Vierte Woche - sechster Tag

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Er war die ganze Nacht über gegangen. Er wusste weder wohin er ging, noch wie lange, er wusste nur dass er weiter gehen musste. Am liebsten wäre er geflohen, irgendwohin wo ihn niemand kannte, wo er von vorne beginnen durfte. Doch das war ihm unmöglich und so ging er einfach weiter gerade aus, solange bis die Nacht zum Tag wurde und die Sonne seine Haut erwärmte. 

Ich bin dir egal nicht wahr? Ich bin nur gut genug für die Aussage und danach, wärst du gegangen. Denn dann brauchst du mich nicht mehr, hab ich recht? Ihre Worte flogen immer wieder durch seinen Kopf und ließen ihn einfach nicht zur Ruhe kommen. Sie hatte recht, sie hatte mit allem recht was sie gesagt hat, denn genau das war sein Plan gewesen. Doch es aus ihrem Mund zu hören klang so falsch. 

Frustriert raufte er sich die Haare. Sie sah so enttäuscht aus, so verletzt. Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen und ihr gesagt dass es nicht so ist, doch das wäre gelogen gewesen. Und er konnte sie nicht länger anlügen. Was war denn nur los mit ihm? Er hätte es beinahe geschafft, er war schon so weit und hatte sie auf seiner Seite. Sie hätte bestimmt für ihn ausgesagt, ihn aus dieser aussichtslosen Situation rausgeholt und ihm die Freiheit geschenkt. Und was tat er? Er machte in letzter Sekunde alles zu nichte. 

Er hätte einfach bei ihr bleiben sollen, die Zweifel die plötzlich seinen Kopf durchfluteten einfach ignorieren sollen. Dann wäre er morgen mit einem Grinsen aus dem Gerichtssaal gegangen. Doch nun war es zu spät. Er hatte zugelassen dass ihn ein schlechtes Gewissen durchströmt, dass er an seinen eigenen Idealen Bedenken hegte und sich plötzlich nicht mehr sicher war, ob das alles so richtig ist. 

Warum hatte er nie hinterfragt was ihm gesagt wurde? Warum hatte er nie darüber nachgedacht ob das was die Todesser taten, was er getan hat, richtig war? Aus welchen Gründen sie es taten? Er hatte einfach nur den Anweisungen seines Vaters und die des dunklen Lords, blinde Gefolgschaft geleistet. Ohne selbst zu denken. Außer in diesem einen Moment, damals im Badezimmer kurz bevor er auf Potter traf. 

Nun fühlte er sich genauso, als hätte die Welt plötzlich keinen Platz mehr für ihn. Als würden meterhohe Mauern um ihn herum gebaut werden, ohne eine Aussicht für ihn zu entkommen. Er fühlte sich beengt, verwirrt und allein. Damals hatte er diesen Ausbruch als einen Akt kalter Füße abgetan, als die schändliche Angst eines Feiglings, doch nun wurde ihm bewusst dass der Teil in ihm, der nicht nur blinden Gehorsam leistete, versucht hatte sich zu befreien.

Ich bin dir egal nicht wahr? Ich bin nur gut genug für die Aussage und danach, wärst du gegangen. Denn dann brauchst du mich nicht mehr, hab ich recht? Ihre Worte hallten in Dauerschleife in ihm nach. Ja verdammt sie hatte recht, aber irgendwie auch nicht. Es war ihm vielleicht nicht klar gewesen aber er hätte sie nicht verlassen. Er sah es nun ganz deutlich vor sich. Sie hatte etwas in ihm erreicht dass vorher noch niemand geschafft hatte. Sie hatte sein eisiges Herz zum schmelzen gebracht, doch er hatte sie skrupellos verletzt. 

Er hatte sie belogen, sie betrogen und ihr etwas vorgespielt. Sie war zu gut für all das, zu gut für jemanden wie ihn. Er hatte sie nie verdient und tief in seinem Inneren hatte er das immer gewusst. Er hasste sich dafür dass er ihr weh getan hatte und ihm fiel nur ein einziger Weg ein, das alles wieder gut zu machen. Die Wahrheit. 

Alles in ihm sträubte sich dagegen, denn wenn sie erst einmal wüsste wer er wirklich war, würde sie ihn ohne mit der Wimper zu zucken nach Askaban einliefern. Doch der Drang ihren Schmerz vielleicht wenigstens etwas von ihr nehmen zu können war stärker. Sie sollte ihn hassen, damit sie ihn vergessen konnte. Und mit diesen Gedanken machte er sich auf zu ihrer Wohnung. 

***

Ausdruckslos sah er zu dem Fenster hinauf aus dem sie damals zu ihm herunter geschaut hatte. Es schien als lägen Jahre zwischen damals und heute. Wo war denn plötzlich nur der Teil in ihm hin dem alles egal war? Warum hatte er auf einmal das Bedürfnis das Richtige zu tun? Und warum brachte er es einfach nicht über sich bei ihr zu klingeln? 

Dramione - Save meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt