1. Dezember

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,,Für dieses Jahr habe ich mir überlegt, dass wir das Wichteln mal anders gestalten. Im Fokus steht ja eigentlich die Anonymität, allerdings finde ich, an dieser mangelt es in unserer Klasse nicht gerade. Daher stellen wir dieses Jahr zufällige Pärchen zusammen, die sich eine Kleinigkeit schenken sollen", erklärte Herr Baumgartner unser Klassenlehrer. 

Bei seinen letzten Worten hatte der Großteil der Klasse angefangen zu stöhnen, denn jemandem ein Geschenk zu machen, mit dem man nicht normalerweise seine Pause teilte, war für mich und die meisten meiner Mitschüler undenkbar. Schließlich hatten wir bereits ein Klassengefüge und jeder hatte seine Gruppe zu der er gehörte und in die er hineinpasste. 

,,Nun, ihr solltet das, als Chance sehen neue Freundschaften zu knüpfen, mit Schülern, denen ihr vorher nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt habt. Ich bin mir sicher, das würde der Klassengemeinschaft ungemein guttun. So und jetzt schreibt bitte die linke Hälfte ihre Namen auf einen Zettel und die rechte Hälfte zieht einen."

Gemurmel war jetzt in der Klasse entstanden und es raschelten Blätter, die meine Mitschüler aus ihren Blöcken zogen.

Seufzend sah ich zu Vanessa, die gerade stöhnte und keine Anstalten machte ihren Namen aufzuschreiben. Ich dagegen schrieb meinen Namen auf einen Papierfetzen, faltete ihn und legte ihn auf den Tisch. Was hatte ich auch für eine Wahl? 

Mir war diese Wichtelei noch nie wichtig gewesen. Egal wen ich als Partner bekam, ich würde wahrscheinlich einfach Schokolade kaufen, dann wäre die Sache gegessen. Dasselbe dachten wohl auch einige um mich herum und sprachen es zu meinem Bedauern laut aus. Das war allerdings nicht so schlau gewesen, denn prompt ertönte Herr Baumgartners Stimme.

,,Hört mal, ihr solltet ein wenig Engagement für diese Sache aufbringen. Die Geschenke sollen nicht bedeutungslos sein, denn das würde den Zweck wohl vollkommen verfehlen. Verbringt einfach ein wenig Zeit, mit der euch zugelosten Person. Schaut was er oder sie mag. Macht euch ein Bild von ihm oder ihr und wählt dann eine Kleinigkeit, die nicht völligen Unsinn darstellt", betonte Herr Baumgartner und sah uns streng an.

Die wenigsten meiner Mitschüler waren von dieser Nachricht begeistert, denn ich wusste fast keiner würde sein gewohntes Klientel verlassen, um einer uninteressanten Seele ein Geschenk zu machen.

Herr Baumgartner sah auf welchen Widerspruch seine Idee traf und ergriff wieder das Wort.
,,Nehmt es ernst, denn wenn ihr meine Bitte nicht beherzigt wird es vor Weihnachten noch ein paar Referate geben."

Diese Information brachte mich wieder in die Wirklichkeit, denn das letzte was ich wollte, war in den letzten Wochen vor den Ferien meine Zeit mit einem Referat zu vergeuden.

Herr Baumgartner ging nun rum und sammelte die Zettel der Fensterseite ein und ging dann rüber zur Türseite, damit die Zettel verteilt werden konnten.

Einer nach dem anderen zog einen Zettel. Manche meiner Mitschüler verzogen ihre Mienen und lachten dann. Andere Schienen ganz glücklich über ihren Partner zu sein.

,,Ich werde eine Liste mit den jeweiligen Paaren neben die Tür hängen, dann weiß jeder zu wem er gehört", sagte Herr Baumgartner, während er weiter durch die Tischreihen ging.

Ich überlegte, wen ich gern als Partner hätte. Im Endeffekt war es mir egal. Es war nicht sodass ich irgendjemanden nicht leiden konnte. Mit den meisten Leuten komme ich gut klar. Das konnte man von meiner Clique jedoch nicht sagen. Vanessa und Co. sind da viel wählerischer und es kommt nicht selten vor, dass sie unangenehm raushängen lassen, dass sie mehr als genug Geld haben. Deshalb bleiben sie gern unter sich.
Es war von Anfang an so.
Wie ich da reingerutscht bin?
Ich frage es mich bis heute, denn meine Eltern haben weder viel Geld, noch bin ich besonders witzig oder beliebt gewesen, bevor ich die Clique kannte.

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