Wenn es etwas in der gottverdammten Welt gibt, dass ich liebe, dann ist das Ciri. Alles um mich herum scheint zu verfallen, zu vermodern, zu zerbrechen. Monster aller Art jage ich von früh bis spät, und wozu? Um Leute zu beschützen, die mir Beleidigungen hinterherrufen, in ausgefeiltesten und kreativsten Formen. „Seht mal, er hat zwei Schwerter auf dem Rücken. Ob er auch zwei Schwänze hat?", „Grauhaariges Monster", „Teufelsbrut", „Abschaum".
Ich hasse das, und es fällt mir nicht immer leicht, es zu ignorieren.
Aber es gibt einen Ort, an den ich mich gern zurückziehe. Mein Gut Corvo Bianco in Toussaint, das die gnädige Herrin mir gab, das ist wirklich ein herrlicher Ort. Toussaint ist zwar bevölkert von Leuten die sich so bunt und schrill kleiden das mir davon die Augen schmerzen und sich ausdrücken, als seien sie schon mit Stock im Arsch auf die Welt gekommen, aber was soll's. Auf meinem Gut laufen sowieso nur ein paar Angestellte herum, die weitestgehend schweigend ihrer Arbeit nachgehen.
Barnabas-Basilius kümmert sich um die meisten Angelegenheiten hier, ich schaue nur ab und zu mal vorbei, wenn ich eine Auszeit von der Monsterjagd brauche und Lust auf guten Wein aus eigener Herstellung habe. Barnabas-Basilius fragt mich manchmal, ob wir etwas Geld in das Gut investieren sollen, ich stimme immer zu. Umso schöner es hier ist, desto wohler fühle ich mich. Jedes Mal, wenn ich zurückkehre ist wieder etwas anderes neu, und das freut mich dann ungemein. Im Garten sowieso, da wechseln die Blumen dauernd.
Mal ist eine Wand neu verputzt, Plötzes Stall grundgereinigt, die Weinreben sind höher und voll behangen mit Trauben, mein Haus wird aufgewertet, was die Möbel und Dekorationen angeht. Letzte Woche wurde sogar ein kleines Gewächshaus errichtet. Herrlich.
Langsam lasse ich den Wein in meinem Glas kreisen, während ich auf einem hölzernen Gartenstuhl den Sonnenuntergang betrachte. Vor mir erstreckt sich Toussaints Gebirge, das sanft von den letzten lieblichen Sonnenstrahlen beschienen wird. Wie ein Fluss aus Gold, der sich über das Gestein zieht, und ich seufze träumerisch. Wie gerne hätte ich Yennefer hier, oder Ciri. Ich vermisse ihren Duft von Flieder und Stachelbeeren immerzu, und Ciri...ich wünsche mir, dass es ihr gut geht. Dass sie in Sicherheit ist. Das Gemetzel mit der Wilden Jagd ist längst vorbei, doch ich habe immerzu Angst um sie.
Ich hätte beide gern hier, aber so leicht lässt sich das wohl nicht machen. Es ist ein Traum, den ich nur träumen kann. Ihn in die Tat umzusetzen ist nicht möglich.
Mal abgesehen davon, dass ich selbst ständig auf Reisen und selten hier bin, Yen und Ciri ergeht es genauso. Dieses Gut ist nur dazu da, damit ich etwas entspannen kann.
Als die Sonne verschwunden ist, wird es schnell dunkel. Meine Augen finden sich auch im Dunkeln sehr gut zurecht, trotzdem gehe ich rein. Ich hatte einen langen Tag und bin müde. Heute morgen habe ich einen Brief von Yen erhalten, in dem sie von einem Professor Moreaus schreibt, der die Mutationen der Hexer genauer erforscht hat. Auf der Suche nach seinem Grab habe ich den ganzen Friedhof von Beauclair abgesucht und schließlich nur eine geplünderte letzte Ruhestätte des Professors vorgefunden. Die anschließende Suche nach seinem Labor im See war gezeichnet von Ertrunkenen-Angriffen, doch schließlich habe ich es gefunden. Allerdings führte es direkt auf ein Portal zu. Ich hasse Portale. Das spare ich mir für morgen auf.
Als ich in meinem Bett liege, schwirren meine Gedanken ab. Oft denke ich an Aufträge, die ich erledigt habe. An Reisen zu Pferd durch Velens Wald, an Novigrads dunkle, dreckige Gassen, aber auch an Reisen in Skellige, wo ich mit Booten von Insel zu Insel geschippert bin und Riesen, Werwölfe und Harpyien erledigt habe. Harpyien ohne Ende. Und Sirenen. Ihr Geschrei verfolgt mich im Schlaf.
Aber heute muss ich an Kaer Morhen denken. Ob Lambert und Eskel noch da sind? Oder ob sie weitergezogen sind? Und wo ist Ciri wohl gerade?
Ein kleines Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht, als ich an die kleine zehnjährige Ciri denke, die ich mit nach Kaer Morhen gebracht habe. Ciri ist zwar nicht meine leibliche Tochter, aber manchmal und immer öfter fühlt es sich an, als sei sie es doch. Eigentlich ist sie die Tochter von diesem nervigen Emreis, der Kaiser. Doch als Vater hat Ciri ihn nie angesehen. Wenn jemand sie fragte, wer ihr Vater sei, dann würde sie sicherlich sagen: Geralt von Riva, der weiße Wolf.
Ciri dagegen ist nicht einfach nur ein Mädchen. Der Kräuterprobe haben wir sie damals nicht unterzogen, schon allein aus dem Grund, weil der alte Vesemir keine neuen Hexer mehr züchten wollte. Die restliche Truppe wollte Ciri das nicht antun, weil uns allen klar war, wie schrecklich es ist und auch keiner wusste, ob sie es überlebt. Ciri ist die Herrin von Zeit und Raum, so wie Avallac'h sie nannte.
Ciri ist eine Quelle, und verfügt über magische Fähigkeiten. Niemand weiß, ob diese Fähigkeiten sie während einer Kräuterprobe vor dem Tod bewahren würde oder nicht. Um Ciris Willen haben wir es gelassen. Ein Mädchen in Kaer Morhen zu trainieren war sowieso ungewöhnlich. Bisher gab es dort immer nur Jungen. Und das über einen sehr langen Zeitraum. Ciri war das erste und letzte Mädchen, dass in dem alten Gemäuer jemals unterwiesen wurde.
Ihr Training war anstrengend, nahezu aufzehrend, doch wir hatten auch Spaß zusammen. Ich vermisse dieses kleine süße Mädchen sehr, das mit ihrem aschblonden Haar so viel mehr mir gleicht als Emreis. Gerne würde ich das kleine Mädchen von damals noch einmal in die Arme schließen. Ich habe Angst davor, dass sie älter wird. Sie ist keine Hexerin, sie altert ganz normal, nicht so wie wir Hexer, die uralt werden. Während mein Aussehen sich kaum ändern wird in den nächsten Jahren, wird Ciri immer älter werden und eines Tages sterben. Davor habe ich Angst.
Über Hexer wird oft gesagt, dass sie durch die Kräuterprobe zwar übermenschliche Fähigkeiten erlangen, aber dafür im Gegenzug ihre Gefühle hergeben. Ich weiß nicht, ob das wirklich so ist. Zwar bin ich einer der wenigen Hexer, die es geschafft haben, sich ziemlich vielen Mutationen zu unterziehen, aber ob ich deswegen keine Gefühle mehr habe, kann ich nicht sagen. Natürlich könnte es sein. Vielleicht waren es zu viele Mutationen, selbst mein Haar ist ausgeblichen und weiß wie Papier, aber was hat es mit meinem Inneren gemacht? Habe ich Gefühle? Eine Seele?
Das will ich heute auf die Probe stellen. Professor Moreaus Labor habe ich schnell in dem See wiedergefunden, es wird Zeit, mehr über ihn herauszufinden. Ich denke, Yen wird das auch interessieren.
Ich breche früh morgens auf, um den ätzenden Leuten auf der Straße zu entgehen. Hier rufen sie mir zwar keine Beleidigungen hinterher so wie in Velen oder Novigrad, aber diese bunten Kleider sind einfach zu viel des Guten.
Zum See ist es nicht weit, ich laufe ein paar Hügel hinauf und hinab, an Weinrebenfeldern vorbei, an denen noch der Morgentau in der aufgehenden Sonne glitzert. Noch bevor ich den See sehen kann, höre ich die Ertrunkenen , die sich dort wieder herumtreiben und nur darauf warten, dass irgendjemand dumm genug ist, sich hierher zu verirren und zerfleischen zu lassen.
Kurzerhand zücke ich mein Wolfssilberschwert und zerteile sie nach Herzenslust. Wirbelnde, präzise Angriffe hacken den Monstern Arme oder Beine ab, sodass sie winselnd am Boden verrecken. Das dunkle Monsterblut tränkt den Sand des Ufers. Als auch der letzte Ertrunkene mit einem sauberen Schnitt quer durch den Rumpf zerteilt ist, wische ich das dampfende Blut von meinem Schwert ab und stecke es zurück in die Scheide auf meinem Rücken, gleich neben dem Wolfsstahlschwert.
Nachdenklich kratze ich mir dann den Bart. In der Nähe muss ein Nest sein, und es ist nahe an der Stadt. Vielleicht sollte ich es zuerst zerstören, bevor noch mehr auftauchen.
Meine sensible Nase hat das Nest auch schnell gefunden, mit einer effektiven Bombe jage ich es in die Luft. Die gute Tat des Tages. Keiner wird mir dafür danken, aber das ist mein Job.
Dann wate ich in den See hinein, das Labor des Professors finde ich in der Dunkelheit schnell, da dass Portal, durch das ich dort unten muss, leuchtet.
Widerwillig schwimme ich durch das Portal, und mir dreht sich direkt der Magen um. Einen Hexer kann nicht viel aus der Bahn werfen, mich schon gar nicht, aber Portale schon. Wie macht Yennefer das? Und Triss und Keira? Sobald ich hindurch bin, lande ich in einer steinernen Halle. Es ist staubig und dreckig, und ich muss mich kurz an die Wand lehnen, warten, bis mein Magen sich wieder beruhigt hat.
„Verdammte Portale", fluche ich und laufe dann los.
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Die Seelen der Hexer
FanficSeit der Kampf mit der Wilden Jagd vorbei ist, zweifelt Geralt immer öfter daran, dass Ciri wirklich in Sicherheit ist. Ängste weichen dem Gefühl, endlich sei alles gut für alle Beteiligten. Der Hexer macht sich auf um stärker zu werden, noch mehr a...