Kapitel 20 - Tote

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Wenn es nicht die Eisgabe war, welche Fari interessierte, dann hatte Sinan eine andere Gabe - eine, dessen wir uns alle nicht bewusst war, von der er selber keine Ahnung hatte. Und dann fielen mir wieder seine Worte ein, welche sich so richtig in meinen Ohren anhörten, welche mich dazu einluden ihm zu vertrauen, obwohl der Inhalt schwachsinn war. Wenn es seine Gabe war, Worte einen Klang zu geben, welcher jeden in seinen Bann zog und ihn zwang ihm zu glauben, dann war eine mächtige Gabe welche in den falschen Händen viel Unheil anrichten konnte. Keine Gabe für einen Blutdrachen also, der etwas im Schilde führte.
Ein Fehler von mir ihm Sinan einfach so ausgeliefert zu haben. Ich hätte länger drüber nachdenken sollen warum er sie brauchte, die neuen Erkenntnisse berücksichtigend. Ich hätte dies verhindern müssen.
Jetzt war es zu spät für die Einsicht. Seine Zähne hatten sich in die Halsbeuge von Sinan gebohrt und der Blonde wurde von Sekunde zu Sekunde blasser. Seine Gabe war fort, im Besitz des Blutdrachen, und ich stand hier - schockiert etwas anderes zu machen als zuzusehen. Doch eins war klar. Ich durfte ihn nicht davonkommen lassen. Als er sich löste, fiel Sinan wie ein Sack in sich zusammen, auf seine Knie. Das Blut floss aus der offenen Wunde, und seine Augen hatten sich in ein dunkles Lila gefärbt. Ich machte einen Schritt auf Fari zu, doch seine mit Blut befleckten Lippen hoben sich nur. Er kniete sich zu meine Diener und legte eine Hand auf seine Schulter. Mir wurde auf einmal ein wenig unwohl und ich verharrte in meiner Bewegung. Gerade noch wollte ich auf ihn zu laufen um ihn anzugreifen, doch jetzt erschien mir das als schlechte Idee. Er hatte zwar keine mächtigen Gaben bei sich - bis auf die von Sinan, doch trotzdem hatte sich seine Aura verändert. "Sinan.. willst du mit mir mitkommen? Für mich arbeiten?", säuselte er ins Ohr meines Dieners, dessen Blicke sich sofort auf den Weißhaarigen richteten. Sein Herz schlug noch schneller als zuvor. "Ich würde dich so oft beißen, dich quälen, wie du es willst. Ich sorge dafür, dass dir nie langweilig wird", sprach er weiter, während ich gebannt zuhörte und den Eiswyvern beobachtete. Er schien nicht ganz abgeneigt, fingen seine Augen doch an zu leuchten und seine Lippen formten ein kleines Lächeln. "Dafür musst du nur eins machen..", nun richtete sich der Blick des Blutdrachen auf mich, kalt, und mit einem angriffslustigen Funkeln in ihnen. "Töte Amar, hier und jetzt. Töte ihn und komm mit mir", befahl er Sinan in dieser melodischen, säuselnden Stimme, welche es einem fast unmöglich machte zu widerstehen. Sinan jedoch bewegte sich nicht, wurde nur noch blasser als er ohnehin schon war und sein Blick legte sich langsam auf mich. Sein Körper zitterte, seine Lippen bebten und er vergrub seine Fingernägel in seinen Handballen. Nur langsam, und mit größter Willenskraft schaffte er ein Kopfschütteln zu stande zu bringen. "P-prinz Amar ist.. ist mein M-meister", seine Stimme zitterte stark und er schaffte es nicht den Blutdrachen anzusehen. Erleichterung durchschoss meinen Körper. Sinan war kein Problem zu bekämpfen, doch er war unschuldig. Ich wollte nicht noch mehr reines Blut an meinen Händen kleben haben. "Hm.. wie enttäuschend.", kam es von Fari und er richtete sich auf. Kälte beherrschte seine roten Augen und er sah mich an. Irgendwas veränderte sich jedoch in seinem Blick, in seinem kompletten Ausdruck. Es ließ alle Sirenen in mir schreien und wie in Zeitlupe hob sich seine rechte Hand, formte mit seinen Fingern eine Pistole und setzte sie auf den Hinterkopf von Sinan an. Verheißungsvoll grinste er und krümmte den Daumen als wäre es der Hahn der Waffe. "Sinan, komm her!", befahl ich in einem panischen Unterton und eilte auf ihn zu, die Hand ausgestreckt um ihn weg zu ziehen. Mein Diener hob sie mir entgegen und wollte gerade aufstehen, da kam es von Fari: "Bumm". Sinan erstarrte in seiner Haltung und gefror in wenigen Sekunden zu purem Eis. Ich blieb stehen, ließ meinen Arm schlaff fallen und starrte die Eisskulptur des Jungen an. Langsam und rot verfärbt richteten sich meine Augen auf Fari, welcher den imaginären Rauch von seinem Zeigefinger blies und mich dreist angrinste. "Oh, brauchtest du ihn etwa noch?", scheinheillig grinste er und machte ein paar Schritte zurück um wieder Abstand zwischen uns zu bringen. Knurrend versteiften sich meine Muskeln und ich war kurz davor ihm an die Kehle zu springen, da hob er tadelnd den Zeigefinger. "Tz, tz, tz.. Denkt Ihr ich wäre unvorbereitet gekommen?", grinste Fari und griff in einen Beutel, welcher an seinem Schwertgürtel baumelte. Misstrauisch blieb ich stehen um nicht in eine Granate oder dergleichen zu rennen. Fari warf mir den Inhalt vor die Füße und ich hatte das Gefühl mein Blut blieb mir stehen. Der abgerissene Schlangenkopf, einer weiß-gelben Tigerpython blickte mir aus milchig orangenen Augen entgegen. Das Maul weit aufgerissen und die Schuppen samt Fleisch ausgefranst. "Ihr solltet nach eurem Schatz schauen", schlug mir Fari vor, erneut in seiner Drachenstimme. Ich brauchte Sekunden bis ich meinen Blick von dem Kopf hinausblicken konnte. Fari hatte seine Gestalt gewechselt, stand nun als weißer Drache vor mir. Sein Schweif peitschte über den Boden, zerschlug die Eisstatue, welche noch immer hilfesuchend eine Hand nach mir ausgestreckt hatte in tausend kleine Brocken und ließ den feinen Sand aufwirbeln. Ich legte mir schützend einen Arm über die Augen um diesen nicht in die Augen zu bekommen. Wind war spürbar und Flügelschläge. Mein Körper bewegte sich nicht, selbst dann nicht als Fari weg flog. Mein Kopf war wie leergefegt, die jüngsten Ereignisse nicht realisieren wollend. Erst die Tatsache der manipulativen Gabe, dann der Tod von Sinan, der wahrscheinliche von Tamar.. und .. 

Mein Schatz.
Er sagte irgendwas mit meinem Schatz. Ich soll danach sehen.

Erneut kroch mir ein kalter Schauer über den Rücken und wie von allein setzten sich meine Beine in Bewegung. Als wäre ich besessen oder auf Auto-Pilot geschaltete, lief ich die Treppen eilig nach unten, übersprang hin und wieder mal eine nur um schneller zu sein. Mein Schmuck klimperte, mein Herz pochte und mein Blut rauschte mir durch die Ohren. Mit einem Tunnelblick durchquerte ich einen Gang nach dem anderen, wusste eigentlich schon gar nicht mehr wo ich war oder wohin mich mein Körper brachte, doch als ich vor meiner Tür stand und der Eisengeruch des Blutes meine Nase hoch kroch, wurde ich in die Realität zurück gezerrt. Ich schluckte und legte meine Hand langsam auf den Knauf, noch immer in höchster Alarmbereitschaft und so viele Dinge gleichzeitig verarbeitend.

Ich drückte die Tür auf, betrat den Raum welcher penetrant nach dem roten Saft des Lebens stank und mein Blick richtete sich auf mein Bett, der Quell des Geruches.
Blut - Überall. Auf dem Lacken, der Bettdecke und fast schon kunstvoll über den kompletten entblößten Körpers des Jungen verschmiert. Es war sein Blut, stammte wohl aus dem klaffenden Biss an seinem Innenschenkel, und brachte mich fast zum erbrechen. Ich musste mich an meiner Kommode festkrallen um nicht den Halt auf meinen Beinen zu verlieren. Ich keuchte, vor Unglaube die Augen ganz groß und den leblosen Körper des Tänzers anstarrend. Das Rauschen in meinen Ohren wandelte sich in einen anhaltenden Piepton und es war, als würde die Zeit zum stehen kommen. Die Stille hier war unerträglich, brachte mich um den Verstand und ließ auch mein Herz sich schmerzhaft verziehen, fast so als wolle es sich weigern weiter zu arbeiten. Mein Körper fühlte sich an wie in kaltes Wasser gestoßen, während mein Kopf weiterhin von der Leere ergriffen wurde. 










 

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