Halloween

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Gedankenverloren starrte ich aus dem Fenster und sah zu, wie die Landschaft draußen vorbeizog. Wie es eigentlich schon die ganze Woche zuvor gewesen war, saß ich mit Tyler zusammen in unserem Auto und fuhr mit ihm von der Schule nach Hause. Auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie ich die letzten Schultage überhaupt hinter mich gebracht hatte.

Denn auch wenn ich im Unterricht zwar körperlich anwesend gewesen war, waren meine Gedanken immer ganz woanders.

Ich seufzte etwas.

Fünf Tage war es jetzt her, seit ich Damon an jenem Abend fortgeschickt hatte und obwohl er sich tatsächlich an meine Bitte hielt, sich von mir fernzuhalten, ging er mir dennoch nicht aus dem Kopf. Immer wieder dachte ich über ihn und diese ganze Vampirsache nach. Ob es richtig gewesen war, ihn einfach wegzuschicken. Ob er nicht eventuell doch die Wahrheit gesagt hatte.

Aber das war absurd. Es passte nicht mit seinen restlichen Taten zusammen. Ein Mensch... oder Vampir, was auch immer, konnte doch nicht zwei so unterschiedliche Seiten an sich haben, oder? Es sei denn, er hatte eine gespaltene Persönlichkeit. Konnten Vampire sowas haben?

"Nathalie?", riss mich da Tyler aus den Gedanken und ich blickte zu ihm.

"Hm?" Mein Bruder sah kurz zu mir herüber, ehe er sich wieder auf die Straße konzentrierte.

"Alles okay bei dir?", fragte er besorgt und ich runzelte die Stirn.

"Klar. Wieso nicht?", antwortete ich wie automatisch und erschrak kurz über mich selbst, wie sehr ich es inzwischen schon gewohnt war mich zu verstellen. Ich hatte die letzten Tage wahrscheinlich mehr gelogen, als in meinem gesamten Leben zuvor.

"Ach komm schon. Ich kenne dich, kleine Schwester", sagte Tyler jedoch kopfschüttelnd und blickte wieder kurz zu mir herüber, "Ich sehe doch, dass etwas nicht mit dir stimmt."

Ich lächelte etwas. War ja klar, dass ich ihm nichts vormachen konnte. Aber dennoch würde ich ihm nichts von meinen Sorgen erzählen können. Zumindest nicht viel.

"Es ist nichts", erwiderte ich schulterzuckend, "Nur Mädchenkram." Ich sah Tyler direkt an und merkte, wie er skeptisch eine Augenbraue hob.

"Der da wäre?", fragte er nach und ich verdrehte kurz die Augen.

"Ich mache mir Gedanken wegen einem Kerl, okay?", gab ich auf und er spannte sich an.

"Wie heißt er?", fragte er nach und ich verkniff mir ein Augenverdrehen.

"Das sage ich dir bestimmt nicht", sagte ich und schmunzelte ein wenig über seinen Beschützerinstinkt, "Es ist alles okay, Ty. Belassen wir es dabei."

Tyler schien kurz zu überlegen, ob er mir glauben sollte, ehe er etwas seufzte und nickte.

"Na gut. Wenn du es sagst", sagte er und ich nickte leicht. Daraufhin schwiegen wir und ich war kurz davor meinen Gedanken wieder nachzuhängen, als Tyler noch etwas sagte: "Gehst du eigentlich zu der Halloween-Party heute?"

Etwas überrascht sah ich ihn an. Wir waren eigentlich beide keine Fans von Kostümpartys und dennoch fragte er mich? Na gut, letztes Jahr hatten wir die Feier auch besucht, aber nur weil unsere Freunde uns gedrängt hatten.
"Hatte ich nicht vor. Willst du etwa dahin?", fragte ich nach.

"Naja...", begann er etwas zögerlich, "Ja, schätze schon. Etwas Ablenkung von dem ganzen Wirbel." Nun sah ich ihn besorgt an.

"Wirbel?"

"Ja. Vicky ist jetzt schon seit Tagen verschwunden und obwohl der Suchtrupp schon die ganze Stadt durch hat, finden sie sie nicht. Das macht mir langsam echt Sorgen", sagte Tyler kopfschüttelnd, als ich spürte wie sich mein schlechtes Gewissen meldete.

The She Wolf And The VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt