.

Durch Bücher lernte er viel mehr, als ihm ein Privatlehrer beibringen könnte. In der Bibliothek seiner Familie gab es alles Mögliche: Geschichtsbücher, Anatomiebücher, Politik Enzyklopädie, Karten...sogar Märchenbücher konnte er finden. Märchenbücher, die ihm niemand vorlas.

Seine Eltern achteten nicht wirklich drauf, ob er bei seinem Lehrer war und auch den interessierte es nicht viel mehr. Hauptsache er bekam das Geld. Für Amaraths Familie war es kein großer Verlust. Deshalb brachte der Junge sich alles selber bei. Er selber hatte keine Lust, Zeit mit einer desinteressierten und uninteressanten Person zu verbringen. Durch Lesen, Achten und Vergleichen verstand er langsam diese Welt. Das einzige, was ihm der Lehrer beibrachte war das Lesen.

Die Liebe zum Schwert kam aus Beobachten.

Der kleine Junge war immer von der Kämpfergarde seines Vaters fasziniert. Die Männer waren stark und hatten große Schwerter. Sie waren kräftig bebaut, hatten einen kalten Blick. Die meisten hatten kurze Frisuren und wenn sie ihre Rüstung nicht trugen, konnte man die muskulösen Arme mit vielen Narben sehen. Er konnte auch ein Paar Frauen erblicken, die waren aber fast immer im Schatten mit verschleierten Gesichtern und zeigten ihre Präsenz nur ungern.

Diese interessierten ihn aber eher weniger.

Die Schwertschwingungen beim Training oder die Faustkämpfe waren viel spannender. Egal was man über Amarath denken würde, er war ein Kind. Er wollte einen Traum haben. Einen Helden, auf den er sich verlassen könnte. Und sei es nur eine Fantasie, es war genug.

So ein Mann zu sein war etwas, worauf man stolz sein könnte. Amarath wollte so sein wie sie.

Besonders wie dieser eine Mann. Velsh Heirhat. Der persönliche Kämpfer seines Vaters. Sein Schatten, seine Mauer. Immer drei Schritte hinter ihm. Immer einen Kopf größer als er. Er war perfekt in den Augen des jungen Amaraths. Obwohl er ihn nicht so oft sah, das Glück, den Kämpfer bei seinem Training zu erwischen, hatte er. Es war verständlich, wieso dieser Mann so nah an seinen Vater treten konnte.

Näher als er oder seine Mutter.

Dieser Mann hatte die Geschwindigkeit eines Blitzes und die Stärke eines Titans. Mit seinem Buster Schwert, dieser riesigen Klinge, konnte er Steine schneiden. Mit seiner einzigen Hand konnte er seinen Gegner am Hals in der Luft hängen lassen.

Obwohl sein Vater immer diese majestätische Aura um sich hatte und sein mächtiger Blick einem zum hinknien zwingen konnte, erschien dieser Mann viel stärker. Er war wie eine dieser Raubkreaturen, die Amarath in manchen Bilderbüchern betrachten konnte. Obwohl ihm die gewisse Eleganz fehlte, die unglaubliche Stärke kompensierte alles. Sein stechender Blick konnte einem genau so gut einen Schauer über den Rücken jagen.

Der Junge hat es schon einmal an sich ausprobiert.

Er wusste noch immer nicht, ob er zu hastig war aber er wollte es ausprobieren. Ein bisschen näher ans Licht treten. Und auch wenn es ein bisschen heißer wird als sonst, es würde ihn nicht umbringen. Was könnten sie schon machen, wenn er ihnen mal ins Blickfeld fällt? Seinem Vater berichten? Und was würde der machen? Ihn für das Gehen bestrafen? Sein Vater hat ihn noch nie bestrafen können. Nicht, weil er nichts Schlechtes gemacht hatte – sondern weil es ihn einfach nie interessierte. Und dieses Mal würde sich auch nicht von anderen unterscheiden.

Und Amarath hatte Recht.

Aber gleichzeitig hatte er es auch bereut.

Denn er hat nicht erwartet – oder eher vergessen, dass es passieren könnte – dass er einfach übersehen wird.

Dass er wie Luft behandelt wird. Oder noch schlimmer.

Aber er wurde einfach nicht beachtet.

Und von wem?

Von dem, der für ihn ein Held war. Wie im Märchen.

Er wurde einfach ignoriert. Jeder ist einfach an ihm vorbeigegangen, als ob er nicht der Erbe dieses Hauses war, sondern einfach nur ein Diener. Oder Bastard.

Seit diesem Tag glaubte Amarath nicht mehr an Märchen.

Und dass er ein Kämpfer wird, glaubte er auch nicht.

Silver Heart and Grey WingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt