Kapitel 14 - Schlange

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Die Zeit, die ich damit verbrachte in dem heißen Sand zu liegen und mich zu sonnen, verging schneller als ich gedacht hatte. Ich döste die meiste Zeit und erst als es rasch kühler wurde, öffnete ich meine Augen. Die Dämmerung und somit der Sonnenuntergang waren bereits voll im Gange. Etwas erschrocken über die rasende Zeit erhob ich mich und schüttelte den Sand, welchen der Wind auf mich geblasen hatte, wieder herunter. Kurz sah ich mich um, um keine möglichen Feinde zu übersehen, ehe ich mich erneut in die Lüfte schwang. Ich hoffte innerlich fest, dass ich nichts verpasst hatte und Sinan noch lebte. Es gab noch einiges, worauf ich mir eine Antwort erhoffte.
Ich glitt durch die abgekühlte Luft und den Himmel, welcher einen wunderbaren Farbverlauf von hellblau zu dunkelblau annahm, von keiner Wolke unterbrochen wurde und endlos schien. Bald würden die ersten Sterne am Himmelszelt glitzern, was in der Zukunft zu einem seltenen Anblick geworden ist. Die Stadt im 21. Jahrhundert schien leider heller als der Nachthimmel und die Abgase, welche die Menschen durch ihre Technik ausstießen bildeten eine dichte Kuppel über diesem. Verhangen mit grauen Wolken und blickdicht, erschufen sich die Menschen ihr eigenes Firmament. Ich war froh, wenn sich das alles verbessern würde. Wir werden sofort auf erneuerbare Energie umsteigen und die Atomkraft auf das nötigste beschränken, und unzugänglich für Menschen machen. Wir ersticken den Gedanken an nukleare Waffen im Keim. Und im Endeffekt wird sich diese ganze Mühe auszahlen und wir werden eine wundervolle Zukunft haben - Vielleicht sogar eine, in denen wir Menschen mehr Freiheiten gewähren können.
Der Gedanke an ein Paradies auf Erden ließ mich voller Leichtigkeit seufzen und ich entspannte mich. Der erleuchtete Palast kam in Sichtweite und ich nutzte die wenigen verbleibenden Minuten im Flug, um das entlastende Gefühl in mir zu genießen, denn ich war sicher: Sobald ich landete war es verschwunden und durch den Stress ersetzt, welcher schon die ganze Zeit an meinen Nerven nagte. Vor meinem inneren Auge sah ich bereits die Wachen, welche meinen Anflug bemerkten und dann auf mich zu rannten, noch ehe eine Pranke den Erdboden berührte. Ihre aufgeweckten Stimmen, welche mich dazu drängten sofort zu Kyle zu eilen, weil irgendetwas mit Sinan passiert ist, hallten bereits in meinem inneren Gehörgang wieder. Ich hatte nicht einmal mehr genug Zeit, um mich richtig anzukleiden, so sehr würden sie mich hetzen. Kopfschmerzen breiteten sich aus und ich schüttelte leicht meinen Schädel, um diese ätzenden Bilder aus meinem Kopf zu verbannen. Das mit dem leichten Gefühl Genießen war wohl ins Wasser gefallen. Schon jetzt spürte ich das flaue Gefühl im Magen, welches deutlicher wurde, als ich über dem Garten schwebte und langsam an Höhe verlor. Meine aufmerksamen Blicke durchstreiften meine Umgebung, suchten nach den Wachen, welche ich mir gerade schon vorstellte. Als die Glastür zur Terrasse aufgestoßen wurde, seufze ich schon fast, doch verkniff es mir, als es nicht die Männer in Rüstung waren, welche mich begrüßten. Der Anblick des braunhaarigen mit den grünen Augen ließ das leichte Gefühl gleich wiederkommen. Ich landete dort, wo ich gestartet war und legte meine Flügel an den Körper. Tarim, welcher nicht mehr als seine übliche Ballonhose und ein bauchfreies, hellblaues Shirt trug, kam eilig auf mich zu. Sein Herz pumpte etwas schneller und sein Atem war leicht erhöht. Sehr wahrscheinlich Erschöpfungsanzeichen, da er sonst einen sehr lebhaften Eindruck machte. "Wow...", hauchte er leise und seine Blicke glitten über meinen Körper. Ich neigte leicht meinen Kopf nach rechts und sah ihn an. "Zum ersten Mal einen Drachen gesehen?", wollte ich überrascht von seiner Reaktion wissen. Seine Augen kreuzten sich mit Meinen und seine Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. Er schien sich auch nicht daran zu stören, dass meine Stimme in seinem Kopf hallte - Also war es wirklich nicht die erste Begegnung mit einem Drachen. "Doch, aber die waren nichts im Vergleich zu Euch, mein Prinz", lächelte er und kam noch einen Schritt näher. Ich spürte sein Zögern und beobachtete seine Blicke, welche sich wieder auf meine Schuppen hefteten. Ich lachte dunkel auf, wobei ich die Luft durch meine Nasenlöcher ausstieß. "Nenn mich Amar und du darfst meine Schuppen berühren", bot ich ihm schmunzelnd an und senkte leicht meinen Kopf. Das Strahlen in seinen Augen wurde heller und sein Herzschlag erhöhte sich kurz. "Na gut... Und danke... Amar", lächelte er mit einer kaum erkennbaren Röte auf den Wangen. Langsam streckte er seine Hand aus, näherte sich zaghaft meinem Vorderbein. Seine Blicke fokussierten sich auf die Stelle, welche er berühren wollte. Sein Herz flatterte leicht und seine Muskeln waren angespannt - offensichtliche Nervosität. Kurz bevor seine Fingerspitzen meine Schuppen berührten, schnaubte ich dunkel. Schreckhaft wie ein Reh zuckte er zurück, zog seine Hand zu sich und sah mich aus geweiteten Augen an. Er verstand nicht, was ich wollte, sendete ich ihm doch widersprüchliche Signale. "Entspann dich, ich fress dich nicht", versuchte ich ihn ein wenig zu beruhigen und senkte meinen Schädel auf seine Höhe. Mein Atem stieß gegen seine Haut und meine Augen nahmen ihn über meinen Nasenrücken in ihnen gefangen. Er legte nun deutlich entspannter und mit einem erleichterten Lächeln auf den Lippen seine Hand auf meine Nüstern und strich über die harten Schuppen. "Fühlt sich wie die Haut einer riesigen Schlange an", kommentierte er fasziniert, während seine Hand über die kleinen, eingelassenen Nasenlöcher seitlich am Nasenrücken höher strich. "Du hast schon mal eine Schlange berührt?", fragte ich nach, ihn weiter meine Haut erkunden lassend. "Oh ja, damals war ich jünger. Der König wollte mich mit einer Schlange auf meinem Körper tanzen sehen... Mir war dabei wirklich gar nicht wohl, immerhin war sie länger als ich und mir wurde gesagt, sie könne mich zu Tode quetschen... Doch als ich sie auf meiner Haut gleiten spürte, war die Angst wie weggeblasen. Das Tier war wirklich toll, doch leider wollte der König das nicht noch einmal sehen", erzählte er mir, wobei seine Augen bei den Erinnerung vor Begeisterung glitzerten, doch gegen Ende etwas bedauernd wirkten. "Möchtest du noch einmal mit Einer tanzen, vielleicht sogar mehrmals?", wollte ich ehrlich von ihm wissen. Langsam rutschte seine Hand von meinen Schuppen herunter und seine Augen sahen direkt in Meine. "Würde Euch das gefallen?", fragte er hoffnungsvoll. "Ganz bestimmt, wenn ich weiß, dass das Tier und du in guten Händen seid", versicherte ich ihm, woraufhin er breit lächelte. "Ihr würdet es ganz sicher nicht bereuen. Ich habe von Vielen gesagt bekommen, dass es wirklich gut aussah", nickte er hastig und aufgeregt wie ein kleines Kind. "Doch damit es zu keinen Unfällen kommt, möchte ich, dass du dich an die Schlange gewöhnst und die Schlange sich an dich. Es wird seine Zeit brauchen, bis ihr zusammen auftreten könnt", bremste ich ihn gleich in seiner Euphorie. Nicht auszudenken, was geschehen könnte, wenn wir ihm einfach irgendeine Schlange um den Hals legen würden und er beginnt vor Publikum zu tanzen. Vielleicht ging es beim ehemaligen König gut, doch so nachlässig wie er war ich nicht. Das Risiko, dass der beste Tänzer meiner Truppe und mein momentaner Liebhaber stirbt, wollte ich wirklich nicht eingehen. Verständnisvoll nickte Tarim, schien sich jedoch nicht weniger auf das schuppige Tier zu freuen. "Nachvollziehbar, Amar. Doch ich freue mich auf den Tag, an dem ich erneut mit Einer tanzen kann", nickte er sacht und sah mich ein wenig verträumt an. "Was machst du eigentlich hier?", wollte ich dann von ihm wissen, jetzt wo wir die Sache mit der Schlange abgeschlossen hatten. "Ich habe gesehen, wie ihr zurückkehrt und da ich schon immer mal eure Drachenform sehen wollte... bin ich zu euch geeilt", antwortete er ehrlich lächelnd, seine Arme unschuldig hinter seinem Rücken verschränkend und auf seinen Fußsohlen leicht vor und zurück wippend. "Hat dich Barbara einfach so gehen lassen?" Meine rechte Augenbraue hob sich, während sich zugleich meine Augenlider skeptisch absenkten. "Nunja... Es könnte sein, dass ich sie ein wenig angeflunkert habe", beichtete er verlegen und wich meinem Blick aus. "Es könnte nämlich der Fall sein, dass ich sagte, dass ihr mich bei eurer Rückkehr sehen wollt", fügte er hinzu, ohne dass ich nachfragen musste. Ich seufze amüsiert und schüttelte sacht meinen Kopf. "Na gut... Doch wenn es glaubhaft rüber kommen soll, musst du wohl die Nacht bei mir verbringen", schmunzelte ich leicht, woraufhin Tarim kurz auflachte. "Na schön. Es soll ja nicht rauskommen, dass ich geflunkert habe. Da muss ich wohl dieses Opfer eingehen", er seufzte theatralisch und legte sich eine Hand auf die Brust, das kleine Grinsen auf seinen Lippen konnte er aber dennoch nicht verbergen. Ich verdrehte amüsiert meine Augen, während das Gold in ihnen sich nochmals verstärkte. "Dann gehe vor und kümmere du dich darum, dass wir noch etwas zu Essen bekommen. Ich komme dann nachher", schickte ich ihn voraus. Brav und ohne zu mosern nickte Tarim und schlenderte leichten Fußes los.

