19. Dezember

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Montagmorgen war ich die Erste im Haus und wahrscheinlich auch die Erste in der ganzen Straße, die wach war.

Ich konnte es nicht abwarten in die Schule zu kommen. Und so drängte ich sämtliche Familienmitglieder sich sowohl beim Frühstück und beim Anziehen, als auch beim Einsteigen ins Auto zu beeilen.

Elias war schon ganz genervt, als ich ihn das dritte Mal vor mir her geschubst hatte, damit er sich beeilte.
Und meine Mutter sah mich verständnislos an, als ich hibbelig  und fertig angezogen im Flur stand und ungeduldig auf den Rest der Familie wartete.

Schließlich kamen wir beim Parkplatz der Schule an und ich sprang raus ohne auf das ,,Pass auf dich auf“ von meinem Vater zu hören und murmelte nur ein schnelles ,,Bis Später.“

Ich wusste heute waren wir noch früher als sonst dran, also war Josh vielleicht noch gar nicht da, aber das war vielleicht sowieso besser, denn dann konnte ich in der Klasse auf ihn warten.

Wie erwartet kam ich in die leere Klasse und ließ mich auf meinen Stuhl nieder, nur mit dem Gedanken, dass er an mir vorbei musste, wenn er auf seinem sitzen wollte. Ich wollte gar nicht daran denken, was wäre, wenn er sich woanders hinsetzen würde. So wie ich es getan hatte, als ich mich von Vanessa angewandt hatte.

Ich wartete und wartete, aber schließlich tröpfelten die ersten anderen Schüler herein und um viertel vor acht, war Josh noch immer nicht da.

Ich überlegte, ob er jemals zu spät gekommem war, doch natürlich war er immer pünktlich gewesen und eigentlich fehlte er auch nie. Deshalb war diese ganze verworrene Situation mehr als komisch.

Die folgenden Schulstunden und die Ungewissheit, ob Josh vielleicht doch noch auftauchen würde, machten mich fertig. Ich war mir auch nicht mehr so sicher, welcher Tag schrecklicher war: Heute oder gestern.

Außerdem mischte sich in mein Unbehagen jetzt auch noch eine tiefe Sorge, denn dass das hier alles andere als normal war, war klar. Aber kam Josh nicht zur Schule, weil er nicht wollte oder war ihm etwas passiert und er meldete sich deswegen nicht.

Noch schlimmer war der Gedanke dass Josh, soweit ich wusste, niemanden außer mir hatte und jetzt hatte ich ihm diese Chance zum Reden auch noch genommen.

Nach der vierten Stunde gab ich es auf. Ich hatte keine Hoffnung mehr, dass Josh heute noch auftauchen würde oder dass mir die Doppelstunde Mathe irgendwie nützen würde, solange ich in dieser Verfassung war. Also schleppte ich mich zum Sekretariat, meldete mich krank und begab mich so schnell ich konnte nach Hause.

Ich hatte lang genug gewartet. Ich musste meinen Eltern jetzt sagen, was Sache war. Vielleicht wussten sie ja einen Rat.

Meinen Mutter war völlig verdutzt, als ich viel zu früh zur Tür reinkam und als sie mein gequältes Gesicht sah, beorderte sie mich sofort auf einen Stuhl und sah mich mit strenger Miene an.

,,So, Lena, du wirst mir jetzt endlich sagen, was los ist. Das hält ja niemand aus“, sagte meine Mutter bestimmt und ich wusste, sie würde nicht nachgeben.

,,Es ist wegen Josh“, sagte ich und musste ein Schluchzen unterdrücken. ,,Ich habe schrecklichen Mist gebaut und deshalb ist er jetzt abgehauen.“

Meine Mutter sah mich verwirrt an. ,,Also jetzt mal ganz langsam. Erzähl mir alles von Beginn an.“

Und so erzählte ich alles was vorgefallen war, von meiner Schnüffelei im Klassenbuch, bis zu der Sache, dass ich zu ihm nach Hause gefahren war, um seinen Pflegevater auszufragen. Als ich zu der Sache mit dem Streit bei Benders kam, konnte ich nicht mehr anders und musste weinen.

,,Ich hab das nicht gewollt und jetzt denkt er, wir können ihn nicht leiden“, schluchzte ich.

Meine Mutter seufzte und ließ sich neben mir auf einen Stuhl sinken.

,,Wir warten jetzt erstmal ab, es ist wahrscheinlich alles gar nicht so schlimm, wie es scheint. Beruhig dich jetzt!“, sagte meine Mutter behutsam und strich mir über den Rücken.
,,Ich mache dir jetzt einen Tee und du setzt dich auf die Couch. Dann warten wir auf deinen Vater und fragen ihn, was er davon hält.“

Und so machten wir es auch. Es dauerte bloß eine Ewigkeit bis die Tür aufging und zuerst meine Geschwister und dann mein Vater reinkamen.
Ella merkte sofort, dass etwas nicht stimmte und kam zu mir. Sie drückte mich was ungemein gut tat.

Aus der Küche hörte ich die Stimmen meiner Eltern und ich wusste, meine Mutter erzählte meinem Vater gerade alles.

Wenige Minuten später kam er zu mir ins Wohnzimmer und setzte sich zu mir auf die Couch. ,,Lena“, seufzte er. ,,Mach dir nicht so ein Kopf wegen dieser Sache. Josh wird nichts passiert sein und er kriegt sich auch wieder ein. Schließlich hast du es nur gut gemeint.“

,,Es tut mir leid. Jetzt seht ihr ihn nie wieder, weil ich so eine Idiotin war“, sagte ich traurig.

,,Na, jetzt mach mal halblang. Josh kommt bestimmt wieder, da bin ich sicher und wenn nicht ist es bestimmt nicht nur deine Schuld“, erklärte mein Vater.

,,Und wenn ihm was passiert ist?“, brachte ich meine größte Sorge hervor. ,,Er hat doch niemanden außer uns.“

,,Es wird alles gut, da bin ich sicher. Wir warten bis morgen ab und wenn er dann immer noch nicht in der Schule war, können wir weiter schauen.“ Meine Vater wirkte entschlossen und so war das einzige was ich tun konnte, Abwarten.

Meine Eltern hatten meinem Geschwistern natürlich die Wahrheit darüber gesagt, warum ich so aufgelöst war. Danach waren die drei ziemlich betroffen gewesen und es schien ihnen ähnlich zu gehen wie mir.

,,Spielt Josh bald wieder mit mir Mario Kart?“, fragte Elias mich leise, als wir am Abend gemeinsam auf der Couch saßen.

Ich wollte ihm ein gutes Gefühl geben, aber ich wusste nicht, was kommen würde. Niemand wusste das. Also schwieg ich.

Ansonsten brachte der Tag keine neuen Erkenntnisse. Josh hatte sich bis acht Uhr noch immer nicht gemeldet, obwohl ich aus dem Wohnzimmer gehört hatte, dass meine Eltern ihm sogar eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen hatten.

Sie machten sich also doch ein wenig Sorgen und das stimmte mich ein wenig fröhlicher.

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