Kapitel 5
Fünf Jahre zuvor
Nora fuhr sich mit der Bürste durch die Haare um ihre langen, dunklen Wellen zu einer glänzenden Masse werden zu lassen, bevor sie sie zusammen band. Dieser Teil ihres Abendrituals war absolut notwendig um zu verhindern, dass sie nach dem Aufstehen nicht einfach ein großes, dunkles Vogelnest vor sich hatte. Zudem war es eines der wenigen Dinge, die ihre Mutter ihr jemals beigebracht hatte. Hübsch zu sein war Lisas Spezialität und zu Beginn hatte sie alles daran gesetzt ihrer Tochter alle Tricks zu zeigen, wie sie am längsten schön blieb.
Mittlerweile hatte sich das geändert. Noras Verhältnis zu ihrer Mutter wurde von Tag zu Tag schlechter und Lisa hatte definitiv nicht mehr vor ihrer Tochter Tipps zu geben, um noch schöner zu werden. Nora spürte wie ihre Mutter an ihrem voranschreitenden Alter litt. Es wurde immer schwieriger für die notorische Fremdgängerin Geliebte zu finden. Auf dem Anwesen waren ein Großteil der Männer wesentlich jünger als Lisa und wenn diese einer Frau Aufmerksamkeit schenkten, schenkten sie diese Nora.
Es klopfte an ihrer Tür und noch während Nora ihre Haare in einen lockeren Zopf focht, trat ihr Vater mit einem breiten Lächeln in ihr Schlafzimmer und strahlte sie an.„Tut mir leid dich zu stören, Liebling. Aber ich möchte dir etwas mitteilen", fuhr er sofort los und blieb so nahe hinter ihr stehen, dass Nora ihn durch den Spiegel hindurch breit zu lächeln konnte.„Was ist denn?", fragte sie, drehte sich dann auf ihrem Stuhl zur Seite und sah nun auch Alec in ihr Schlafzimmer treten. Ihr Lächeln verblasste und plötzlich war sie sich sehr darüber bewusst, dass sie in nichts weiter als einem Nachtkleid hier saß. Der leinenartige Stoff war im Stil des neunzehnten Jahrhunderts gehalten und reichte ihr lediglich bis zu den Knien, während die beiden Schleifen an ihren Schultern dafür sorgte, dass der Stoff dort blieb wo er war. Es war hübsch, extrem feminin und ließ etwas Dunkles in Alecs Augen aufblitzen, dass ihr Angst machte.„William wird das Haus verlassen, ich möchte, dass Alec dein neuer Leibwächter wird. Ich fühle mich besser wenn ich weiß, dass er bei dir ist", beschied ihr Vater knapp und da Nora nie Einwände gegen eine seiner Entscheidungen erhoben hatte, drückte er ihr lediglich einen kurzen Gutennachtkuss auf ihr dunkles Haar und flüsterte Alec noch etwas zu, bevor er ging.
Nora betrachtete Alec eingehend und sie konnte nicht verhindern, dass sich ein Knoten in ihrem Magen bildete. Seit sie vor einigen Wochen, diesem Monster in menschlicher Gestalt quasi ihre Tugend versprochen hatte, war sein Blick auf ihrer Haut geradezu verschlingend geworden. Er hatte respektvollen Abstand gehalten und auf der Lauer gelegen wie ein Raubtier, das darauf wartete, dass seine Beute unachtsam wurde.„Was hat er gesagt?", fragte Nora mit einem Nachdruck in der Stimme, der ihn zum Gehorsam zwingen sollte. Doch Alec hob nur eine dunkle Augenbraue an und grinste diabolisch. Er würde es ihr nicht sagen, soviel stand fest, nicht weil es ein großes Geheimnis war, sondern weil sie es wissen wollte und er ihr so demonstrieren konnte, dass sie keine Macht über ihn hatte.
Das war sie nicht gewohnt. Die Männer in diesem Haus behandelten sie mit Respekt, hatten teilweise sogar Angst vor ihr. Aber nicht weil sie sie war, sondern weil sie die Tochter des Mannes war, den sie tatsächlich fürchteten. Alec nicht. Er hatte nie Angst vor ihrem Vater gehabt, war zu starrsinnig um sich von ihm einschüchtern zu lassen und damit fehlte es ihm auch an Respekt ihr gegenüber.
Noras kleine Hände schlossen sich fester um den Holzgriff ihrer Bürste. Das war der größte Ausdruck von Wut, den je irgendwer in ihr ausgelöst hatte und so schnell wie das Gefühl kam, so schnell verschwand es wieder.
„Wie hast du es geschafft?", fragte sie und Alecs Grinsen wurde noch breiter, während sein Blick anzüglich über ihre Erscheinung gleiten ließ. Sollte er sich nicht schlecht fühlen eine Vierzehnjährige so anzusehen?
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ER
RomanceEs ist ein Spiel mit dem Feuer. Seit den Tag ihrer ersten Begegnung weiß Nora, dass in Alec ein Monster lebt, dass nur darauf lauerte ihren Vater, ihre Mutter und alle anderen umzubringen. Alle bis auf sie selbst. Nicht weil er es nicht gewollt hät...