Leah

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Wir saßen auf dem ungemütlichen, kleinen Bett, ich hatte mich an Elijahs Schulter gelehnt und er hatte seinen Arm um mich gelegt. Er hatte mir erklärt, wie er uns befreien wollte und dass Hugh sich schon bald einen Weg in das Haus suchen würde. Und so saßen wir hier und warteten.
Seit Elijah hier war, war ich ruhiger. Er schaffte es, mir meine Angst zu nehmen, alleine mit seiner Anwesenheit. 

Ich schreckte auf, als ich plötzlich eine Frau schreien hörte. Durch die dicken Kellerwände war sie nur leise zu hören, doch verstand ich jedes Wort:
"Ich hasse dich! Warum tust du mir das an? Ich will hier raus! ICH HASSE DICH!" 
Hilfesuchend sah ich Elijah an, doch der blickte nur teilnahmslos an die gegenüberliegende Wand.
Als die Schreie verstummt waren, lehnte ich mich wieder an Elijahs Schulter. Die Frage, wer geschrien hatte, ließ mich dennoch nicht los.

Ich spürte plötzlich, wie Elijahs Muskeln sich anspannten und sein Griff um meine Schulter fester wurde. Er sah mich an und küsste mich. 

"Talha kommt. Keine Sorge, es wird alles gut.", sagte er und drehte seinen Kopf zur Tür. 
Wenige Sekunden später hörte auch ich Schritte. Kurz darauf wurde die Tür aufgeschlossen und Talha stand in der Tür. Elijah zog mich näher an sich, woraufhin Talha kurz auflachte. 
"Die Kuschelstunde ist vorbei. Nael will euch sehen."
Nael.
Als ich diesen Namen hörte, zog sich mein Magen zusammen. Eine Erinnerung an mein früheres Leben kämpfte sich aus meinem Gedächtnis und für einen kurzen Moment sah ich einen Jungen vor mir. Er konnte nicht älter als sieben sein, hatte kurz rasierte schwarze Haare, trug einfache zerschlissene Kleidung, war barfuß und strahlte mich an.  Dann veränderte sich der Junge, er wurde älter, sodass nun ein erwachsener Mann vor mir stand. Seine Haare waren länger, er hatte einen Drei-Tage-Bart, war muskulös und trug deutlich luxuriösere Kleidung. 
Und auch, wenn ich eine so deutliche Erinnerung an Nael hatte, wusste ich nicht, wer er war.

Elijah und ich standen auf und folgten Talha aus dem kleinen Raum. Neben ein paar anderen Waffen sah ich an Talhas Gürtel auch Elijahs Dolch. Ich konnte spüren, wie es Elijah in den Fingern juckte, Talha zu überwältigen und seinen Dolch wieder an sich zu nehmen, doch er beherrschte sich. 
Das Haus, durch dessen Flure Talha uns führte, wirkte bedrohlich auf mich. Ständig drehte ich mich um, da ich glaubte, dass ich beobachtet wurde. Ich fühlte mich definitiv unwohl hier.
Talha führte uns durch eine Eingangshalle eine Treppe nach oben in den ersten Stock. Das Haus war heruntergekommen. Die Holzdielen knartschten bei jedem Schritt, es waren einige Fenster eingeschlagen und in den Ecken hingen Spinnweben.
Vor einer großen Holztür blieben wir stehen. Bevor Talha die Tür aufmachte, sah er uns noch einmal an.
 "Er  freut sich schon, euch endlich wiederzusehen. Allerdings ist er  in den letzten Jahren etwas dickköpfig geworden. Macht euch nichts draus.", sagte er und klopfte Elijah auf die Schulter, was dieser mit einem Knurren hinnahm. Er war den ganzen Weg seltsam ruhig gewesen.
Den Grund dafür erfuhr ich jedoch sofort, denn von unten  hörte man plötzlich Kampfgeräusche. Elija grinste, nutze das Überraschungsmoment und stürzte sich auf Talha. Da dieser nicht vorbereitet war, gewann Elijah schnell die Oberhand und schlug ihn mit einem gezielten Schlag k.o. .Elijah nahm seinen Dolch und zog mich an meinem Arm von der Tür weg den Flur entlang. Doch kurz bevor er mich mitzog, sah ich einen Mann in dem Raum. Es war nur ein Augenblick und doch erkannte ich ihn: Es war Nael, der immer noch genau so aussah wie in  meiner Erinnerung. Etwas zog mich zu ihm, ich wollte stehen bleiben, etwas sagen, aber Elijah hatte Nael nicht bemerkt und somit nahm er meine Hand und wir rannten die Treppe nach unten. Elijah bemühte sich, langsamer zu laufen und dennoch hatte ich Mühe, mit ihm mitzuhalten.
In der Eingangshalle sahen wir Hugh, wie er gerade mit zwei Männern kämpfte. Ein Mann hatte eine stark blutende Wunde am Arm und schwankte schon.
Elijah gab mir seinen Dolch, befahl mir, mich damit nur zu verteidigen, wenn ich angegriffen wurde und stürmte zu Hugh, welcher ihm ein Kurzschwert zuwarf. 
Aus einer Tür rechts neben der Treppe, auf der ich stand, kamen weitere Männer, die mich aber nicht beachteten, sondern Elijah und Hugh angriffen. 
Da ich nicht sehen wollte, wie die Männer gegeneinander kämpften, kauerte ich mich auf der Treppe zusammen und schloss meine Augen. Ich wusste, dass das gefährlich war, weil ich so nicht sehen konnte, wenn ich angegriffen wurde, doch das war mir egal.
Ich konnte das ganze Blut einfach nicht sehen.

Nach ein paar Minuten verstummte der Kampflärm. Zögernd hob ich meinen Kopf. Überall auf dem Boden war Blut, ein Dutzend Männer lagen bewusstlos auf dem Boden. 
Mitten in der Eingangshalle standen Elijah und Hugh. 
Hugh schien nicht schwer verwundet zu sein, doch Elijah blutete aus einer Wunde an seinem Oberschenkel. Er kam auf mich zugehumpelt, wobei seine Bewegungen mit jedem Schritt flüssiger wurden. Er nahm mir den Dolch ab und befestigte ihn in der Halterung an seinen Stiefeln.
"Komm, wir müssen gehen bevor noch mehr kommen.", sagte er. 
Ich stand auf und nahm seine Hand. Die Wunde an seinem Oberschenkel war mittlerweile geschlossen.
Wir liefen durch die Eingangshalle und die offene Haustür. Sobald wir draußen waren, fingen wir an zu Rennen. Wieder hatte ich sichtlich Mühe, mit Elijah und Hugh mitzuhalten.
Als wir einige Hundert Meter vom Haus entfernt waren, hörten wir eine Stimme brüllen: "Ich werde euch vernichten!" 
Wir ignorierten die Drohung und rannten einfach weiter. 

Auf der Straße, die zur Stadt führte, stand ein Auto , dessen Beifahrertür Hugh aufriss. Am Steuer saß Isa, die uns anlächelte. 
Nach Luft schnappend setzte ich mich auf die Rückbank. Elijah setzte sich neben mich. 
Isa fuhr los richtung Stadt. 
"Geht es euch gut?", fragte sie, woraufhin Elijah anfing zu erzählen, was passiert war. Ich lehnte mich an ihn und schloss meine Augen. 

Ich wurde nicht einmal wach, als das Auto vor meiner Haustür anhielt und Elijah mich aus dem Auto trug. Erst als er mich fragte, wo die Schlüssel sind, öffnete ich meine Augen.
Elijah nahm den Schlüssel aus meiner Hosentasche, schloss die Tür auf und trug mich ins Haus. Er legte mich in mein Bett und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Noch bevor er mein Zimmer verlassen hatte, war ich wieder eingeschlafen. 







Die Chroniken der verborgenen JägerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt