des Teufels Pläne

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Kapitel 17

  13 Monate zuvor
„Liebling, ich möchte dir Victorius vorstellen", entfuhr es ihrem Vater und Nora schaffte es kaum, das falsche Lächeln aufrechtzuerhalten, das ihr sonst immer so mühelos gelang. Es fiel ihr von Tag zu schwerer, das liebe, gehorsame Mädchen zu spielen. Doch heute war sie besonders dünnhäutig. Ihre Zeit lief langsam ab. Ihre und die ihres Vaters.
Dennoch ging sie gehorsam auf ihren Vater zu und ließ sich von ihm zu einem Mann schieben, der noch vor einigen Monaten der größte Stachel im Fleisch ihres Vaters gewesen war: Vicorius.
Vicorius war ein Mann mittleren Alters mit einer großen, stämmigen Figur und dunklen Haar, das bereits anfing zu ergrauen und ihn damit eine gewisse würde verlieh, die Nora normalerweise zu schätzen wusste. Allerdings nicht bei ihm. Nicht wenn er sie so ansah. Obwohl er sich mit Sicherheit ungefähr im Alter ihres Vaters befand, musterte er sie so unverschämt sexuell, und zwar so intensiv, dass ihr fast schlecht wurde.
Er saß in einem bequemen Polsterstuhl, neben ihm auf einen kleinen Beistelltisch stand ein leeres Wodkaglas und er blickte so selbstzufrieden drein, als wäre das hier sein Haus und nicht das ihres Vaters. Aber wie lange würde es das noch sein, wenn ihr Vater weiterhin Gebiete an diesen Mann verlor und ihrer aller Überleben gefährdete?
„Hallo, Nora", sagte er und in seiner musischen Stimme schwang ein tiefer osteuropäischer Akzent mit, den sie nicht ganz einordnen konnte. Er könnte Russe sein, oder Letter, oder irgendeiner anderen Nationalität des ehemaligen Ostblocks angehören. Viktorius erhob sich in einer fließenden, selbstsicheren Bewegung die nur ein Mann vollführen konnte, der wusste, dass er siegen würde. Aber natürlich hatte er keine Ahnung davon, dass sie bereits wusste, warum er wirklich hier war. Er hatte keine Ahnung, wer genau der Spion im inneren dieses Hauses war der ihm so wertvolle Informationen zu kommen ließ und wenn er jemanden in Verdacht hatte, wäre das sicherlich nicht sie oder ihr Leibwächter.
Victorius feierte innerlich sicher schon seinen Sieg, aber er war nur Mittel zum Zweck und lediglich ein Hilfswerkzeug, das Nora brauchte um ihren eigenen Plan zu verfolgen. Er war das Ende, der letzte Tropfen bevor das Fass überlief, das Fünkchen an der Zündschnur.
Ihr Vater hatte keine Ahnung, dass er seinen eigenen Untergang ins Haus gelassen hatte und es nur noch eine Frage der Zeit war, bevor der Vorhang fiel. Für alle in diesem Haus die ihrem Vater noch treu ergeben waren und alle anderen, die einfach nicht überleben durften, wenn Nora siegreich sein wollte. Zu ihrem Glück gehörte sie nicht dazu, doch das wiederum wusste auch Viktorius nicht.
„Ich hoffe, ich habe nicht zu viel versprochen?", fragte ihr Vater und ließ sich wieder in seinen Stuhl fallen. Viktorius schüttelte den Kopf, musterte Nora von Kopf bis Fuß und grinste anzüglich.
„Keineswegs. Sie ist bezaubernd und ich freue mich bereits darauf, sie die Meine nennen zu können." Er griff nach Noras Hand und hauchte ihr einen Kuss auf den Handrücken, während sie einfach nur weiter stehen blieb und ihn teilnahmslos anblickte. Das schien ihn zu überraschen, denn sein Lächeln schwand. Ganz so als hätte er eine andere Reaktion erwartet. Was glaubte er denn, wie sie darauf reagierte, wenn ihr Vater sie für irgendeinen Vertrag an einen viel älteren Mann verscherbelte? Dieses Vorgehen war üblich in ihrer Welt und sie war nicht überrascht, was wiederum Vikorius zu überraschen schien. Er sah sogar etwas enttäuscht aus.
„Ich bin sicher, ich bin nicht das, was ein junges Mädchen wie du dir als Ehemann vorgestellt hat. Aber ich werde dich immer beschützen", sagte er netterweise, weil er wohl glaubte eine Schwachsinnige vor sich zu haben, die erst mit der Nase auf die Tatsachen gestoßen werden musste. Sie hatte es bereits bei seiner ersten Andeutung verstanden und es überraschte sie, wie gesagt, überhaupt nicht.
„Da bin ich mir sicher," gab sie teilnahmslos von sich und zwang sich zu einem Lachen, dass selbst für ihren Vater sarkastisch aussehen musste. Doch er sagte nichts, war einfach nur erleichtert, dass Nora keine Szene machte. Der Vorwand unter dem sich Vicorizus Zutritt zu diesem Haus verschafft hatte war ihr egal. Er war nicht hier um sich mit ihrem Vater zu verbünden, sondern um ihn zu vernichten.
Nora entzog ihm ihre Hand und wandte sich dann an ihren Vater.
„Ist das alles? Ich bin müde und würde gerne schlafen gehen", erklärte sie kalt und ihr Vater nickte nur leicht beklommen, während Nora sich umdrehte und zur Tür schritt, hinter der schon Alec auf sie wartete.
„Was wollte er?", fragte dieser leise, als er so dicht hinter Nora lief, dass sie seine Körperwärme spüren konnte.
„Ich bin wie vermutet der Unterpfand für diesen dämlichen Friedensvertrag. Er ist schon immer blind gewesen, aber den Fuchs ins Haus einladen, während die Hühner frei herumlaufen, ist selbst für ihn dumm", wisperte Nora zurück und steuerte ihr Schlafzimmer an. Alec folgte ihr.
„Dein Vater verliert die Kontrolle über seine Gebiete, Viktorius hat bereits gewonnen. Dieser Vertrag ist sein letzter Ausweg und du das wertvollste was er besitzt. Es war klar, dass er versuchen würde mit dir seine Macht zu erhalten." Wohl eher, dass er sie gegen das bisschen Macht was er noch besaß eintauschen würde. Er hatte sie auf irgendeine Weise geliebt, aber es gab Dinge die ihr Vater mehr begehrte.
Nora lachte sarkastisch auf, stellte sich ans Fenster und lehnte sich an Alecs Brust, als er sich dicht hinter sie stellte. Es waren kleine Dinge wie diese, die seine Koordination aufrecht hielten und ihm das Gefühl gaben, er würde sich wiederum seinem eigenen Ziel nähern.
„Und er hat keine Ahnung, dass du dafür verantwortlich bist, dass es erst soweit gekommen ist", murmelte Nora und drehte sich, bis Alec sein Gesicht in ihre Halsbeuge presste und ihren Nacken küsste. Er ließ nicht locker. In all den Monaten von der Schicksalsträchtigen Nacht bis zu diesem Augenblick versuchte er sie zu verführen und verfolgte weiter den Wunsch dafür zu sorgen, dass sie sich in ihn verliebte. Nur diesmal nicht um sie in eine Falle zu locken. Er wollte sie tatsächlich, da war sie sich sicher und es frustrierte sie zutiefst, dass sie nicht wusste wie ihre eigenen Gefühle für ihn aussahen. Ab und zu hatte sie das Gefühl gar nichts zu empfinden, selbst wenn sie es versuchte aber meistens ließ er es gar nicht zu. Denn Alec war alles, nur kein Bilderbuchfreund. Er war launisch, rachsüchtig und gefährlich und sie durfte seine Vorliebe für Schmerz und Folter nicht vergessen.
