3. Der rätselhafte Auftrag

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Am Morgen darauf, als ich mich aus dem Bett hieve wie ein alter Mann, fühle ich zuerst nichts Neues. Hat die Prozedur wirklich nichts gebracht als Kopfschmerzen? Auch Barnabas-Basilius sieht mit zweifelnd an, als ich das Schlafzimmer meines Hauses auf Corvo Bianco verlasse. Er ist natürlich schon auf den Beinen, wie immer, als würde er gar nicht schlafen.

„Herr, fühlt Ihr Euch nicht gut?"

Ich winke ab. „Alles bestens."

Draußen sattele ich Plötze. Ich schätze mal, es wird Zeit, wieder abzureisen. Momentan gibt es nichts zu tun in der Gegend und ich sehne mich nach Yennefer. Die Reise nach Novigrad dauert eine Weile, aber ich weiß, wo sie zu finden ist.

Später, als ich durch Toussaints blühenden Wald reite, da greifen mich ein paar Banditen an. Ich schwinge mich vom Pferd und ziehe das Stahlschwert. Diese Typen sind echt lästig.

„Ein Hexer!" ruft jemand und rennt schon mit erhobener Waffe auf mich zu, einige weitere folgen ihm. „Tötet ihn!"

Was als Nächstes geschieht, passiert etwas zu schnell für mein Gehirn, das zwar schon übermenschlich arbeitet, doch das ist...unglaublich. Mit unwirklicher Geschwindigkeit jage ich auf die Banditen zu, die wohl auch recht überrascht von meinem plötzlichen Losstürmen sind und erschrocken die Augen aufreißen, aber viel weiter kommen sie gar nicht. Den ersten köpfe ich, und es passiert zu schnell, als dass ich es wirklich wahrnehme. Auch der ausführende Schlag...ist kräftig. Kräftiger als sonst, und ich kann schon behaupten, kein Schwächling zu sein. Aber das...als gäbe es für mein Schwert gar keinen Widerstand, den es zu durchtrennen gibt.

Also hat die Prozedur in der eisernen Jungfrau doch etwas gebracht. Und ich dachte schon, mein Hexerdasein würde bald enden. Als hätte der Professor mich doch geheilt. Aber er sprach in seinen Notizen nicht von Erfolg. Sein Sohn wurde nur stärker, und das bin ich nun wohl auch.

Wie in einem Rausch schlachte ich die Banditen ab, die viel zu langsam sind. In den Augen eines normalen Menschen würden sie sich wohl auch in einer normalen Geschwindigkeit bewegen, doch für mich sind sie langsam wie Schildkröten. Das Blut spritzt, als ich das Schwert schwinge und Körperteile durch die Luft wirbeln. Schreie zerreißen die friedliche Stille des Waldes, viel Blut tränkt den Boden.

„Monster! Du Monster!!" schreit ein Bandit, der am Boden liegt. Ich habe ihm, ohne ihn bewusst wahrzunehmen, die Beine abgesäbelt als seien sie aus Butter. Er winselt und schreit, er verflucht mich derbe.

Der Kampf ist längst vorbei, er hat nur wenige Sekunden lang angedauert. Er ist der Letzte von ihnen, der lebt.

„Fahr zur Hölle, du dreckiger Bastard!!" brüllt er und windet sich. Er sieht mich nicht kommen, als ich ihm das Schwert zwischen die Augen in den Kopf ramme. Ich bin zu schnell. Er ist sofort tot. Vielleicht bin ich ein Monster, aber kein Folterer. Zumindest nicht, wenn es sich vermeiden lässt.

Nachdem ich die Taschen der Banditen durchsucht und einiges an Geld an mich genommen habe, steige ich wieder auf Plötze auf und verschwinde.

Auch wenn es für den Professor ein Misserfolg war, ich danke ihm im Stillen.

Meine Kraft hat sich gesteigert, ich habe schon früher ziemlich viele Mutationen überstanden, warum nicht auch diese? Mir kommt es oftmals vor, als sei mein Körper unverwüstlich. Jeder Hexer, der mehr als vier oder fünf Mutationen durchgemacht hat raffte es irgendwann dahin. Der alte Vesemir hat sich früher, als ich noch jung war oft über mich gewundert, doch er war auch von Stolz erfüllt. Nie gab es einen Hexer, der so stark war wie ich. Nach der eisernen Jungfrau des Professors wohl wirklich nicht.

Auf meinen Reisen zwischen den Städten habe ich viel Zeit zum Nachdenken. Das muss nicht immer unbedingt etwas positives sein, es gibt genug Bilder in meinem Kopf, die ich auch gern wieder vergessen würde, aber heute verfolgen sie mich nicht.

Ich denke an die schönen Stunden mit Yennefer, ihre veilchenblauen Augen, der Duft von Flieder und Stachelbeere, der sie immerzu umgibt und meine feine Hexernase betört, und ihr seidiges schwarzes Haar. Vom Rest ihres wundervollen Körpers ganz zu schweigen. Ich gebe Plötze die Sporen und jage durch den Wald.

Unweit von Novigrad entfernt gibt es eine Kaserne, vor der es ein Anschlagsbrett gibt. Hier habe ich schon den ein oder anderen interessanten Auftrag gefunden. Die Leute in dieser Gegend zahlen sowieso gut für das Entfernen von Monstern. Oftmals haben jene Monster einen geliebten Menschen entführt oder gar sofort zerfleischt, oder die Leute sind auf eine Bedrohung im Wald aufmerksam geworden. Es ist eigentlich nie etwas Neuartiges dabei, darum nehme ich die neuen Hilferufe in Briefform einfach und stecke sie ein.

Aus den Leuten bin ich generell nie schlau geworden. Sie rufen mir Beleidigungen aller Art hinterher und verachten und meiden mich aufs ärgste, doch wenn ein Monster in der Nähe sie terrorisiert, dann werden sie auf einmal alle ganz klein und winseln um Hilfe bei mir. Das Volk ist nicht sonderlich stolz darauf, das Hexer unter ihnen wandeln, auch wenn es nur noch sehr, sehr wenige sind. Sie sind sich wohl darüber im Klaren, dass sie ohne die Hexer praktisch tot sind. Das Land ist gebeutelt von Monstern aller Art, nur Hexer kommen gegen sie an. Trotzdem verachten sie uns. Ich werde einfach nicht schlau draus.

Novigrads hohe Türme sind schon zu sehen, ich steuere darauf zu, während ich ein paar der neuen Aufträge lese. Mal wieder nichts besonderes dabei. Eine Mittagserscheinung, ein paar tollwütige Wölfe, ein Troll.

Und...was? Normalerweise kann ich aus den Beschreibungen der Menschen immer recht schnell schließen, um was für eine Art Monster es sich denn handelt, aber der letzte Auftrag...

Ein Monster. Es handelt sich um ein Monster. So viel ist klar, aber es wird als grün und schleimig beschrieben und soll in Oxenfurts Kanalisation leben. Viele junge Frauen seien hinabgestiegen um ihm zu helfen und seien dabei gestorben. Warum sollten sie dem Monster helfen wollen? Ob es ein Fluch ist? Und was für ein Monster soll das sein? Nie von so einer Art gehört. Das sehe ich mir auf jeden Fall genauer an. Die Unterschrift des Briefes gehört einem gewissen Olgierd von Everec. Den werde ich wohl mal aufsuchen müssen. Ich brauche mehr Informationen.

Die Seelen der HexerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt