Tag.1 - Das erste Treffen

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Wade:
Der Wecker klingelte unglaublich laut an meinem rechten Ohr und ich drehte mich stöhnend in meinem Bett um. Halb sechs. Ich kniff meine Augen zusammen und verfluchte innerlich Mrs. Henrys dafür, dass sie mir dieses Praktikum aufgezwungen hatte.

Ich schlug auf meinen Wecker und er verstummte augenblicklich. Ahhhh Ruhe. Und fast wäre ich wieder eingeschlafen, wär da nicht mein toller Zimmergenosse Sebastian, der, warum auch immer, jeden Tag schon um 5 Uhr auftand (Ich mein, jetzt mal ernsthaft; 5 UHR???). Dieser rief viel zu laut:" Aufwachen Wade. Heute ist diese Praktikumssache, da musst du jetzt auf stehen."
War da Schadenfreude in seiner Stimme? Ja, ich denke schon. Idiot!

Ich meckerte den ganzen Weg vom Badezimmer zurück zum Bett, von da aus weiter zum Kleiderschrank und dann auf den Weg die Treppe runter zum Essenssaal vor mich hin. Ich lebte im Waisenhaus. Das Blöde: wenn man wie ich erst um 11 Uhr aufsteht, ist das ganze leckere Essen, wie Rührei und Pfannkuchen, schon weg und man ist zu früh zum Mittagessen. Sad Life.

Na ja, immerhin hatte ich jetzt allesmögliche zur Auswa- .... ne oder. Ich hätte mein Tablett fast auf den Boden geworfen.
"Es gibt keine Pfannkuchen?", rief ich empört. Seb schüttelte den Kopf.
"Ne, dafür sind wir zu früh."
"Ok, hab ich das richtig verstanden: du stehst um 5 Uhr auf. Jeden Tag. Und nicht weil du das beste Essen haben willst, sondern nur um dich von Haferbrei zu ernähren?"
Ich deutete auf die große Schüssel, die verlassen auf dem Tisch stand.
"Kann es sein, dass du dumm bist?", fragte ich meinen besten, und um ehrlich zu sein auch einzigen Freund ernst. Dieser lachte mich bloß aus. "Na ja also erstens hasse ich Menschen, vor allem kleine Kinder, die sich wie die aller krassesten Gangster fühlen und von denen gibt es hier definitiv zu viele. Und zweitens kriegt man da mehr an einem Tag geschafft."
Ich legte ihm meine Hand auf die Stirn.
"Hast du Fieber? Deswegen steht man doch nicht um 5 Uhr auf! Ist das der Schlafmangel oder der Wahnsinn, der da aus dir spricht, mein lieber Sebastian?", fragte ich mit besorgter Stimme.

"Von Beidem etwas, vermute ich", sagte da eine sanfte Stimme.
"Hallo Mrs. Henrys", sagte Seb mit vollem Mund. Er hatte sich bereits einen Löffel Brei in den Mund geschoben.
"Hi. Also Mrs. Henrys. Ich hab ein ernstes Wörtchen mit Ihnen zu reden. Es gibt keine Pfannkuchen! Und auch kein Rührei", klärte ich sie auf und tat so, als wäre ich tötlich beleidigt.
"Ja , die wären ja kalt, wenn die anderen Jungs und Mädels aufstehen würden.", meinte sie gut gelaunt. Dann kam ihr Mann, Mr. Henrys, durch die Tür und gab seiner Frau einen Kuss auf den Kopf.
"Na Jungs", sagte er , "wie geht's?" "Gut soweit. Es sind Sommerferien, also Alles cool. ", versicherte Seb.
"Es gibt kein Rührei", murmelte ich kopfschüttelnd. Mr. Henrys lachte und verabschiedete sich zur Arbeit.

Sommerferien. Ja geil, denkt ihr euch aber ehhhhhhhhh!!! Falsch. Wir sollten für die Schule über die Sommerferien ein Praktikum machen. So - ne - Kacke.
Und da ich eventuell vergessen hatte meine Bewerbung rechzeitig an ein Geschäft oder irgendwie so was abzuschicken, hat mir Mrs. Henrys ein Praktikum in einer Psychiatrie aufgehalst. Dort konnte ich noch rein, weil da eine ihrer Freundinnen namens Ms. Lift arbeitete und ja. Ich muss sagen, dass ich das garnicht mal so schlimm fand, mal abgesehen davon, dass ich mitten in der Nacht aufstehen musste. Außerdem fand ich Psychologie allgemein eigentlich voll interessant. Und es war auf jeden Fall 1000 mal besser, als in irgendeinem Supermarkt Dosenessen in eine perfekte Reihe zu stellen.

Während des Essens erzählte Seb, wie sehr er Menschen hasse und das er, nach seiner Theorie, unter einer ausgeprägten Form von Humanphobie litt. Ich hing noch immer über meiner zweiten Tasse Kaffe und hörte ihm nur müde bei seinem Monolog zu. "Ich schwöre du laberst so Ne scheiße morgens. Ich mach dieses Praktikum kein Tag länger als notwendig, echt jetzt."
Wie sehr ich mich irrte.

Wieder in unserem Zimmer ging ich schnell duschen, wobei der Blick in den Spiegel nicht erspart blieb. Mein ganzer Körper war nach einem... Unfall ziemlich zerstört. Ich hatte unheilbaren Krebs im Endstadium und na ja, das war halt die einzige Lösung gewesen. Die Einzigen die bei meinem aller ersten Anblick nicht zusammen gezuckt waren, waren Mr. Und Mrs. Henrys und Seb, weswegen ich die drei auch so gern hatte.

Um Punkt 7 machte ich mich auf den weg zum Praktikum. Mrs. Henrys bot mir an mich im Auto mit zu nehmen, weil sie eh einkaufen gehen müsse, aber ich lenhte dankend ab. Ich steckte mir Kopfhörer in die Ohren und machte die Musik auf laut.

Eine Viertelstunde zu früh kam ich vor der Anstalt an. Sie sah nicht so gruselig aus, wie sie in Filmen und Serien immer dar gestellt wird. Es war ein schönes, altes Gebäude mit vielen Wiesen und sogar einem Ausblick auf einen kleinen See. Alles in einem ganz nett.
Außer mir stand da noch ein Mädchen in meinem Alter. Sie kam zu mir und versuchte sich an Smalltalk. Aber da ich ehrlich gesagt keine große Lust hatte mich mit dem Mädchen, dass sich als Ash vorgestellt hatte, zu unterhalten , stellte ich mich nur kurz selber vor und sagte dann kaum noch etwas, sodass sie es irgendwann auf gab. Ash war nett, sie war von sich aus auf mich zu gekommen. Kein Wunder, dass sie ein Praktikumsplatz bekommen hatte.

Um acht Uhr wurden wir dann von Ms. Lift begrüßt. Sie war eine hochgewachsene Frau, mit kurzen Haaren und liebenswürdigem Gesicht. Sie führte uns in dem riesigen Gebäude umher und erzählte uns alles mögliche darüber. Dann begann sie von unseren Arbeitspflichten zu berichten.
"So das war die untere Etage und der Keller. Es geht noch zwei Stockwerke höher. Hier kommt mit.", erklärte sie uns. Zwei Stockwerke höher? Scheiße.

Nach gefühlten 3 Stunden und einem beinahe Asthma Anfall meinerseits (früher hätte ich einen bekommen, mittlerweile konnte ich keinen mehr kriegen), waren wir im dritten Stock angekommen. Dort waren nicht so viele Zimmer von Patienten wie im zweiten Stockwerk, dafür mehr Therapieräume und ein riesiger Gemeinschaftsraum. Ms. Lift sagte uns, dass wir hier ziemlich viel Zeit verbringen werden. Innerlich stöhnte ich laut auf. Zu weit oben.

Im Gemeinschaftsraum waren trotz der frühen Uhrzeit schon einige Patienten wach und saßen an Tischen. Einige redeten mit einander, Andere spielten Spiele mit den Pflegern. Restliche Mitarbeiter liefen immer wieder umher und schrieben auf Klemmbrettern herum.

Ms. Lift erzählte wieder irgendetwas, aber ich hörte ihr gar nicht zu. Mein Blick haftete an einem Jungen in der hintersten Ecke des Raumes, der alleine an einem Tisch am Fenster saß. Anders als die meisten anderen Patienten in dem Raum, trug er ein langärmliges Shirt. Er hatte weich aussehende, braune Haare, die etwas lockig waren.

Interessiert trat ich näher. Keine Ahnung, warum ich so von dem Jungen angezogen wurde. Als ich vor seinem Tisch angekommen war, löste er sein Blick vom Fenster und sah zu mir hoch. Mir blieb die Luft weg. So schöne Augen hatte ich noch nie gesehen. Sie waren in einem warmen Schokoladenbraun und man konnte die Pupille von weiter weg nicht vom Braun der Iris unterscheiden.
Ok, ich wusste schon länger, dass ich pan war, aber trotzdem ... das haute mich um.

"Hi, ich bin Wade.", stellte ich mich mit leiser Stimme vor. Keine Antwort. Der Junge sah mich einfach nur an, fast als würde er mich scannen. Dabei zog er immer wieder seine Ärmel weiter runter.
"Mr. Wilson!", rief da Ms. Lift und winkte mich wieder zu sich und Ash.
"Was haben Sie zu ihm gesagt?", fragte mich die Lift eindringlich.
"Ich hab mich nur vorgestellt", beruhigte ich sie.
"Er hat nicht geantwortet, oder?", wollte sie von mir wissen. Ich schüttelte den Kopf. Ms. Lift sah traurig zu dem Jungen, der auf seinen Schoß starrte. Ich sah sie fragend an. "Wer ist Das? Und was ist mit ihm los?"
"Sein Name ist Peter ... Peter Parker. Er spricht nicht mehr. Er..."
Sie seufzte.
"Er hat es nicht leicht im Leben. Sei bitte nett zu ihm."
Ich nickte nachdenklich. Peter. Schöner Name. Außerdem war er bei meinem Anblick nicht zusammen gezuckt. Ich mochte ihn.
Dann realisierte ich, was Ms. Lift soeben gesagt hatte.
"Hey", rief ich empört, " ich bin immer nett"
Ich wollte ihr hinterher laufen, aber zuvor wandte ich mich noch einmal zu Peter um. Unsere Blicke trafen sich und ich erkannte in seinen Augen Trauer und Verlust.
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What's up??
Sebastian bitte Englisch aussprechen. Danke.

◇xd

Alone  (Spideypool) [✔] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt