21. Zu dritt auf dem Mond

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Es ist mitten in der Nacht, ich sitze im Tempel von Lilvani und warte. Bisher ist niemand aufgetaucht, also betrachte ich den Tempel. Er war wohl mal richtig ehrfürchtig, und das ist er noch, aber viele Teile an seinen steinernen Bögen und Toren sind zerbrochen. Es gibt ein paar Statuen von nackten Frauen, viele davon liegen ebenfalls zerbrochen am Boden. Ich sitze auf dem Geröll am Abgrund des Tempels, hier geht es Meterweit in die Tiefe.

Was zum Teufel will O'Dimm hier?

Der große Mond über mir wirft genug Licht hinab um Olgierd zu erkennen, als er in einem Torbogen erscheint.

„Seltsame Ortswahl," meint er und sieht zu mir herab,"es gibt wohl einen Grund dafür?"

Ich weiß jetzt, dass das Lächeln, das er mir zuwendet nicht echt ist. Er will, dass es echt ist, aber seine fehlenden Emotionen lassen das nicht zu. Ich lächele trotzdem zurück.

Jetzt, da er hier ist, kann ich ihn vielleicht noch in meinen Plan einweihen. Von O'Dimm jedenfalls fehlt noch jede Spur.

Olgierd kommt die Treppe zu dem Plateau heruntergeschlendert, die Hand stolz auf dem Schwertknauf, der Wind weht durch sein Haar.

„Es war nicht meine Wahl," erkläre ich ihm.

„Das dachte ich mir."

Jetzt, wo ich die verschiedenen Abschnitte seiner Vergangenheit kenne, sehe ich ihn in einem anderen Licht. Olgierd hat zwar unsagbares Pech gehabt und hat irgendwie versucht, alles wieder einzurenken, aber ich weiß auch, dass er ein aufmerksamer, liebenswürdiger Kerl ist. Ich schätze, alles was er sich wünscht, ist diesen Pakt mit O'Dimm beenden zu können.

Er hat viel riskiert und viel verloren, viel getan und mit dem Feuer gespielt. Letzteres im wahrsten Sinne, aber weder der Hausbrand des von Everec-Anwesens noch der des Letzten waren Absicht. Er wusste sich nur nicht zu helfen. Er wusste, wenn die drei Wünsche erst einmal erfüllt sind, dann ist das sein Ende. Es musste einen anderen Weg geben. Einen, bei dem er überlebt.

Olgierd kommt nun langsam auf mich zu und sieht so aus, als hätte er mit seinem Leben abgeschlossen. Er weiß, dass er bald sterben wird.

Er hat die lila Rose noch nicht gesehen, doch er weiß auch so, dass ich sie dabei habe. Olgierd hat erkannt, dass es für Hexer fast nichts gibt, was sie nicht schaffen können. Was er nicht weiß ist, dass ich erkannt habe, dass er in hoher Gefahr schwebt und dass ich vorhabe ihn zu retten.

Ich will Olgierd gerade in meinen Plan einweihen, da fragt er:"Hast du etwas für mich?"

„Ja. Ich habe den dritten Wunsch erfüllt."

Ich muss das mit der Rose schnell über die Bühne bringen, bevor O'Dimm hier auftaucht. Rasch öffne ich meine Tasche und hole die lila Rose hervor, halte sie ihm hin. Er nimmt sie nicht.

Stattdessen fragt er skeptisch:"Woher soll ich wissen, dass dies die echte Rose ist? Du könntest sie heute erst auf dem Oxenfurter Markt gekauft haben."

Ich weiß, warum er von diesem zarten Pflänzchen der Freundschaft, das in jener Nacht zwischen uns erblüht ist, nichts mehr erkennt. Es ist der gleiche Grund, warum er Iris nicht mehr lieben konnte. Das Herz aus Stein.

Ich nehme es ihm nicht übel, dass er mir seine kalte Seite zeigt, er kann nichts dafür. Ich werde ihm helfen.

Doch dann nimmt Olgierd die Rose doch und hält sie ganz vorsichtig in einer Hand. Die andere hält er unter die Blütenblätter der Rose, als könnte sie jeden Augenblick zu Staub zerfallen. Als wollte er dieses zarte Pflänzchen mit allem was er hat beschützen.

Die Seelen der HexerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt