Kapitel 34

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Lorelei

Wir waren endlich wieder in Maera. Ich empfand es nun, nach all der Zeit in den Bergen, als äußerst angenehm, auf einer ebenen Strecke zu laufen.

Es würde nur noch ungefähr eine Stunde dauern, bis wir das Schloss erreichen sollten. Ich wurde langsam etwas nervös, weil ich mich immer häufiger fragte, wie mein Vater wohl reagieren würde... Was er sagen würde. Würde er mit mir schimpfen? Oder würde er sich einfach freuen, dass ich wohlbehalten zurückgekommen war? Möglicherweise beides?

Nun, egal was er sagen würde, ich wusste, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. So viel Neues hatten wir in Erfahrung bringen können. Es war wie Tressa damals, bei der Versammlung, gesagt hatte. Wir hatten tatsächlich äußerst wertvolle Informationen erhalten.

Ich war so tief in Gedanken versunken, dass ich beinahe mit Tressas Rücken kollidiert wäre. Sie war ganz plötzlich stehen geblieben.

„Tressa?" sprach ich sie fragend an, aber sie hob ihre Hand in einem Zeichen, dass wir leise sein sollten.

Ich schloss meinen Mund und wartete ab. In der entstandenen Stille hörte ich etwas aus der Ferne. Ein Horn.

Mein Herz schlug plötzlich schneller. Wenn mich mein Gehör nicht täuschte, kam der tiefe Klang aus östlicher Richtung. Ein so lautes Horn, aus dieser Richtung, konnte nur eines bedeuten. Ein Angriff aufs Schloss.

„Es kommt vom Schloss", sagte Tressa, aber anstatt den Weg entlang zum Schloss zu eilen, drehte sie sich zu uns um, „hört gut zu, wir müssen uns sputen. Unsere Position, außerhalb des Geschehens, können wir gut zu unserem Vorteil nutzen."

Die Soldaten nickten stramm und Tressa fuhr fort.

„Dank der einzigen Straße, wissen wir, dass die Angreifer von vorne ins Schloss stürmen sollten. Wir schleichen uns von hinten an. Je nachdem welche Waffen unsere Gegner verwenden und wie viele es sind, können wir sie dann entweder ungesehen sabotieren, oder sie an zwei Fronten kämpfen lassen. So oder so werden wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite haben."

Die Soldaten nickten erneut.

„Prinzessin, wisst Ihr, wo sich der nächstgelegene Tunnelausgang befindet?" fragte sie mich.

Nun war ich an der Reihe zu nicken.

„Gut, nehmt die Tunnel zurück ins Schloss. Reno sollte die Kampfunfähigen dort hinunterführen. Cait", sagte Tressa, während sie sich zu ihr wandte, „begleite die Prinzessin, bis sie in Sicherheit ist, dann finde den König und erzähle ihm, von unserem Vorhaben."

Cait nickte nochmals und stellte sich neben mich.

Nun, da unsere Aufgaben klar verteilt waren, trennten wir uns.

Ich führte Cait in schnellen Schritten durch den Wald, bis wir den nördlichen Tunnelausgang erreichten. Schnell stiegen wir die Leiter hinunter.

„Ich wusste überhaupt nicht, dass solche Tunnel, unter dem Schloss, existieren", staunte Cait, während wir den kühlen, dunklen Gang entlangeilten.

„Ja, das liegt daran, dass nur wenigen Personen, dieses Wissen anvertraut wurde."

Meine Gedanken waren überall gleichzeitig. Maera war immer ein friedliches Königreich gewesen. Wir hatten ein gutes Verhältnis mit dem Nachbarkönigreich Todar, im Süden. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie hinter dem Angriff stecken könnten. Doch wer könnte es sonst sein? Wer wäre unverfroren genug, um ein Schloss anzugreifen?

Ich hoffte stark, dass alle wohlauf waren. Mein Vater, Reno, sogar Barl, der wahrscheinlich an erster Front kämpfen würde.

Genauso sehr hoffte ich, dass Tressas Plan funktionieren würde.

Der Strom des Lebens I [Gespaltene Welten]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt