11. Dezember

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Josh meldete sich auch am nächsten Tag nicht. Ich wurde ein wenig sauer, wollte es aber nicht zugeben. Schließlich hatten wir nie vereinbart, dass wir uns ständig in Kontakt stehen würden, so wie es heute Gang und Gebe war. Doch andererseits war er Samstag morgen einfach gegangen und hatte nicht mal Tschüss gesagt. Na gut, bei meinen Eltern hatte er sich verabschiedet, doch bei mir nicht. Wahrscheinlich war diese Wut auch einfach nur dazu da, um zu verdecken, dass ich mir ein wenig Sorgen machte. 

Elias hatte heute Geburtstag und wurde zehn Jahre alt. Das hieß meine gesamte Verwandtschaft hatte sich im Laufe des Tages bei uns versammelt und aß Kuchen, quatschte fröhlich und lachte. Im Mittelpunkt stand natürlich Elias, was ihm meiner Meinung nach nicht gut tat. Trotzdem hatte ich meinen Bruder lieb und hatte ihm, gegen den Willen meiner Eltern, ein weiteres Spiel für seine Konsole gekauft. Auch wenn es nach mir ging, verbrachte er zu viel Zeit damit Mario Kart zu spielen, doch er war glücklich. Was wollte man also mehr?

Den ganzen Tag schon, hatte ich beobachtet wie mein Vater immer wieder rein und raus huschte. Ich fragte mich, was er vor hatte und sprach ihn sofort drauf an, doch er blockte immer wieder ab. außerdem verhinderte er auch, dass wir das Haus verlassen konnten. Es war sowieso bitterkalt, doch trotzdem war es irgendwie merkwürdig. 

Als mein Onkel um vier Uhr einen wichtigen Anruf bekam und zum telefonieren nach oben ging, fiel mir ein, dass ich es noch gar nicht bei Josh am Handy probiert hatte. 

Ich flitzte zu Elias und ließ mir von ihm die Nummer geben, die natürlich unter Josh (Verlierer) eingespeichert war. 

Ich hielt mir das Handy ans Ohr und war mir sicher, dass er jetzt rangehen würde, denn das Handy, hatten in der heutigen Zeit, ja wohl alle so gut wie immer in der Tasche. 

Wieder wurde ich enttäuscht, denn dieses Mal war der Anschluss zwar definitiv verfügbar, Josh nahm den Anruf allerdings nicht entgegen. 

Genervt starrte ich das Handy an und überlegte, ob ich ihm eine SMS schicken sollte. Von Elias wusste ich allerdings, dass er Josh bereits geschrieben hatte und ihn zu seinem Geburtstag eingeladen hatte. Wenn er auf sein Handy gesehen hatte, wusste er also Bescheid. 

Ich sah Elias an, wie enttäuscht er war, als es mal wieder klingelte und bloß die Nachbarin zum gratulieren vor der Tür stand und nicht Josh. 

Das steigerte meine Wut nur noch mehr. Wie konnte man einen kleinen Jungen nur so im Stich lassen?

Während ich darüber nachdachte, klingelte es erneut und Elias lief hoffnungsvoll in den Flur, nur um mit großer Wahrscheinlichkeit wieder enttäuscht zu werden. 

Doch ich wurde eines Besseren belehrt, denn Elias Stimme erklang eindeutig glücklich aus dem Flur. ,,Ich dachte, du kommst nicht mehr.“

,,Natürlich komme ich. Was denkst du denn von mir?", sagte Josh dann liebevoll.

Ich ging ebenfalls in den Flur und Mira und Ella folgten mir. Sie umarmten Josh, doch ich war nicht in der Stimmung dazu. 

,,Warum hast du dich gestern und heute nicht gemeldet?", fragte ich direkt ohne meine Zeit mit Höflichkeiten zu verschwenden. Josh blickte mich überrascht über meinen Tonfall an, konnte aber nicht antworten, denn in dem Moment kam mein Vater wieder mal zur Tür rein.

,,So, es ist alles fertig. Zieht euch Schuhe und Jacken an und dann könnt ihr rauskommen", sagte mein Vater.

,,Warum?", fragte ich argwöhnisch, aber Josh und mein Vater duldeten keine Widerworte.

,,Ich hoffe, es gefällt dir auch. Du warst ja auch nicht ganz so abgeneigt von Mario Kart. Ich schätze mal, das liegt in der Familie", sagte Josh und lächelte mich an. 

Verwirrt runzelte ich die Stirn, folgte aber dann den anderen nach Draußen. 

Unter dem Carport bot sich mir ein erstaunlicher Anblick und es dauerte einen Moment bis ich realisierte was dort aufgebaut war. Mit Pylonen war eine kleine Kartbahn abgetrennt und vor einer schwarzweißen Linie standen vier Karts.

Ich riss die Augen weit auf. Elias hüpfte schon wie wild in der Gegend rum und auch Ella fand es wohl ziemlich cool. 

In einer Ecke lagen eine rote und grüne Mütze und zwei Schnurrbärte zum Ankleben, eine goldene Krone und ein rot-weißer Pilzhut.

Elias hatte bereits die rote Mütze aufgesetzt und klebte jetzt den Schnurrbart an. So sah er wirklich Mario ein wenig ähnlich. Ella setzte die Krone auf und stellte damit Prinzessin Peach dar und Josh hatte sich mit dem Luigi-Kostüm begnügt. Ich schnappte mir den Pilzhut und war somit Toad. 

Meine Mutter kam bereits mit der Kamera angewuselt und knipste jetzt Fotos von uns. 

,,Könnt ihr euch mal zusammen hinstellen", sagte meine Mutter. Wir stellten uns vor der Kartbahn auf und grinsten in die Kamera, woraufhin Mira anfing zu meckern, sie wolle auch mitmachen. Schnell nahm ich sie auf den Arm und es entstand ein weiteres Bild.

Der Spaß war garantiert, da war ich mir verdammt sicher. 

Die nächsten zwei Stunden verbrachten wir damit wie Wilde durch die kleine Kartbahn zu fahren. 

Irgendwann hatte ich aufgegeben, denn Kart fahren war in Wirklichkeit deutlich schwieriger, als auf dem Fernsehbildschirm und ich stellte mich zu meinem Vater, der uns mit den Händen in den Hosentaschen beobachtete hatte.

,,Das hast du also den ganzen Tag gemacht?", fragte ich nach, während ich den Pilzhut absetzte.

,,Genau", sagte er. ,,Das war echt eine super Idee von ihm, muss ich schon sagen."

,,Das war Josh's Idee?", fragte ich erstaunt.

,,Ja", erwiderte mein Vater. ,,Er hat alles selbst geplant. Ich habe ihm nur beim Transport geholfen."

Josh hatte meinem Bruder eines der besten Geschenke überhaupt gemacht, da konnte ich ihm nicht mehr böse sein und ich wusste ja jetzt auch, womit er dieses Wochenende beschäftigt war. 

Elias stieg nun aus dem Kart und kam auf uns zu. ,,Danke, Papa. Das ist das beste Geschenk!", erklärte er freudig.

,,Bedank dich nicht bei mir, sonder bei Josh. Es war seine Idee", sagte mein Vater und deutete auf Josh, der nun ebenfalls ausstieg und auf uns zu kam.

,,Danke, Josh", sagte Elias ehrfurchtsvoll und schlang seine Arme um ihn.

Josh wirkte etwas überfordert und tätschelte unbeholfen Elias Kopf.

Es war wirklich süß mit anzusehen und es war erstaunlich wie sehr Elias Josh liebgewonnen hatte. Insgesamt war es einer der schönsten Geburtstage, den Elias hatte und dafür konnte ich Josh nicht genug danken.



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