Elijah

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Ich lag auf Hughs Bett und starrte mich selbst im Spiegel neben dem Bett an; meine endlos erscheinenden schwarzen Augen, die blasse Haut und die darunter durchscheinenden Adern, meine dunklen, zerwuschelten Haare. Ich grinste ununterbrochen. Immer wieder fuhr ich mir über meine Arme, die Stellen, die Leah berührt hatte. Es war mittlerweile halb sechs am Morgen und wir waren seit seiner halben Stunde auf dem Anwesen. 

Leah und ich hatten bis halb fünf gefeiert, bevor ich sie nach Hause gebracht hatte. Sie hatte mich gefragt, woher ich eigentlich wusste, wo sie wohnte. Wie fast alle ihrer Fragen konnte ich auch diese mit den Tabletten beantworten. Ihr war zwar etwas unangenehm, dass ich einfach in ihr Haus eingebrochen war, sie versuchte sich das allerdings nicht anmerken zu lassen. Ich verstand nicht, wie dieses Mädchen es schaffte, das alles einfach so hin zu nehmen und keine Angst vor mir zu haben. Ich musste unbedingt mehr über diese Verbindung herausfinden, die wir hatten, vielleicht erklärte das ihre unglaubliche Akzeptanz dem allem gegenüber. 

Ich grinste mich immer noch im Spiegel an und langsam kam ich mir dämlich vor. Also entspannte ich meine Gesichtszüge und drehte mich auf den Rücken. Ich hatte immer noch meine nach einer Partynacht riechenden Klamotten an. Mich störte der Gestank kaum, aber ich wusste, dass Hugh es hasste, was ironisch war, da er derjenige war, der am meisten und exzessivsten feierte. Also nahm ich mir neue Sachen aus Hughs schlichtem schwarzen Kleiderschrank und zog mich um. Wir liehen uns oft Dinge des Anderen. Leider war ich etwas größer und breiter als Hugh, sodass seine Sachen mir immer etwas zu klein waren. Meine dreckigen Klamotten schmiss ich achtlos vor die Tür in den Flur. Ich drehte mich wieder um und betrachtete das abgedunkelte Zimmer. Es war minimalistisch eingerichtet, die Wände waren weiß, es gab ein schwarzes Bett, einen schwarzen Kleiderschrank und eine schwarze Kommode. Die einzige Deko war ein silber glänzendes Kurzchwert, welches an der Wand über dem Bett hing. Es war die allererste Waffe, die Hugh bekommen hatte, als er angefangen hatte, bei uns zu trainieren.
Ich legte mich wieder ins Bett und versuchte, einzuschlafen. Allerdings wurde ich geweckt, als das Rauschen der Dusche aufhörte und Hugh mit einem Handtuch um die Hüften aus dem Bad kam. Er sah mich und fing an zu Grinsen. "Die Kleine hat dir echt den Kopf verdreht, oder?", feixte er.
Ich tötete ihn mit meinen Blicken und drehte mich von ihm weg. "Also hab ich recht", lachte er.
Ich hörte, wie er sich anzog und dann auf die Couch setzte. Noch während er den Trainingsplan für Keeva für den nächsten Tag machte, was er vorher natürlich vergessen hatte, schlief ich ein. 



Das erste, was ich wahrnahm, als ich wach wurde, war der Kaffeegeruch, der durch die offene Zimmertür wehte. Ich stand auf und folgte dem Geruch bis in eine der kleinen Küchen in der Nähe von Hughs Zimmer. Dort stand Isabelle, Ricos Schwester, in einem pinken Pyjama, ihre langen blonden Haare zu einem Dutt zusammengebunden, mit Kopfhörern in den Ohren tanzend in der Küche und machte Frühstück. Ich lehnte mich an den Türrahmen und beobachtete sie. Sie tanzte durch die ganze Küche, nahm das Brot aus dem Toaster und schüttete Kaffee in eine Tasse. Als sie sich umdrehte und mich in der Tür stehen sah, sang sie einfach weiter, kam auf mich zu und nahm meine Hand. Sie zog mich mit sich und ich fing ebenfalls an, mit ihr zu tanzen. Nachdem ich sie im Kreis gewirbelt hatte, umarmte sie mich kurz glücklich und nahm dann die Kopfhörer aus den Ohren. "Morgen", grinste sie. Sie ging zum Tisch und fing an zu essen. Mit einer Handbewegung lud sie mich ein, mich ebenfalls zu setzen. Ich schüttete mir Kaffee in eine Tasse und nahm dann gegenüber von ihr Platz. Isabelle sang immer noch leise vor sich hin und hörte nicht auf zu grinsen. Sie war vor ein paar Tagen 72 geworden, hatte etliche Aufträge erledigt und schon so einiges gesehen, aber trotzdem benahm sie sich wie eine 17-jährige.

"Willst du nichts frühstücken?", riss sie mich aus meinen Gedanken. Ich schüttelte den Kopf: "Kaffee reicht." Sie zuckte mit den Schulter und aß weiter. Ich versank wider in meinen Gedanken. Wieder blieb ich bei Leah hängen. Sie hatte mir ihre Nummer gegeben, als ich sie nach Hause gebracht hatte , da wir beide wissen wollten, was diese Verbindung war, die wir hatten. Automatisch nahm ich mein Smartphone aus meiner Hosentasche und drehte es ein paar mal in meiner Hand. 

Aus dem Flur hörte man Hughs Schritte auf uns zukommen und ein paar Sekunden später öffnete er ohne Anzuklopfen die Tür und strahlte uns an. Warum waren morgens alle so gut gelaunt? Isabelle stand auf und umarmte auch Hugh. Dieser hob sie hoch und wirbelte sie einmal herum. Ich schüttelte nur den Kopf über so viel Energie am Morgen. Hugh setzte sich auf einen noch freien Stuhl und nahm sich eins von Isabelles Toasts. Die hatte mittlerweile fertig gefrühstückt, stand auf und verabschiedete sich mit einem Handküsschen von uns. Aufräumen durften also wir. Naja, wir hatten auch ihr Essen geklaut. 

Ich bemerkte, wie Hugh mich von der Seite ansah. Nachdem ich meinen Kopf zu ihm drehte und ihn ansah, fing er an zu reden: "Wie ist das Gespräch mit Leah gelaufen?"

"Gut."

"Gut?"

"Ja."

"Hast du Gefühle für sie?"

Ich starrte ihn an. Beantworten konnte ich seine Frage nicht, denn ich wusste es selber nicht. Also verneinte ich. Allerdings sah mir Hugh an, dass ich ihm nicht die Wahrheit sagte, weshalb er nochmal nachfragte: "Wirklich nicht?"

Ich schlug auf den Tisch: "Mann, Hugh, ich weiß es doch selber nicht. Ich habe Gefühle für sie, wir haben irgendeine Verbindung, aber ich habe mich nicht in sie verliebt". "Noch nicht", murmelte ich hinterher. Hugh ließ sich nicht von meinem keinen Wutausbruch beirren und stieß mir gegen den Arm. "Noch nicht?", lachte er. Ich sagte dazu gar nichts.  

"Hör mir zu. Ich mag die Kleine wirklich, aber ich habe ein komisches Gefühl. Ich kann es genau so wenig beschreiben wie du deine Gefühle für sie. Aber etwas ist faul an der ganze Sache mit ihr. Ich möchte nur, dass du auf dich aufpasst."

Ich seufzte, denn ich konnte seine Sorge verstehen. Den Gedanken hatte ich auch schon, da gerade ihre Akzeptanz mich verwirrte. 

"Ich passe auf mich auf." ,versprach ich ihm, "Aber ich muss wissen, was hier los ist. Ich habe nur keine Ahnung, wie." Ich stütze meine Ellenbogen auf den Tisch und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.

Hugh legte mir den Arm auf den Rücken. "Ich helfe dir. Immer. Das weißt du. Du bist mein bester Freund. Und ich habe tatsächlich eine Idee, wo wir anfangen können." Ich hob meine Kopf und sah ihn fragend an.  "Die Älteste. Wenn jemand etwas über mystische Verbindungen weiß, dann sie.", erklärte er. Meine Verwunderung wechselte in Skepsis: "Sie ist über 800 Jahre alt und ziemlich am Ende ihrer Kräfte. Bist du dir sicher, dass sie es schafft, unsere Fragen zu beantworten?"

"Wir müssen es versuchen." Er klopfte mir aufmunternd auf den Rücken. So doll, dass es kurz knackste.

 "Ja, wir haben keine Wahl.", seufzte ich. 

Die Chroniken der verborgenen JägerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt