Tag.15 - Worte

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Wade:
"Wie?", rief ich und warf die Karten auf den Tisch. Wir saßen umgeben von anderen Patienten und Pflegern im Gemeinschaftsraum und spielten ein komisches Kartenspiel, dessen Name ich schon wieder vergessen hatte.
Ich hatte jetzt zum fünften Mal in Folge gegen Peter verloren und er gewann immer mit Leichtigkeit. Ich war mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob er mich da fett verarscht hat oder einfach mega gut war. Ich weiß es bis heute nicht um noch ehrlicher zu sein.
Schadenfroh und breit grinsend sah mich Peter an und mischte die Karten erneut.
"Ne, ich mein's ernst. Dieses Spiel zerstört mein Selbstwertgefühl. Können wir nicht was Cooles machen?"
Peter zog einen Schmollmund und deutete auf die Karten.
"Das ist nicht cool"
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte mich zurück. Peter verdrehte daraufhin bloß die Augen, packte aber das Kartenspiel netterweise weg.

Nun waren zehn Tage seit unserem... Moment (???) vergangen und mittlerweile gab es keinen Tag an dem ich nicht länger blieb, um etwas mit Peter zu machen. Peter traute sich immer häufiger zu mir zu kommen und ich musste nicht mehr wie ein Idiot hinter ihm her latschen und von 10 Kilometer Entfernung anschmachten. Jetzt konnte ich das aus nächster Nähe tun.
Aus den täglichen äußerst nahrhaften Schokoriegeln war tatsächlich mehr geworden. Applaus, Applaus.
Mrs. Henrys hatte nichts dagegen, dass ich immer so lang weg blieb und Ms. Lift erst recht nicht. Sie schob mich immer sofort in seine Richtung, wenn ich am Morgen ankam.
"Bei dir sieht er nicht so aus, als müsste er sich gleich jeden Moment übergeben", hatte sie mir gesagt, was ich in diesem Moment etwas zu lustig fand. Eheheh, ups.
Mal ganz abgesehen davon, dass er mich im Kartenspielen immer abzockte, hatten wir immer ziemlich viel Spaß zusammen, was man im Anbetracht der Umstände schon mal hervor heben muss.

Ich hatte aufeinmal eine Idee, was wir spielen könnten und zog Peter vom Stuhl hoch. Er sah mich überrascht an und strauchelte erstmal.
"Ja, Gleichgewicht zu halten ist schwer, ich weiß", neckte ich ihn. Er sah mich böse an und maschierte erhobenen Hauptes durch die Tür, bis ihm auffiel, dass er gar nicht wusste wo ich hin wollte und dann wieder angedackelt kam.

"Okay, Pete. Was halten Sie, werter Herr, von ein paar Runden Stadt, Land, Fluss?", fragte ich ihn und tat dabei extrem höflich. Peter legte sich eine Hand auf die Brust, als wäre er zu tiefst gerührt und verbeugte sich kurz. Dabei fielen ihm ein paar Locken ins Gesicht und er grinste mich unter ihnen hervor an. Das sah so dermaßen süß aus, dass ich mal wieder dahin schmolz.
Also wenn es sich so anfühlt verliebt zu sein, dann würde ich das gerne als Dauerbegleiter buchen.
Ich hätte ihn am liebsten an Ort und Stelle abgeknutscht, aber das kam mir dann doch etwas unpassend vor. Außerdem dürfte es schwer werden, der Polizei zu erklären, warum ich ihn tot geknuscht hatte.

Ich zog ihn in sein Zimmer und schloss die Tür. Ich schwöre, ich hatte keine unaständigen Absichten, auch wenn es sich jetzt vielleicht so anhören mag. Ich holte Papier und Stifte hervor. Peter setzte sich im Schneidersitz auf sein Bett, während ich es mir auf dem Boden bequem machte.
Wir waren uns schnell einig, dass wir Fluss auslassen würden, da uns außer Themse und Nil keine einfielen. Wir fügten noch Promis, Essen und Lieder hinzu und hatten so schnell unser eigenes Stadt, Land, Fluss ohne Fluss kreiert.
"Alles Klar. Du fängst an zu zählen.", teilte ich Peter mit.

Nach ein paar Minuten, in denen ich immer noch verlor, (hello, darkness my old friend) kratzte sich Peter am Hinterkopf.
Mir wurde schnell klar, warum Peter immer langärmlige T-Shirts trug. Seine Handgelenke, die ich durch die Bewegung sehen konnte, waren von dicken und geröteten Brandnarben übersäht, die es fast mit meinen aufnehmen konnten. Wie lange war der Brand schon er? Mehr als ein Jahr, glaubte ich und die Narben sahen immer noch so aus. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie krass das weh getan haben muss.
Peter bemerkte meine Blicke und er wurde blass, als ihm auffiel, dass seine Ärmel hochgerutscht waren. Er setzte sich gerade hin und zog sie schnell wieder hinab. Panisch sah er mich an.
"Schon gut, Peter. Das ist nichts Schlimmes."
Das Lächeln war von Peters Gesicht gerutscht und nun war er wieder in sich zusammen gesunken und konnte mir nicht mal richtig in die Augen sehen.
Ich hätte mich fast verplappert und ihm gesagt, dass ich den Bericht gelesen hatte, aber ich konnte mich noch stoppen, weil ich ja schlau bin. (*Stimme aus dem Off* Nein bist du nicht!)

Ich stand langsam auf und setzte mich zu Peter. Ich öffnete meine Hand, damit er seinen Arm hinein legen konnte. Er zögerte zuerst, tat es dann aber langsam.
"Was ist passiert?", fragte ich. Ich hoffte, dass Peter mir alles von selbst erzählte. Irgendwie erzählte. Soweit es eben möglich war. Aber da hätte ich mir schon denken können, dass daraus nichts wird.
Er presste bloß die Lippen aufeinander und senkte den Blick. Ich nahm seine Hand und zog vorsichtig den Ärmel hoch. Es sah von nahem noch viel schlimmer aus.
"Tut es sehr weh?", fragte ich ihn. Peter schüttelte den Kopf und sah mich dabei an, als hätte ich gerade das Absurdeste der Welt gemacht, indem ich seine Narben betrachtete.
Dann holte Peter tief Luft und drehte mir den Rücken zu. Er griff den Saum seines Shirts und zog es sich über den Kopf. Dezent irritiert sah ich ihm dabei zu. Ich meine ich hätte ja nichts dagegen, aber ich war schon ziemlich überrascht von der Aktion.
Wie sich in der nächsten Sekunde herausstellte, hatte Peter nicht das vor was ich angenommen hatte... Schade Schokolade.

Er war viel muskulöser, als ich gedacht hatte. Also ich meine total viel muskulöser.
Neben einzelnen kleinen Verbrennungen konnte man auf seinem Rücken oben rechts, direkt über seinem Schulterblatt noch eine weiße Narbe sehen. Sie war lang und schmal. Meiner fachmännischen Meinung (nicht vorhanden) nach zu urteilen, von einem Messer.
Allein der Anblick tat mir im Rücken weh. Ich fuhr sie mit meiner Fingerspitzen entlang und in einem Anfall von Selbstvertrauen oder Todeswunsch küsste ich die Narbe. Also keine Ahnung was mich da geritten hat. Echt jetzt.
Eine Gänsehaut überzog Peters Rücken, aber ihm schien es zu gefallen. Ich lächelte und strich ein letztes Mal über das Narbengewebe.
"Alles wird gut, Pete. Du wirst schon sehen."

Peter zog sich sein T-Shirt wieder an, was ich persönlich ziemlich schade fand. Ich überlegte, ob ich es einfach aus dem Fenster werfen sollte, aber ich glaube das wäre gemein gewesen.
Wir saßen noch eine ganze Weile in seinem Zimmer und ich erzählte ihm gefühlt meine komplette Lebensgeschichte, was ihn schnell wieder zum lächeln brachte.

Um kurz vor 18 Uhr musste ich gehen, da ich heute mal das Essen im Heim nicht verpassen wollte. Ich ging aus der Tür aber da hielt mich Peter zurück. Ich drehte mich überrascht zu ihm um. Er lächelte zu mir hoch und drückte mir einen kleinen Zettel in die Hand. Dann stellte er sich auf die Zehenspitzen und gab mir einen Kuss auf die Wange. Er drehte sich um und schloss, ohne einen weiteren Blick, die Tür.
Mit offenem Mund stand ich vor der Tür. War das... Hatte er...Warte, Was?

Plötzlich räusperte sich jemand hinter mir. Ich zuckte zusammen und fuhr herum.
"Oh Jesus, Ash.", schnaufte ich. Sie sah mich breit grinsend an.
"Du kleiner Schlingel", kicherte sie und boxte mir in meinen Oberarm. Sie hatte anscheinend alles gesehen. Ich verdrehte bloß die Augen und zusammen machten wir uns auf den Weg zum Bus.
Erst als ich vor dem Waisenhaus stand, entfaltete ich den kleinen Post-it, den Peter mir gegeben hatte. Mit ordentlicher, leicht schräger Handschrift stand da:
Danke für die Schokolade.

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Applaus, neues Kapitel ist fertig.
Ich gehe jetzt Schokolade essen, bye. 👋👋
Und auf jeden Fall Danke an aepfle für die Ideen und Mutivationshilfe. 😏😘
Have a nice day. ❤️

Xd

PS. Jesus bitte auch Englisch aussprechen. Danke. 😊

Alone  (Spideypool) [✔] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt