Es ist ein Spiel mit dem Feuer.
Seit den Tag ihrer ersten Begegnung weiß Nora, dass in Alec ein Monster lebt, dass nur darauf lauerte ihren Vater, ihre Mutter und alle anderen umzubringen. Alle bis auf sie selbst. Nicht weil er es nicht gewollt hät...
Das kühle, scharfe Metall des Messers drückte sich gegen ihren pochenden Puls und wartete nur darauf in ihrem Blut zu baden. Und obwohl sie nie daran zweifeln würde, das Alec dazu in der Lage war es genau so zu verwenden, musste sie Lächeln. Denn sie hatte schon gewonnen.
„Sieht dir gar nicht ähnlich zu zögern", wisperte sie und war sich sicher, das Alec ihr lachen heraushören konnte, auch wenn sie mit dem Rücken zu ihm lag und ihn nicht anblickte. Vielleicht sollte sie es tun, denn wenn er ihre Augen sah, ihr Gesicht wurde es noch unwahrscheinlicher, dass er sie nun verletzte. Er hatte nie jemanden als Drohung ein Messer an die Kehle gehalten. Alec kannte dieses Zwischenstadium von Tod und Leben nicht. Drohungen waren nicht sein Stil. Er tötete effizient oder folterte zum Vergnügen. Das Messer an ihrem Hals versprach weder das eine noch das andere. Sonst wäre sie bereits tot.
„Und? Hab ich dich zerbrochen?", fragte er ohne auf ihre Worte einzugehen und sie dachte ernsthaft über seine Frage nach. Hatte er?
„Das kannst du nicht. Ich dachte du könntest es, ich dachte du würdest es, aber du kannst es nicht." Das war die ehrlichste Antwort, die sie ihn hatte geben können. Denn es stimmte. Sie vernichten? Das würde bedeuten, dass er ihr das Herz brechen würde bevor er sie tötete.
„Wieso?"
„Dafür müsste ich dich lieben." Wieder eine Wahrheit. Diese Nacht wurde zu einem regelrechten Rekord an Ehrlichkeit zwischen ihnen. Alec knurrte, zerrte an ihrer Schulter und wälzte sich über sie, bevor er wieder diese Klinge unter ihren Kiefern hielt, die er nicht vorhatte zu verwenden. Wem wollte er etwas vormachen? Ob es nun seine Koordinierung war oder nicht. Er liebte sie mehr als er wahr haben wollte und würde ihr nie etwas tun. Nicht wirklich.
„Also gibst du zu, dass du mir nur etwas vorspielst? Dass du nichts fühlen kannst, dass du... "
„Du verstehst es einfach nicht", ihre Stimme unterbrach ihn mit einem leicht genervten Unterton. Er hörte nicht zu. Wieso hörte dieser Mann einfach nicht hin, wenn sie etwas sagte?
„Sieh uns doch an. Wir sind eine einzige, riesige Tragödie. Nein, Alec. Ich bin nicht wie es dir der Arzt gesagt hat. Vielleicht empfinde ich anders oder schwerer aber ich fühle." Sie hatte keine Ahnung was der Artzt in ihrem Kopf gesehen hatte. Er hatte etwas von nicht benutzten Raumarealen gesagt, von einem merkwürdigen Hormonhaushalt und hatte es nach bestem Wissen und Gewissen als klinische soziophatie gedeutet. Aber wie sehr verstand die moderne Medizin das menschliche Gehirn schon? Es hieß, dass das Weltall besser erforscht war als die menschliche Psyche. Denn wenn sie tatsächlich nicht fühlen würde, dann würde sie diesen leisen Wunsch nicht verspüren, dass er sie verstand. Damit sie endlich anfangen könnten aufeinander zuzugehen, statt umeinander zu kreisen wie zwei Raubtiere.
„Dennoch liebst du mich nicht." Frustration überkam Nora. Wieso? Wieso konnte er nicht hinhören und verstehen?
„Weil ich mich weigere dich zu lieben! Wie könnte ich auch? Du hast von Anfang an gesagt, dass du mich töten würdest. Mein Ende stand fest, also habe ich das das einzige für mich behalten, was du mir nicht nehmen konntest." Ihr Herz. Sie hatte sich mit Absicht verschlossen um nicht verletzt zu werden, um ihren Stolz zu bewahren und um zumindest irgendetwas nicht zerbrechen zu lassen.
Alecs Augen bohrten sich in ihre und das schöne Blau darin wurde gefährlich dunkel. Ja, nun verstand er langsam und an der kleinen Falte zwischen seinen Augenbrauen erkannte sie dieselbe Frustration, die auch in ihr herrschte. Es könnte komisch sein, wenn es nicht so traurig wäre.
„Siehst du? Das ist die Tragödie zwischen uns. Solange du mich töten willst, werde ich dich nicht lieben und solange ich dich nicht liebe, willst du mich töten. Und so tanzen wir umeinander. Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr." Die Falte zwischen seinen dunklen Braunen wurde tiefer. Misstrauen regte sich. Ein Gefühl das ständig auf beiden Seiten herrschte.
„Du könntest lügen." Könnte sie, tat sie aber nicht.
„Ja, und hier haben wie den Grund für unsere Tragödie: Mangelndes Vertrauen." Er traute ihr nicht. Betrachtete sie als potenzielle Bedrohung solange sie nicht emotional abhängig von ihm war, was seine Definition von „Liebe" entsprach. Und sie weigerte sich aus reiner Sturheit ihm das zu geben, weil sie nicht wusste ob er sie nicht letztendlich dennoch töten würde.
„Dann liebe mich." Als wäre das so einfach.
„Versprich mir, mich nicht zu töten. Versprich mir, mich deinerseits genug zu lieben um mich nicht zu einer deiner Opfer zu machen." Er sah sie immer noch an. Überlegte und wog seine Möglichkeiten ab. Er würde ihr das niemals versprechen, zumindest nicht wirklich. Das einzige was er ihr geben würde, wäre das was er immer gab, wenn Leute dumm genug wahren um auf sein Ehrgefühl zu vertrauen und sein Wort zu fordern: Er log.
„Ich verspreche es."
„Und ich glaube dir nicht.", sagte sie nicht mal eine Sekunde danach und Alecs Gesicht verzog sich zu einer hasserfüllten Maske. Dabei hatte er gewusst, dass sie ihm nie glauben würde. Er hatte kein Ehrgefühl, er betrog alles und jeden um das zu bekommen was er wollte. Nicht mehr und nicht weniger und sie war nicht so dumm zu glauben er würde bei ihr eine Ausnahme machen.
„Ich sagte ja, eine Tragödie." Ein wahrhaftiges Drama in dem alles vorkam nur eben kein Vertrauen. Nein, sie hatte ihm vertraut. Damals, bevor er sie in ihrem Schlafzimmer angegriffen hatte. Nochmal würde ihr das nicht passieren. Nie wieder!
„Ich will dir nicht wehtun, Nora." Das klang wesentlich ehrlicher als seine letzte Aussage. Aber es war immer noch nicht alles.
„Doch das willst du und genau das ist das Problem." Der Sadist in ihm wollte sie zerstückelt vor sich sehen, sie weinen und schreien hören und ihr Leben beenden. So war er nun einmal. Er wollte sie verletzen, ständig. Die Frage war, wie lange er noch widerstehen konnte.
„Das wäre das perfekte Ende für deine Tragödie, oder? Eine gefangene Prinzessin, entführt von einem Schurken der sie missbraucht und dann umbringt. Du bist das Opfer durch und durch", gab er zurück. Die Klinge glitt fast schon zärtlich über ihr Gesicht. Als es das Streicheln eines Liebhabers. Sie erwartete fast, dass er zu dem selben logischen Schluss kommen würde wie sie vor einigen Monaten: es gab keine Hoffnung. Sie würde durch seine Hand sterben müssen um das Dilemma zu beenden, in dem sie beide feststeckten.
„Aber diesen Sieg könne ich dir nicht. Du willst dass ich dich umbringe? Dann hättest du mir nicht sagen sollen, dass du dich lediglich weigerst mich zu lieben. Das war ein Fehler, Prinzesschen. Herzlichen Glückwunsch, Nora. Ich glaube dir und ob du willst oder nicht, du wirst mich lieben."
Sie runzelte die Stirn. Das war lächerlich. Man konnte niemanden dazu zwingen sich in einen zu verlieben, genauso wie man niemanden mit vorgezogener Waffe zum Selbstmord zwingen konnte. Wie sollte das bitte klappen? Sicherlich er könnte sie solange foltern bis sie ihn anlog und behauptete, er würde sie lieben. Aber das war keine Liebe sondern nur eine erfolterte Aussage, die er niemals glauben würde.
Beta: Zitronenlimonade
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