18. Dezember

11 3 0
                                    

Nachdem ich nach Josh's Verschwinden nach Hause gekommen war, saß ich in meinem Zimmer und sprach mit niemandem.

Meine Eltern hatten mehrmals versucht mit mir zu reden, doch ich hatte keinen Ton von mir gegeben. Wie sollte ich ihnen auch sagen, dass ich Josh dadurch vergrault hatte, dass ich ihm eine Lüge darüber aufgetischt hatte, wie gern meine Familie ihn mochte? Es war doch unübersehbar, wie gern wir ihn mochten. Warum er das nicht sah, konnte ich nicht verstehen.

Ich fühlte mich furchtbar, wegen dem was ich Josh angetan hatte. Ich hatte ihn hintergangen und belogen und jetzt meldete er sich nicht auf meine Anrufe. Die Hilflosigkeit war überwältigend und ich würde alles dafür geben, dass sich die ganze Sache einfach aufklärte. Josh Stimme hatte gestern aber so verdammt endgültig geklungen, was mir nicht gerade Mut machte.

Ich vegetierte vor mich hin und immer mehr wurde dieser Tag zum schlimmsten meines Lebens.

Meine Geschwister hatten versucht mich abzulenken, weil sie gemerkt hatten, dass etwas ganz und gar nicht Stimmte.

Halbherzig spielte ich mit ihnen Mensch-ärger-dich-nicht, doch meine Laune war danach eher schlechter, als besser.

Am Nachmittag versuchte ich es in meiner Verzweiflung noch mit einer Email-Adresse, die ich auf der Klassenliste fand. Natürlich bekam ich keine Antwort. Ich hatte auch nicht damit gerechnet, denn Josh war mir nie so vorgekommen, als würde er sich besonders für neumodische Technik interessieren. Das merkte man ja auch an seinem alten Handy.

Am Abend saßen wir wieder alle zusammen am Esstisch und aßen fast gänzlich schweigend unser Abendbrot.

Als hätte meine Stimmung sich auf die anderen Familienmitglieder übertragen, schienen auch sie ein wenig deprimierter als sonst zu sein.

Ich konnte fast nicht hin hören, als Elias begann über Josh zu reden. Er erzählte, dass er rausgefunden hatte, dass Josh gar nicht bei Mario Kart verloren hatte, sondern ihn immer gewinnen lassen hatte. Was mich daran erinnerte wie gutmütig und aufopfernd Josh eigentlich war.

Ich seufzte laut und mein Vater musterte mich mit fragendem Blick.

Sofort wandte ich den Blick auf mein Teller.

Nach dem Tischabräumen, als ich gerade wieder in mein Zimmer verschwinden wollte, hielt mich mein Vater zurück.

,,Lena, kommst du mal kurz in die Küche“, sagte er arglos, aber ich wusste, sie wollten mich jetzt ausquetschen.

Deprimiert ließ ich mich in der Küche auf einem Stuhl nieder und sah zu meinem Vater auf, der an der Arbeitsplatte lehnte.

,,Wann hast du denn vor uns zu sagen, was los ist?“, unterbrach er das Schweigen und taxierte mich.

,,Was soll los sein?“, sagte ich unbekümmert und setzte ein gezwungenes Lächeln auf, das wohl nicht überzeugend wirkte.

,,Schon seit Tagen benimmst du dich wirklich merkwürdig und wir wüssten gern was los ist“, sagte mein Vater.

,,Es ist echt nicht so wichtig“, erwiderte ich und stand auf, um das Gespräch zu beenden. ,,Ich bin einfach schlecht drauf, liegt wahrscheinlich an der Pubertät.“

Mit gehobener Braue sah mich mein Vater an. ,,Pubertät?“

,,Ja, Papa.“ Ich rollte mit den Augen und legte meine Hand auf die Türklinke.

,,Wir wollen dir nur helfen und du weißt ja, dass du immer zu uns kommen kannst. Egal was ist“, sagte mein Vater bestimmt.

,,Ich weiß“, murmelte ich, ehe ich wieder nach oben in mein Zimmer ging.

Der Rest des Abends war genauso deprimierend wir zuvor und nur eine Sache hätte dies ändern können. Und zwar ein Anruf von Josh oder Josh, der vor unserer Tür stand und reden wollte. Allerdings war das wohl Wunschdenken.

Mein einziger Lichtblick an diesem Tag war, dass ich Josh morgen in der Schule sehen würde und dort konnte er sich mir eigentlich nicht entziehen.

Ich würde ihn abfangen und ihn so lange davon überzeugen, dass es mir leid tat, dass er nicht anders konnte, als mir zu vergeben.

Mit diesem Gedanken fiel ich in einen unruhigen Schlaf aus dem ich immer wieder aufwachte und die Nacht so immer länger wurde.

WichtelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt