Kapitel 9

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Lenas p.o.v.

Kurz bevor ich mit meinen Sachen das Studio verlassen wollte, fing Manu mich noch einmal ab. "Können wir kurz reden?", meinte er und ging mit mir in den Hausflur, wo wir uns auf die Treppe setzten. Ich schaute ihn erwartungsvoll an.

"Also wegen Wincent..." Ich stöhnte auf. "Er benimmt sich gerade ein bisschen komisch. Er ist sonst nicht so, das verspreche ich dir. Er ist die Nettigkeit in Person. Gib ihn bitte nicht auf! Du wirst merken, dass das gerade nicht er ist. Er hat eine schwere Zeit durchgemacht die letzten Wochen, hab ein bisschen Nachsicht, ja?"

Ich hatte keine Ahnung, was ich unter schweren Zeiten verstehen sollte. Vielleicht hatte er sich von seiner Freundin getrennt. Warte, hatte er überhaupt eine Freundin? Nein, ich hatte wirklich keine Ahnung. Doch falls das stimmen solle, hatte Manu wahrscheinlich Recht. Ich hatte ja auch nie geglaubt, dass er so unfreundlich sein könnte. Vielleicht war das gar nicht er.

Völlig in Gedanken versunken schnappte ich mir meine Tasche und stieg in den Zug nach Hause - früher als gedacht. Auf der fünfstündigen Fahrt nach Hause bearbeitete ich sämtliche Bilder von Wincent und Manu und stellte fest, dass da doch so einige gute dabei waren. Überzeugt von meiner Arbeit schickte ich sie sogleich Wincent und bekam dafür sogar einen Daumen hoch.

Halbwegs glücklich entschied ich mich wegen der gewonnen Zeit spontan dazu meine Familie besuchen zu gehen. "Mama, Papa, Lena ist wieder da!", schrie mein kleiner Bruder Paul durch das ganze Haus und kam auf mich zugerannt. Ich nahm ihn hoch und wirbelte ihn herum.

Und jetzt saß ich hier auf der Couch mit meinem Bruder auf der Couch, kraulte die Haare meiner kleinen Schwester, die neben mir auf dem Boden saß und unterhielt mich mit meinen Eltern. Ich fühlte mich jedes Mal, als wäre ich nie weg gewesen.

"Ich weiß nicht, er ist irgendwie komisch, aber irgendwie auch ganz nett", erzählte ich. "Aber sein Kollege meinte, ich solle etwas Geduld mit ihm haben. Er hat ne schwere Zeit durchgemacht. " Ich wollte ehrlich zu meinen Eltern sein, aber sie sollten sich auch keine Sorgen um mich machen. "Schwere Zeit, schwere Zeit", murmelte mein Vater. "Wir haben alle schwere Zeiten." "Papa!", sagte ich zu ihm. "Lass gut sein. Ich krieg das schon hin."

Mein Papa war immer der Mann, der seine Prinzessin bis aufs letzte Hemd verteidigte. Das liebte ich so an ihm.

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