letzte Chance

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Kapitel 32
Nora schlug mitten in der Nacht die Augen auf, nicht weil sie es so gewollt hätte, sondern weil sie sich dazu gezwungen hatte wach zu bleiben, bis Alec das tat, was er in den Nächten immer tat. Er hatte sie nach dem Sex fest umschlungen und gewartet, bis er glaubte sie schlief bevor er sich hinfortschlich. Natürlich hätte Nora auch einfach fragen können was genau er immer in der Nacht trieb, aber es machte viel mehr Spaß jetzt hinter ihm herzuschleichen und leise die Tür vom Schlafzimmer zu öffnen, um ihn zu beobachten.
Er saß in der Stube, hinter ihm das Panorama eines dekadenten Moskaus und blickte auf den Bildschirm seines Laptops herab. Wenn er sich fortschlich, um sich Pornos anzusehen oder Snuff-Filme, würde sie ihn umbringen, das schwor sie sich. Aber als sie sich langsam herumschlich um zu sehen, was er dort tat, sah sie weder einen Sex-Film noch einen brutalen Mord. Es war das Gesicht eines Mannes, der in die Kamera sprach und als dieser Nora hinter Alec entdeckte, runzelte er die Stirn.
„Ich sollte Schluss machen", sagte er und der Bildschirm wurde schwarz noch bevor Alec sich umdrehen konnte und Nora entdecke. Im sanften Licht der Nachtbeleuchtung sah seine Verletzung im Gesicht noch schlimmer aus, als am Tag. Der Mann wirkte im Halbdunklen so gruselig, dass er ohne Mühe kleine Kinder erschrecken könnte.
„Du solltest im Bett sein, Nora."
„Und du solltest dich nicht immer wegschleichen, um geheime Gespräche zu führen", entgegnete sie und sah das Logo dieses Weard Clubs in der Ecke. Sofort spürte sie wie die Wut in ihr hochkochte.
„Planst du schon dein nächstes Abenteuer? Haben dir die Ermordung dieser Hure und zwei Ficks mit mir nicht ausgereicht?", fragte sie bitter und Alec schloss demonstrativ die Augen, ohne sich auch nur zu rühren.
„Das Gespräch war geschäftlich", sagte er und Nora lachte sarkastisch auf.
„Geschäftlich? Ich dachte immer du wüstest, wie hoch mein IQ ist. Ich sehe das Logo dieses Bordells, Alec. Und ich weiß von den Emails, all die Einladungen die du von Benedikt Stanislav erhältst." Hielt er sie wirklich für so bescheuert? Wenn er versuchte so etwas vor ihr zu verheimlichen, dann sollte er anfangen sich ein besseres Passwort für das E-Mail-Programm zuzulegen als ihren verdammten Namen. Das war lächerlich.
„Benedikt besitzt diesen Club. Ich habe eben mit ihm geredet."
„Was hast du den Geschäftliches mit einem Zuhälter zu regeln?" Alec erhob sich und ging um die Couch herum um sich ihr in seiner typisch einschüchternden Manier zu nähern. Nora hatte es schon immer gehasst, wenn er das tat. Denn das waren die Momente, in denen ihr einmal mehr sehr bewusst war, wie einfach er sie würde töten können. Wie wenig sie ihm etwas entgegenzusetzen hatte, wenn es hart auf hart kam.
„Er ist mein Cousin. Du bist clever, sag mir wie ich es geschafft habe hier eine Wohnung zu finden und warum Victorius uns nicht nachjagt?", fragte er und stellte sich dicht vor sie. „Ich dachte du hast Kontakte", meinte Nora schon wesentlich kleinlauter. Alec grinste diabolisch.
„Ich bin kein Diplomat, Nora. Ich bin ein gewalttätiger Dreckskerl und habe Schulden eingetrieben. Als ich vor Jahren nach Russland geschickt wurde, hatte ich den Job Teile meiner Familie umzubringen, Benedikt und seinen Bruder habe ich verschont. Sie beherrschen diesen Teil von Moskau, Victorius hat hier keinen Einfluss."
Nora sah ihn lange einfach an und fühlte sich plötzlich nicht wie der klügste Mensch in dieser Stadt, sondern wie der dümmste – eine neue Erfahrung, auf die sie am liebsten verzichtet hätte. Allerdings war sie auch froh. Alec war nicht auf der Suche nach einer anderen Frau. Er kümmerte sich lediglich weiterhin darum, dass sie in Frieden leben konnten. Das war fast schon süß.
„Also...", begann sie und überwand die wenigen Schritte bis zu ihm und fuhr mit beiden Händen über seine breite Brust. Sein Körper war hart und unnachgiebig, sein Gesichtsausdruck kalt und vielleicht auch etwas unheimlich, aber sie wollte sich dennoch an ihn schmiegen, „Wir sind also sicher vor Victorius?", fragte sie. Alec entwischte ein Schnaufen. „Ich stehe gerade mit Benedikt in Verhandlung, was seine Auslieferung angeht."
Nora klappte der Mund auf. Hatte sie sich gerade verhört? Hatte er wirklich gesagt, dass...
„Moment, was? Hast du nicht gesagt, Victorius könnte das Gebiet nicht betreten? Wie kommt dein Cousin dann an..."
„Ich habe gesagt, dass er hier keinen Einfluss hat. Aber wie es der Zufall will ist Victorius ein sehr guter Kunde im Weard Club. Leider habe ich da Hausverbot also..."
„Warte. Warte. Warte...wie du hast Hausverbot? Ich dachte, dein Cousin steht auf unserer Seite? Warum lässt Benedikt diesen Mistkerl in seinen Club?"
„Er steht nicht auf unserer Seite, er hat seine Schuld beglichen, indem er uns hier Unterschlupf gewährt. Aber er hilft nicht. Ich bin wie gesagt dabei mit ihm zu verhandeln, leider hat er irgendeine Anti-Waffen-und-Gewalt-Regel in seinem Club aufgestellt, die für alle gilt. Er weiß, dass ich auf sowas scheiße, deswegen hat er mit vor zirka einer Minute Hausverbot erteilt. Aber ich lasse mir die Gelegenheit sicher nicht entgehen!", sagte er und seine Hände umschlangen ihre Hüften. Sie verstand sein Problem und seine Absichten und konnte nur zu gut nachvollziehen, wie er sich bei dem Gedanken fühlte, dass dieser Bastard Victorius sich in greifbarer Nähe aufhielt. Es war, als würde man ihnen ein saftiges Steake vor die Nase halten ohne es anfassen zu dürfen und dabei hatten sie so einen riesigen Hunger.
Sie wollte ihn ebenfalls tot sehen. Alleine für das, was er Alec angetan hatte, verdiente er es langsam und grausam hingerichtet zu werden.
„Du kannst nichts dagegen unternehmen, wir dürfen uns es mit Benedikt nicht verscherzen. Wir wollen hier eine Zukunft haben."
„Ja leider. Wie gesagt ich bin dabei das zu verhandeln. Leider bin ich kein Diplomat, also..."
„Nein. Lass mich da rein", unterbrach Nora ihn und Alecs Auge blitzten kurz auf. Sein Griff um ihre Hüfte verstärkte sich. „Nein", knurrte er, aber Nora wusste das dies eine Chance war, die sie nicht verpassen durften.
„Ich nehme an, Viktorius hat keine Ahnung das Benedikt dein Cousin ist, aber er wird es herausbekommen. Spätestens dann wenn du dich erholt hast und dir hier anfängst einen Namen zu machen. Dann wird er diesen Club nie wieder betreten. Wir haben einige seiner Leute getötet, der Kerl hat mehr Angst vor uns als alles andere. Das ist die beste Chance die wir bekommen werden, vielleicht hält er uns für tot, das ist nahezu perfekt. Benedikt kennt mich nicht."
„Er hat dich gerade in der Kamera gesehen"
„Oh bitte, die paar Sekunden. Etwas Make-up, eine andere Haarfarbe vielleicht und ich komme in diesen Club herein und wenn Victorius unbewaffnet ist, kann ich ihn töten."
Alec war wenig begeistert und war gerade dabei wieder einen Einwand vorzubringen als Nora sich ihm entgegen reckte und einen festen Kuss auf die Lippen drückte. „Du weißt, dass das eine gute Idee ist. Ich muss nur in diesen Club kommen und dabei musst du mir helfen."

Beta: Geany

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