4. Dezember

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,,Hast du eigentlich nochmal mit diesem Jungen, Joshua, geredet wegen des Wichteln?", fragte mein Vater mich, während ich grade den Tisch für's Frühstück deckte.

,,Ja, habe ich. Es hat nur leider nichts genutzt", sagte ich und verdrehte die Augen.

,,Das ist aber schade", sagte mein Vater. ,,Woran lag es denn genau?"

Aufmerksam sah er mich an und ich seufzte. ,,Ich habe rausgefunden, dass er genauso oberflächlich ist, wie die meisten in meiner Klasse und das schlimmste ist, dass er mich dafür vorher verurteilt hat", sagte ich wütend und pfefferte einen Teller zu sehr auf den Tisch.

Mein Vater blickte mich mit hochgezogenen Brauen an, als wollte er sagen, das ist aber sonst nicht deine Art.

Ich drehte mich weg.

In dem Moment als Herr Baumgartner uns die Aufgabe gestellt hatte, eine Person genauer kennenzulernen, fand ich die Idee interessant. Ich wollte aus meinem Trott heraus und mich mit jemandem anfreunden, den ich vorher nicht beachtet hatte. Doch dieser Jemand hat mich abblitzen lassen, weil er über mich geurteilt hatte, ohne mich zu kennen und dann natürlich zum falschen Schluss gekommen war.

Ich seufzte wieder.

,,Vielleicht hat er es gar nicht so gemeint. Wie wäre es mit einer zweiten Chance?", hakte mein Vater nach.

,,Die zweite Chance hat er schon gehabt. Und ich schätze, eine dritte will er nicht, weil er lieber allein bleiben würde. Da bin ich mir sehr sicher", sagte ich.

Ich musste allerdings daran denken, was wohl wäre, wenn er sich entschuldigen würde. Ja, dann würde ich ihm vielleicht eine dritte Chance geben.

,,Du findest schon deinen Weg", sagte mein Vater philosophisch und gab mir einen Kuss aufs Haar.

Ich stand vor der Haustür, die zu dem Haus von Daniels Eltern gehörte und wartete darauf hereingelassen zu werden.

Während ich wartete, sah ich nach oben zu den vielen Fenstern und der antiken Fassade des Gebäudes, das wahrscheinlich unter Denkmalschutz stand.

Ich hatte nicht die geringste Lust auf die beiden Personen, die dort oben hinter einem der beleuchteten Fenster hockten. Doch Teil zwei meines Plans trieb mich an.

,,Hallo Lena", sagte Daniels Mutter, als sie mir die Tür öffnete. ,,Du willst zu Daniel richtig?"

Na zu wem sonst?

,,Ja, richtig", gab ich zurück und lächelte freundlich.

Sie ließ mich ein und ich ging schnurstracks die Treppe hoch und in das erste Zimmer auf der rechten Seite.

Als ich die Tür aufstieß, roch ich sofort Vanessas Parfum und wusste, dass sie bereits da war. Sie lag auf dem Bett und las eine Zeitschrift, während Daniel auf dem Schreibtischstuhl saß und auf sein Handy blickte.

Beide blickten auf und kamen zu mir, um mich zu umarmen.

,,Alles klar, Lena?", fragte Daniel etwas zu besorgt und ich wusste, dass auch er die Story von der Scheidung gehört hatte.

Vanessa sank ein wenig weiter in meinem Freundschaftsranking.

,,Ja bei mir ist alles super", gab ich zurück woraufhin er mich verwirrt ansah.

Ich hatte Vanessa und Daniel einige meiner Skizzen mitgebracht in der Hoffnung ein wenig Zuspruch zu bekommen.

Das war es doch, was man an Freunden hat. Sie unterstützen einen egal in welcher Lebenslage.

Ich zog die Zeichnungen aus meiner Tasche und breitete sie auf dem kleinen Tisch in der Mitte des Zimmers aus.

,,Ich wollte euch gern was zeigen und wissen, was ihr davon haltet", sagte ich zu den Beiden, die näher an die Bilder rückten.

,,Was soll denn das sein?", fragte Vanessa interessiert und begeistert erzählte ich ihr, was ich mir überlegt hatte.

,,Ich habe ein Welt geschaffen, in der es nichts Böses gibt. Schau hier."
Ich deutete auf einen großen Mann in Uniform. ,,Dies sind Wächter, sie schützen die Welt vor dem Bösen. Die Liebesboten verbreiten Liebe."
Ich zeigte nun auf eine Art Engel.
,,Diese kleinen Wesen haben noch keinen Namen, aber sie schützen die Familien vor Streit und sorgen für Einigkeit und ein erfülltes Leben."
Ich sah nun zu Vanessa und Daniel und wartete auf ihre Reaktionen.

Es dauerte nicht lange.

Dann lachte Vanessa und Daniel stimmte mit ein.

Ich ließ das Blatt, dass ich in der Hand hielt, sinken und sah die Beiden mit hochgezogenen Brauen an.

,,Du hast also Amor gemalt?", fragte Daniel belustigt.

,,Nein", sagte ich schlicht.

,,Aber du sagtest, er verbreitete Liebe und dieses Teil sieht aus wie ein Engel. Hast du ihn abgepaust?", sagte er nun und sah mich herausfordernd an.

,,Nein", erwiderte ich wütend wegen seiner falschen Unterstellung.

,,Also, schön ist was anderes", sagte Vanessa, die sich nun wieder ihrer Zeitschrift zugewandt hatte.

Mir reichte es.

Wie hatte ich es so lange mit denen aushalten können?

Ich stopfte mein Zeug in die Tasche und war schon auf dem Weg durch den Raum.

,,Hey, ich dachte Freunde sagen sich die Wahrheit", rief Vanessa mir noch hinterher.

Ja, Wahrheit war wichtig in einer Freundschaft, aber noch wichtiger war Respekt.

Es war endgültig vorbei.

Ich hatte noch nie hier reingepasst und es war besser jetzt einen Schlussstrich zu ziehen, als später.

Trotzdem machte mich diese Sache traurig. Das Zeichnen war das, was mir am meisten Spaß machte und ich war überzeugt, dass es nicht völliger Müll ist den ich fabriziere, also warum haben Vanessa und Daniel so reagiert.

Weil sie so sind. Sie haben es nicht anders gelernt.

Trotzdem war es einfach nur grausam.

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