Kapitel 5 - Masochist

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Die Tatsache, dass mein persönlicher Diener verstorben ist, durfte mich natürlich nicht aus meinem gewohnten Tagesablauf rausreißen, und das war zum Glück auch bekannt. Ich brauchte mir also keine Sorgen machen, dass ich am nächsten Morgen nicht zur gewohnten Zeit geweckt wurde. Es kam zum Glück der Wache auch nicht so, denn pünktlich wie jeden morgen - und zwar kurz vor Sonnenaufgang - ging bei mir nach kurzem Klopfen die Tür auf und dann wurden auch die Vorhänge geöffnet, um das Licht der aufgehenden Sonne willkommen zu heißen. Interessiert wer wohl der Glückliche war, welcher mich nun bedienen durfte, öffnete ich meine Augen. Blonde Haare war das erste was mir an ihm auffiel. "Guten Morgen.", wünschte er mir und drehte sich zu mir um. Seine braunen Augen trafen meine und ich setzte mich langsam auf. Von einem Tänzer konnte ich es vielleicht verstehen, dass er sich nicht ganz so demütig gab, doch von einem einfachen Sklaven? Ich hob meine rechte Braue und musterte ihn. "Wie ist dein Name?", wollte ich wissen und stand langsam auf. "Sinan.", antwortet der Junge welcher schätzungsweise 17 war und holte aus meinem Schrank frische Kleidung. Er half mir beim Anlegen und zimperlich war er nicht gerade. Ich blickte ihn prüfend an. Provokativ grinsend erwiderte er meinen Blick und legte seinen Kopf leicht schief. "Mir kommt es so vor, als würdest du meine Autorität in Frage stellen.", bemerkte ich prüfend. Ich beobachtete seinen Körper, welcher so aussah, als wäre er nie lange der Sonne ausgesetzt gewesen und hätte noch keine harte Arbeit erfahren. Seine schmalen Lippen formten sich zu einem unschuldigen Lächeln und er hob verteidigend die Hände. "Sowas würde ich nicht tun.", schmunzelte er mit Ironie triefender Stimme.

Misstrauisch musterte ich ihn nochmal genauer. Wieso hatte ich das Gefühl, dass er das mit Absicht machte? Was bezweckte er damit mich zu provozieren? Er wusste doch, dass es nicht gut für ihn endete. Hatte er davon Wind bekommen, dass das Verhalten des Tänzers bei mir zog? Aber selbst dann, es waren zwei unterschiedliche Ränge in denen sie sich befanden. Auch wenn der Unterschied nicht groß war, so wurden Tänzer nicht so häufig und hart bestraft wie einfache Sklaven. Ihre Körper mussten noch immer ästhetisch und reizend bleiben, da waren Narben ein absolutes No-go. Sklaven hingegen mussten niemanden gefallen, ihre Körper waren uns egal solange sie funktionierten. "Euer Ausdruck spricht Bände. Wenn ich mich nicht angemessen verhalte, schlage ich vor, Ihr lasst mich auspeitschen.", schlug er mir mit einem kleinen Lächeln vor. Das machte mich noch perplexer und misstrauischer. Welcher Sklave würde so etwas sagen? Ich war mir sicher, er verhielt sich mit Absicht so provokativ mir gegenüber. "Mir kommt es so vor, als wolltest du bestraft werden.", sprach ich meine Vermutung aus. Ich brauchte keine Worte damit sich mein Verdacht bestätigte, denn sein Körper sprach für sich. Seine Herzfrequenz erhöhte sich und seine Augen glitzerten begeistert auf. "Warum?", wollte ich knapp von ihm beantwortet bekommen, wissend er wusste was ich wollte. Er war anscheinend nicht wirklich dumm. "Ich liebe körperliche Schmerzen.", antwortete er dann ganz unverblümt und sah mich aus seinen hellen, braunen Augen an. Er log nicht, so unglaubwürdig es auch klang. Sein Herzschlag blieb normal und auch nichts in seiner Mimik ließ darauf schließen, dass er mich mit dieser Aussage belog.

Naja, wenn man bedenkt, dass es tatsächlich Menschen gab die so tickten, war es dann doch nicht so verwunderlich. Passive Algolagnia, oder anders ausgedrückt: Masochismus, ist verbreiteter als man vielleicht glauben mag. Anscheinend war Sinan von der Art betroffen, bei der man Lust durch Schmerz bekommt. Doch es war noch immer ein Unterschied ob man jemanden blutig schlug, oder nur ein paar Hiebe mit der Peitsche verteilte. "Zieh dein Oberteil hoch und dreh dich um.", befahl ich knapp um etwas zu testen. Das bereits vorhandene Grinsen auf seinen Lippen wurde nochmal um ein ganzes Stück breiter. Er nahm an, ich würde ihn schlagen, doch da lag er falsch. Als er sein Leinenhemd hoch hob, erblickten unzählige Narben das Tageslicht. Sie zogen sich über seinen ganzen Rücken und manche von ihnen waren sogar noch recht frisch. So etwas habe ich noch nie gesehen. Es gab keinen freien Quadratzentimeter auf seiner Haut welcher keine Narbe trug. Ich strich über einige der Sichtbarsten. Die Haut war weicher als sonst und sehr dünn. Auf Sinans Rücken breitete sich eine Gänsehaut aus und er drückte ihn durch. Sein Herzschlag wurde fester und seine Atmung vor Spannung ein wenig flacher. "Beruhig dich, ich schlage dich nicht.", diese Worte ließ die Anspannung aus seinen Muskeln weichen wie die Luft aus einem Luftballon. Er fiel in seiner Haltung zusammen und ich meinte sogar ein leises enttäuschtes Seufzen zu vernehmen. "Hör auf dich provokativ zu verhandeln. So erreichst du keine Bestrafung von mir. Wenn dich Schmerzen motivieren, dann bekommst du sie einmal pro Woche.", trieb ich ihm gleich diese Taktik aus dem Verstand und gestikulierte ihm, dass er sich wieder anziehen konnte. Als er sich zu mir zurück drehte, lächelte er verzückt. "Jawohl, mein Herr!", nickte er diesmal in einem dankbaren Ton. Na ging doch.

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