Die Rechnung war einfach: Sie wünschte sich, dass sie ihm vertrauen konnte, doch das tat sie nicht. Das machte es ihr einfach unmöglich ihn wirklich zu lieben. Vielleicht brauchten sie nur etwas mehr Zeit. Etwas Abstand von diesem Haus, von dieser Zwangslage in der sie sich befanden. Vielleicht würde sie ihm dann vertrauen und sie könnten so etwas wie ein Paar werden. Vielleicht. Oder aber er stellte ihr bereits die nächste Falle und würde sie letztendlich doch verraten. Für diesen Fall war es wohl besser ihm nicht zu vertrauen. Dann würde er ihr nur das Leben nehmen können aber nicht ihr Herz. Er würde sie töten, ohne sie zu zerstören.
„Du meinst, dass wir dafür verantwortlich sind", hauchte Alec nahe ihrer Kehle. Sie hob ihre Hand und durchstreifte damit sanft sein Haar, bevor sie seinen Kopf wegzog und sich zu ihm herumdrehte.
„Die Informationen, die er brauchte um meinen Vater in den Ruin zu treiben, hast du ihm schon gegeben bevor du mich in deinen Plan eingeweiht hast. Du bist der Verräter, ich bin nur Mittel zum Zweck."
„Willst du es wirklich so sehen, Nora? Dass du unschuldig an all dem bist?", fragte er sarkastisch und Nora schüttelte den Kopf. So war das nicht gemeint.
„Nein, aber ich hatte ja auch kaum eine Wahl. Der Stein rollte bereits, als du mich dazu geholt hast."
„Du bist zu mir gekommen, mit dem Wunsch deinen Vater untergehen zu lassen. Du wusstest, dass seine Zeit begrenzt ist und dass du dieses Leben nicht länger führen willst. Und anstatt darauf zu warten, wolltest du die Bombe kontrolliert platzen lassen um selbst unverletzt aus dieser Welt zu entkommen und nicht mit in den Abgrund gezogen zu werden", sagte er, umschloss ihre Taille und zog sie näher an seinen Körper, bis ihre Brüste gegen seinen Oberkörper drückten. Er hatte recht. Es war ihre Entscheidung gewesen, aber sie hatte keine Ahnung gehabt, dass ein solches Manöver bereits lief. Alec hatte bereits alles in die Wege geleitet um ihren Vater, ihre ganze Familie zu ermorden und dann mit ihr zu fliehen. Als sie dem Teufel ihre Seele in Gegenzug zu ihrer Freiheit anbot, war ihr Wunsch bereits dabei sich zu erfüllen.
Dennoch hatte er ihr an diesen Abend ein Versprechen abgenommen. Alec würde ihren Vater vernichten und sie hier rausholen und im Gegenzug gehörte sie ihm. Er hatte ein Preis für etwas entgegengenommen, das sie auch umsonst hätte bekommen können. Er hatte sie hereingelegt. Aber daran war jetzt nichts mehr zu ändern. Heute Nacht war es so weit und der Teufel würde seinen Preis fordern. Sie stand zu ihrem Wort.
„Was wirst du mit mir anstellen wenn du mich erst einmal besitzt?", fragte sie und wünschte sich im selben Augenblick es nicht getan zu haben.
„Spielt es eine Rolle, was ich mit dir vorhabe? Würdest du deine Entscheidung überdenken, wenn ich dir sage, dass ich vorhabe dich zu foltern und dann zu töten?"

Sie schüttelte den Kopf. Nein es änderte nichts an ihrem Entschluss nicht länger ein schönes Schmuckstück in dieser Welt sein zu wollen. Sie würde in wahrsten Sinne des Wortes sterben um hier herauszukommen. Aber er half ihr dabei in Würde zu sterben. Mit dem Herzen in ihrer eigenen Brust und unzerbrochen, zumindest seelisch.

Beta: Geany Abc

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