Kapitel 24 - Letzte Hoffnung

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Amars Sicht

Mein Herz machte einen gewaltigen Sprung als ich Tarim sah - lebendig. Es war, als würde ein Ventil geöffnet werden und der ganze angestaute Druck zischte jetzt aus mir und meinen Muskeln heraus. Die erneut aufgerissene Verletzung an meiner Schulter, gab gleich wieder ihr bestes damit ich ihrer Existenz bewusst wurde. Die Schmerzen schossen wie Blitze durch meine Nerven, ließen mich mein Gesicht verziehen und leicht verkrampfen. Vielleicht hätte ich mich doch nicht gegen die Behandlung seitens Zephyr aussprechen sollen. Im Endeffekt habe ich ja so oder so die Zeit aus den Augen verloren, und konnte nicht wieder direkt zurück.
Umso erleichterter war ich jedoch, dass Tarims Herz noch immer schlug und er anscheinend noch nicht sein ganzes Blut im Raum verteilt hatte. Eilig und den mitgebrachten Flakon fest umschlossen, näherte ich mich dem Jungen. Mein Blick fiel gleich auf die schwarzen Schuppen welche sich unter seiner Haut gebildet hatten, und bereits an einigen Stellen hervorstachen. Ich hoffte es war noch nicht zu spät um seine Verwandlung aufzuhalten.
"Amar!", wimmerte Tarim auf einmal und seine glasigen Augen sahen zu mir. Von seinen Augenwinkeln bis zum Haaransatz zog sich eine dünne Salzkruste getrockneter Tränen über seine Haut. Mein Lächeln sprühte voller Wärme, als ich vorsichtig meine Hand auf seine Wange legte und mich leicht über ihn beugte, damit er mich richtig sah. Der Lederriemen, welcher seinen Kopf an den Tisch band, erlaubte es ihm nämlich nicht diesen zu drehen. "Ja. Ich bin zurück, und hoffentlich mit etwas was dir hilft", meinte ich sanft und neigte meine Stirn gegen seine. Fieber, wie ich gleich an der ungewöhnlichen Hitze feststellte welche er ausstrahlte. Doch nicht nur die Hitze fiel mir gleich auf, sondern auch der beißende Geruch nach Alkohol welcher noch mehr an ihm haftete als der Blutgeruch. Meine Blicke schossen zu Kyle, und aus dem Augenwinkel starrte ich ihn böse an. Sich keiner Schuld bewusst zuckte er nur mit den Schultern. "Hätte ich ihn nicht abgefüllt, dann wären seine Stimmbänder vom vielen Schreien schon zerstört und er würde mir noch immer in den Ohren liegen, dass ich ihm die Schuppen rausschneiden soll", rechtfertigte er sich nur und trat aus meinen Sichtfeld. Ein wenig besänftigter, blickte ich wieder zu Tarim hinunter, welcher mich noch immer stumm ansah, einige Tränen in seinen Augen glitzernd und mit Schmerzen tief in seinen Augen verankert. Ich konnte sie schon beinahe selber fühlen. Messer welche durch meine Haut schnitten, mein Fleisch teilten und mit Zitronenwasser beträufelt waren. Jeder Schnitt den sie hinterließen, brannte wie flüssiges Feuer und schien sich noch tiefer ins Fleisch zu ätzen.

"Wir verabreichen ihm einen Teil des Speichels intravenös. Sollte das nicht helfen versuchen wir es über die Bisswunde und wenn auch das nicht bringt dann oral", teilte ich Kyle mit, welcher bereits eine Spritze vorbereitet. "Und dann kümmern wir uns um deine Schulter, bevor du auch noch vor Blutverlust umkippst", setzte er mit einer gewissen Strenge in seiner Stimme hinterher. "Ja, doch Tarim geht vor", machte ich es ihm nochmal klar und richtete mich wieder auf, den Arm auf meiner verwundeten Seite einfach schlaff herunter hängend lassen. Als würde er nicht zu meinem Körper gehören und nur ein Anhängsel sein, baumelte er an mir, kälter werdend durch das fehlende Blut, welches lieber durch die offene Stelle einen Weg aus meinem Körper suchte und mein weißes Shirt langsam rot färbte.

Wir füllten ein Drittel des Speichels in die Spritze und injizierten ihn über die periphere Vene am Unterarm in die Blutbahn von Tarim. Zephyrs Speichel sollte schon nach kurzer Zeit Wirkung zeigen, so war es zumindest bisher.
Welche Auswirkung der Speichel jedoch hatte, und auf welche Zeichen wir warten mussten wusste ich nicht. Vor allem da sich die Frage stellte, ob er überhaupt etwas brachte. Es kann gut möglich sein, dass es nicht genug war, oder es bereits zu spät war. Wer weiß ob der Speichel Tarim überhaupt helfen konnte. "Warten wir ein wenig", schlug Kyle ruhig vor und entsorgte die gebrauchte Spritze. Widerwillig nickte ich, nicht den Blick von Tarims Körper nehmend. Sein Herz raste, seine Atmung ging flach und er driftete immer wieder ab in die Bewusstlosigkeit. Diese Szenen waren so erschreckend vertraut. Sie entfachten die Angst in mir auf das Darauffolgende. Sollte Zephyrs Speichel nicht helfen, wird noch Einiges auf ihn zukommen.

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