Nach meiner Rückverwandlung führte mich mein Weg zu Kyle. Es schien zwar kein Notfall zu bestehen, doch ein Blick auf den Patienten zu werfen würde sicher nicht schaden.
Ich betrat den Raum, bereitete mich auf den Klimawechsel vor, doch er blieb aus. Zu meiner Verwunderung war es hier unten ungewöhnlich warm. "Kyle?", fragte ich in die Dunkelheit und eine Kerzenflamme lugte aus einem Nebenraum hervor, beleuchtete das Gesicht des ziemlich erschöpft aussehenden Assistentsarztes. "Wo ist Sinan?", wollte ich von ihm wissen, da der Tisch auf dem er heute Mittag noch lag, leer war. "Oh, er ist hier", wank er mich zu sich und ich durchquerte den Raum mit den vielen Glasampullen und Schränken, um zum Nebenraum zu gelangen in dem Kyle seine privaten Gemächer hatte. Sein Einzelbett war von einem in mehreren Decken eingewickelten Blonden belegt. "Was ist los?", wollte ich etwas verwundert wissen. "Drastischer Temperaturabfall. Er ist eiskalt, zittert jedoch nicht. Ich weiß nicht, ob sein Körper zu schwach dafür ist, deswegen versuche ich ihn mit Decken warm zu halten. Sein Herzschlag ist auch verlangsamt. Ich bin mir nicht sicher, ob er diese Nacht noch schafft", klärte mich Kyle mit einem tiefen Seufzen auf und ließ sich in seinem bequem aussehenden Sessel nieder. "Wenn etwas sein sollte, lass mich rufen, auch wenn du zu müde bist. Ich löse dich dann ab", bat ich ihn ernst, genau wissend, dass Kyle manchmal zu viel Herzblut in seine Arbeit steckte. Er hätte Sinan auch auf dem Tisch lassen und ihn dort in Decken wickeln können, doch er entschied sich auf sein Bett zu verzichten, damit der Blonde es noch ein wenig wärmer hatte. So grob und zynisch er auch manchmal sein konnte, zu seinen Patienten war er der liebste Drache auf Erden - und das war auch der Grund, weshalb ich gerne mit ihm zusammenarbeitete. "Schon in Ordnung Amar. Du weißt doch, dass ich sehr wahrscheinlich eh nicht schlafen werde", wank er nur beiläufig ab und verdrehte seine kühlen Augen. "Ja, genauso wie du weißt, dass du - sollte er die Nacht überleben, deine Kräfte noch brauchst", wies ich ihn unterschwellig darauf hin, erntete jedoch nur ein müdes Lächeln und eine davonscheuchende Geste. Abwehrend hob ich meine Hände und machte auf der Ferse kehrt. "Ruhige Nacht", wünschte ich Kyle von ganzem Herzen, ehe ich mich selber auf den Weg zu meinem Bett machte, welches ich bereits schon nach mir rufen hörte.

Tarim wartete darin bereits auf mich, auf seinem Schoß ein Tablett mit ein paar Resten von heute Mittag - welche nicht weniger köstlich aussahen. Als er mich sah, lächelte er breit und rutschte auf dem Bett etwas zur Seite, damit auch ich noch genügend Platz hatte. "Ich sage es dir, bevor du dir Hoffnungen machst. Für Sex bin ich zu erschöpft", warnte ich Tarim gleich vor, während ich mir meine Nachtkleidung anzog. Er lachte kurz mit davorgehaltender Hand auf. "Keine Sorge, das weiche Bett und Eure Anwesenheit genügen mir", schmunzelte Tarim und schob zuvorkommend die Decke beiseite. Ich lächelte sacht und ließ mich am Ende meiner Kräfte und meiner Nerven neben ihm in die weiche Matratze sinken. Das Essen roch verführerisch, entlockte mir ein genüssliches Summen aus meiner Kehle. "Nicht so gut wie das Eis von heute Mittag, doch sättigend", hörte ich Tarim neben mir grinsend und konnte selber ein amüsiertes Schmunzeln nicht verkneifen. Ihm schien es hier ja wirklich gut zu gehen. Er fühlte sich hier schon ganz wie zuhause, doch das war auch überhaupt nicht schlimm, immerhin gefiel mir Selbstbewusstsein schon immer - zumindest in den passenden Momenten. 




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Etwas spät, aber ich muss ja meinen Zeitplänen treu bleiben :D

Dragon's DancerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt