Tag. 33 - Nur Drei Stunden

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Wade:
Ich zitterte.

Wie war ich eigentlich hier her gekommen?
War ich gerannt?

Es regnete immer noch. Der Regen prasselte auf die Scheiben und das Dach und beruhigte mich auf eine komische Art und Weise.
Ich starrte aus den Fenstern der Einrichtung und wusste nicht weiter. Draußen war es dunkel - vielleicht würde gleich ein Gewitter über die Kleinstadt hinweg fegen.

Paradox. Das war mir als erstes eingefallen, als Peter mit seiner Erzählung fertig war und sich von mir weg gedreht hatte.
Ich konnte nicht akzeptieren, dass Peter, mein Peter, ein neunfacher Mörder sein sollte. Zwar indirekt, aber trotzdem ein Mörder.

Nein!

Ich rutschte die Wand hinab und verbarg mein Gesicht in meinen Händen. Ich verstand aufeinmal, warum er nicht aus der Anstalt wollte. Das war der einzige Grund, weshalb er noch nicht hinter Gittern saß.

Warum hatte ich davon nie gehört?
Wie konnte mir eine solche Tragödie entgehen?
Was sollte ich jetzt tun?

"Wade?"
Ich schreckte aus meinen dezent depressiv angehauchten Gedanken auf und hob meinen Kopf. Gerade hoch genug um die Beine von einer Frau zu erkennen, die ich gerade mal so gar nicht sehen wollte.
Ms. Lift ging vor mir in die Knie und legte mir vorsichtig eine Hand auf die Schulter.
Ich zuckte zusammen, obwohl ich ihre Bewegungen mit angesehen und realisiert hatte.
"Komm mit, Wade"
Ich wollte nicht. Ich wollte mich eigentlich gar nicht mehr bewegen.
Ich Schniefte, nickte aber trotzdem und wuchtete mich mit lautem Ächzen auf die Beine.
Ich folgte der Psychaterin ohne zu wissen, wohin sie mich bringen würde.

Wie sich herausstellte wurde ein staubiges, kleines Zimmer dazu auserkoren, als Ms. Lifts Not-Büro in der Anstalt zu dienen. Ich sah mich um und erwartete irgendwie gruselige Einmachgläser mit Körperteilen oder so was. Aber nichts. Nur ein wackliger  Schreibtisch mit Ordnern drauf und...
"Halleluja", rief ich erschrocken und stolperte einen Schritt zurück, als ich den Mann, der hinter dem Schreibtisch stand, realisierte.

Ich presste mir eine Hand auf die Brust.
"Wollen Sie, dass ich an einem Herzinfarkt sterbe, oder was?"
Ich schnaufte, bevor die Paranoia Alarm schlug. Ms. Lift hatte die Tür geschlossen und ich fühlte mich auf einmal extrem unbehaglich in dem Raum. Um mich abzulenken, betrachtete ich den Mann vor mir. Hätte ich das mal besser gelassen. Denn da erkannte ich ihn.
Es war der Mann mit den hohen Wangenknochen, der Arzt aus der Psychiatrie. Er sah mich aus dunklen, in tiefen Höhlen liegenden Augen an.  Kein Blinzeln. Kein Lächeln. Es war gruselig.
Er hatte seine Hände hinter seinem Rücken, was mich noch nervöser werden ließ. Mir fiel eine feine Brandnarbe an seinem Hals auf, die der schwarze Anzug nicht zu verbergen vermochte.

Mein Mund formte sich zu einem stillen Oh. Mein Blick wanderte zu der Frau neben mir, während ich die Augenbrauen hoch zog.
"Wade", sagte sie dumpf, "darf ich vorstellen? Doctor Strange. Peters derzeitiger Erziehungsberechtigter."
No joke, ich wäre in diesem Moment fast umgekippt.

Ich schwankte und blinzelte heftig, als müsste ich dringend aus einer Trance erwachen.
"W-was?", fragte ich.
Mir erschien auf einmal alles extrem unwirklich, wie in einem Fibertraum.

Der Mann, Doctor Strange (komischer Name, aber gut) lächelte nun doch, auch wenn es etwas gezwungen und für ihn unnatürlich aussah.
Er ging um den Tisch herum und hielt mir die Hand hin, die ich zögernd schüttelte.

"M-Ms. Lift... Ich blick da jetzt gerade irgendwie nicht mehr durch.", stotterte ich.
Sie nickte und deutete auf einen Stuhl, der vor dem Schreibtisch stand. Ich setzte mich.

"Wade... Weißt du wie das Gehirn funktioniert?"
Was war das denn bitte für eine Frage? Seh ich so aus, als hätte ich Neurobiologie studiert? Ich glaube nicht.
"Naja... Nicht so...genau", gab ich zu und kratzte mich im Nacken.
"Das Gehirn ist bei den Wirbeltieren das Zentrum des Nervensystems."
Cool?
"Aber besonders das menschliche Gehirn kann beeinflusst und... getäuscht werden. Tatsächlich dauert das nicht mal lange. Nur Drei Stunden. Man kann Erinnerungen löschen, verändern und sogar die Menschlichkeit so derart umfunktionieren, dass ein skrupelloser Mörder davon überzeugt ist, das Richtige getan zu haben. "
Ich schluckte.
Danke Gehirn, dass du so gar nicht beeinflussbar bist. Da fühlt man sich doch direkt richtig sicher.

Alone  (Spideypool) [✔] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt