Kapitel 13
Heute
Nora spürte den Funken eines Zweifels, als Alec sich den Schlüssel an der schäbigen Rezeption des Motels holte und sie dadurch Zeit gewann nachzudenken. Seine Koordinierung hatte schon lange nicht mehr zugeschlagen, zumindest nicht soweit sie das beurteilen konnte. Und sie hatte keine Ahnung ob sie ihn dieses Mal auch davon abhalten würde ihr ernsthaft Schaden zuzufügen. Allerdings hatte es seit der schicksalhaften Nacht von damals auch nicht wieder versucht. Sie spürte wie ein kalter Strom von Angst durch ihre Adern floss und zuckte tatsächlich zusammen als Alec zu ihr zurückkam und ihr eine Hand auf die Schulter legte, um sie aus ihren Gedanken zu befreien.
Nora hasste es sich hilflos zu fühlen und Alec genoss diesen Zustand offensichtlich umso mehr.
„Willst du wegrennen?", fragte er mit einem eiskalten aber ehrlich belustigten Lächeln auf den Lippen. Sie sah mit verengten Augen zu ihm hoch.
„Damit du mich jagen kannst wie ein verdammtes Kaninchen?", fragte sie bissig zurück. Sein Lächeln wurde noch breiter und noch tödlicher. Seine Hand wanderte von ihrer Schulter zu ihrer Kehle und legte sich um ihren schlanken Hals, bevor er sie dichter an sich zog, um ihr die Antwort an die Lippen zu flüstern.
„Ja. Ich will dich wie ein Wolf durch den Wald jagen, dich zu fassen bekommen und deine immer leiser werdenden Schreie durch die Bäume verhallen hören. Dein weinen, dein Flehen und das süße Geräusch das deine Knochen machen werden, wenn ich auf ihnen herumkaue."
Nora schnaufte abfällig.
„Bist du jetzt auch noch unter die Kannibalen gegangen?", fragte sie düster und versuchte das Zittern in ihre Stimme zu verdrängen. Es funktionierte eigentlich ganz gut, aber nicht für Alec.
„Für dich mache ich eine Ausnahme. Ich rieche deine Angst, Nora. Ich sehe sie in deinen Augen." Sagte er und sah sie dann für einen unendlich langen Moment einfach nur an. Ihm gefiel es wenn Leute Angst vor ihn hatten und ab und zu hatte sie, die tatsächlich aber normalerweise lag es ihr nicht so dicht an der Oberfläche, dass er es sehen konnte.
„Wirst du dich wehren?", fragte er dann plötzlich in einer so normalen Stimmlage als würde er sie fragen b sie Milch in ihren Kaffee haben wollte. Nora schüttelte den Kopf. Auf der Fahrt hier her hatte sie darüber nachgedacht und beschlossen alles zu versuchen, um die Konditionierung in ihn anzusprechen, sofern er es nicht geschafft hatte sie zu umgehen.
„Wieso?", fragte er ehrlich verwundert und Nora fragte sich was sie darauf antworten sollte oder besser was erhören wollte.
„Weil ich damit die größte Chance habe diese Nacht zu überleben", sagte sie und in den Moment wo sie es ausgesprochen habe wusste sie dass es nur ein Teil der Wahrheit war.
„Und weil ich dich will", gestand sie ihm ehrlich. Wieder sah er sie nur lange an und die Hand um ihre Kehle wurde lockerer. Er schien kurz verwirrt versuchte in ihrem Gesicht eine Lüge herauszulesen. Fand aber nichts und dann zuckten seine Lippen sarkastisch.
„Ausgerechnet jetzt stellst du fest Gefühle für mich zu haben, wie soll das gehen? Du bist eine verdammte Psychopathin!" Der Zweifel in seiner Stimme beleidigten sie und die Wahrheit, die sie davor ausgesprochen hatte. Er machte sich lustig über sie und ihre Gefühle und zu ihrer Überraschung spürte sie einen heftigen Stich in ihrer Brust.
Ihr Gesicht blieb regungslos aber innerlich spürte sie das Drücken und ziehen, als hätte ihr jemand einen stumpfen Gegenstand zwischen die Rippen gerammt. Und dann war da noch eine andere Angst die Angst dass er ihre Worte wieder in den Dreck ziehen würde, wenn sie wieder die Wahrheit sagte.
„Ups. Hab ich ganz vergessen", erwiderte sie teilnahmslos und nun wurde er wieder zornig.
„Du wirst richtig gut darin Gefühle vorzuheucheln. Manchmal glaube ich dir tatsächlich für einige Sekunden bis mir wieder einfällt was für ein manipulatives Miststück du bist."
„Eine Zwickmühle nicht war? Wenn ich dir tatsächlich Gefühle entgegenbringen würde würdest du sie mir wahrscheinlich eh nicht abkaufen." Was er gerade auch bewiesen hatte aber das wusste er ja nicht und er würde es ihr auch nicht glauben, wenn sie es ihm sagte.
Seine Augen wurden noch dunkler und etwas wie trauer flog über sein Gesicht. Er bedauerte es tatsächlich, dass er dazu nur zustimmend nickten konnte.
Er schlang den zweiten Arm um ihre Taille zog sie an seine Brust und drückte ihren Kopf in seine Halsmulde um sie zu umarmen.
„Ich hätte dich lieben können, Nora, weißt du das eigentlich? Ich hätte ehrlich den Sadisten in mir zurückzuhalten damit ihr dir nichts antue. Das einzige was dazu nötig gewesen wäre, ist deine Liebe. Aber du kannst nicht lieben, weil du in Gegensatz zu mir, tatsächlich kaputt geboren wurdest."
Ihre Kehle wurde eng, während sie an seiner Schulter verstehend nickte. Er hatte recht. Sie konnte nicht lieben, der Arzt hatte ihr Gesagt, dass ihr Gehirn einen angeborenen Fehler hatte, der ihr das unmöglich machte. Er hatte zwar auch gemeint, dass man zu wenig von der Funktion des Hirnes verstand, um dies mit absoluter Gewissheit zu sagen, aber wenn wollte Nora etwas vormachen. Alec hatte recht. Sie war kaputt. Das einzige was sie tun konnte war zu lernen Gefühle vor-heucheln und das beherrschte sie anscheinend so gut, dass sie selbst fast glaubte Gefühle zu haben.
Dennoch fühlte es sich irgendwie gut an in seinen Armen zu liegen und es verletzte sie zu wissen, dass er ihr auch nicht glauben würde, wenn es echte Gefühle wären. Das mangelnde Vertrauen ihr gegenüber tat weh, als würde sie betrogen werden. Und kurz hoffte sie sogar, dass er sie töten würde um diesem Gefühl entkommen zu können.
Alecs Hand in ihren Nacken drückte fester zu, dann zog er ihren Kopf nach oben und seine Lippen drückten sich Rücksichtlos auf ihren Mund. Nora erwiderte den Kuss fast sofort, öffnete bereitwillig die Lippen und empfing seine suchende Zunge hingebungsvoll. Ihre Finger krallten sich in sein dunkles T-Shirt und sie wälzte sich in dem Gefühl, das dieser Kuss in ihr auslöste. Ein Flattern in der Magengegend, die die Kälte und den Schmerz vertrieb. Vielleicht konnte sie nicht fühlen, vielleicht konnte sie auch nichts bei Alec fühlen und vielleicht bildete sie sich den Schmerz und das Flattern nur ein. Aber wenn es nicht so war, wenn es nur den Hauch eine Chance gab, dass sie doch fühlen konnte und wenn es ausschließlich für Alec war, dann würde sie behaupten, dass sie ihn liebte.
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ER
RomanceEs ist ein Spiel mit dem Feuer. Seit den Tag ihrer ersten Begegnung weiß Nora, dass in Alec ein Monster lebt, dass nur darauf lauerte ihren Vater, ihre Mutter und alle anderen umzubringen. Alle bis auf sie selbst. Nicht weil er es nicht gewollt hät...