28. Echo der Vergangenheit

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(Olgierds Sicht)

Was soll ich sagen...ich bin zu meinem alten Anwesen aufgebrochen. Der gestrige Tag war der Verrückteste meines Lebens. Zumindest bis jetzt, wer weiß was Ciri noch alles auf Lager hat, wie oft sie Geralt und mich noch überraschen wird mit spontanen Besuchen aus der Zukunft. Sie kann immer und überall sein.

In der Nacht hatte ich Albträume. Ich sah meinen eigenen Tod und Gesichter von Leuten, die ich liebe, Hände, die nach mir greifen wollten um mich zu retten, bevor ich in einem tiefen, dunklen Schlund verschwinde, doch sie haben mich nicht erreicht.

Heute will ich mich irgendwie ablenken. Geralt schläft sowieso noch den größten Teil des Tages, neutralisiert weiterhin das Gift in seinen Venen. Das braucht wohl noch ein wenig Zeit. Die soll er bekommen. So viel er braucht.

Auf Anraten der zukünftigen Ciri nehme ich auch ein gutes Schwert mit. Wer weiß, was mich auf dem Anwesen erwartet.

Wie angekündigt erscheint auch dieser Avallac'h in der Praxis und nimmt Ciri für zwei Tage mit sich. Sie hat gemurrt und meinte, sie hätte keine Lust, aber dieser Avallac'h ist wohl ein strenger Lehrer. Jemand sollte ihm Alkohol in seinen Tee mischen, damit er mal ein bisschen lockerer wird. Mit so einem Stock im Arsch wollte ich nicht leben. Aber er kann Ciri wohl helfen, also habe ich nichts gesagt.

Das Anwesen sieht scheiße aus. Richtig scheiße. In weiser Voraussicht habe ich einen Flachmann mitgenommen, bis zum Rand gefüllt mit starkem Fusel. Geralt würde wohl nicht einmal mit der Wimper zucken, tränke er ihn, mir dreht sich immer fast der Magen um. Aber er ist gut, der gewünschte Effekt tritt schnell ein. Außerdem tut es gut, nach all der Zeit mir einem steinernen Herz mal wieder etwas echtes zu schmecken.

Geralt erzählte mir, dass Iris' größte Angst war, dass ich hierher zurückkehre. Ich weiß eigentlich nicht, was ich hier will. Dieser Ort ruft eigentlich nur schlimme Erinnerungen hervor, auf die ich genauso gut verzichten kann, aber vielleicht bin ich Iris eine Entschuldigung schuldig. Vielleicht bin ich auch hier, um mit mir selbst Frieden zu schließen. Oder es zumindest zu versuchen.

Lange Zeit war ich nicht mehr hier, es ist eine gefühlte Ewigkeit her. Alles ist dreckig, verbrannt und sieht aus, als würde es gleich in sich zusammenbrechen. Ich wende den Blick vom bröckelndem Haus ab.

Geralt meinte, er hätte Iris nahe des Pavillons begraben, und dem ist tatsächlich auch so, ich finde ihr Grab schnell und setze mich einfach im Schneidersitz davor.

„Ach, Iris...,"seufze ich nach einer Weile.

Es tut gut, wieder ein Herz zu haben, auch wenn es momentan fühlt, wie viel ich wirklich verloren habe. Es fühlt so viel Trauer und Niederlage, dass ich mich fast fühle wie die Mohnblumen auf Iris' Grab, denn sie verwelken bereits. Daneben liegt ihr Skizzenbuch, ich schlage es auf und werfe einen Blick hinein.

Sie hatte immer einen Sinn für Details in ihren Zeichnungen. Es steht außer Frage, was sie am liebsten gezeichnet hat: Meine Visage.

Aber sie hat sie perfekt getroffen. Im echten Leben gucke ich wahrscheinlich den ganzen Tag nur mürrisch drein, aber Iris hat gewisse Feinheiten beobachtet. Sei es eine einzelne Haarsträhne, die mir ins Gesicht fällt, ein kleines, fröhliches Lächeln während ich das Kinn auf die Faust gestützt irgendwo sitze, oder ein leicht geöffneter Mund, sinnlicher Blick...und auf der letzten Seite ist ein Kuss. Sie hat es geschafft, ohne Vorlage einen sinnlichen Kuss von uns beiden aufs Papier zu bannen.

„Diese Zeichnungen sind wirklich die allerbesten auf der ganzen Welt, Liebes..."seufze ich und lege das Buch zurück.

„Weißt du, ich habe das alles für dich getan. Es tut mir so leid, Geheimnisse vor dir gehabt zu haben. Es tut mir so unendlich leid...hätte ich nur geahnt wie es enden würde..."

Die Seelen der HexerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt