Kapitel 10 - Unverkäuflich

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Wir alle verharrten mehrere Sekunden in Stille, von den plötzlichen Worten völlig unvorbereitet getroffen. Esmey bewegte sich als Erstes und ging auf Sinan zu, welcher seinen Kopf nur leicht neigte, wie ein Welpe, der nicht verstand was man von ihm wollte. Kyle und ich tauschten nur stumme Blicke aus, wussten selber nicht wie wir darauf reagieren sollten, oder was wir sagen sollten. "Ich sterbe morgen?", fragte Sinan nicht wirklich das Gewicht dieser Aussage wissend nach. Hastig nickte die ältere Dame und umschloss eine Hand meines Dieners in ihren. Mitfühlend streichelte ihr Daumen über sein Handrücken. Ich lauschte der aufkeimenden Stille, konzentrierte mich auf den Herzschlag des Menschen, welches neben des leichten Flatterns normal blieb. Er sah weder verängstigt aus noch verstört. Seine Augen lagen in denen der Drachin und auf seinen Lippen lag noch immer dieses leichte Lächeln, welches er immer bei sich trug, als sei es festgewachsen. "Hast du gar keine Angst?", wollte Esmey wissen, nicht weniger erstaunt wie ich über seine untypische Reaktion. Kurz schüttelte Sinan den Kopf und legte seine zweite Hand nun auf die von Esmey, als wollte er ihr nun Trost spenden. Sein Lächeln wurde breiter und der fiebrige Glanz in seinen Augen, welcher mit der Verschlechterung seiner allgemeinen Gesundheit immer deutlicher wurde, ebbte erstmalig ab. Es wurde ersetzt durch ehrliche Freude welche nun auflimmerte und seine Gesichtszüge erhellte. "Ich fürchte meinen Tod nicht.", antwortete er aufrichtig und seine Augen hoben sich, trafen meine. Dass er keinen Augenkontakt mit mir scheute war schon immer, doch diesmal war es etwas anderes. Es war, als hätte sich seine Einstellung mir gegenüber geändert. Ich hatte das Gefühl, er sah mich nicht mehr als Prinz, sondern als gleichgestellt. "Ich werde mir den restlichen Tag frei nehmen, mein Herr.", beschloss er kurzerhand. Nicht einmal mehr meine Zustimmung abwartend, entzog er sich dem Griff von Esmey, wendete sich ab und verschwand so schnell wie er gekommen war.
"Seltsamer Junge.", murmelte die Dame als sie sich fragend zu mir herum drehte. Langsam nickte ich nur, das Gesehene noch verarbeitend. "Stirbt er wirklich?", wollte ich vorsichtig nachfragen. Neben mir hörte ich Kyle schnauben, welcher wohl darüber entrüstet war, dass ich sie ernst nahm. Ich spürte seine Blicke deutlich auf meiner Schläfe, wie sie sich wie kleine Nadeln in mich bohrten. "Ja. Irgendwas zerstört ihn innerlich.", nickte nur Esmey in Gedanken ganz woanders. "Das selbe wie es den Jungen zerstört hat?", wollte ich noch wissen, doch sie schüttelte abwesend den Kopf. "Doch, ich spüre eine Verbindung zwischen den Beiden.", murmelte sie kaum hörbar. "Ja logisch. Es sind beides Amars private Diener gewesen.", schnaufte Kyle neben mir unüberzeugt und reckte spottend sein Kinn. "Das meine ich nicht Bursche!", zischte Esmey scharf zurück und beide erdolchten sich einige Sekunden mit ihren Blicken bevor ich mich gefasst hatte und dazwischen ging. "Wenn das alles war, was du uns über den Jungen sagen kannst, wird es Zeit für deine Entlohnung.", räusperte ich mich mit einem versöhnlichen Blick zu Esmey. Mit einem letzten vernichtenden Ausdruck Richtung Kyle, wendete sie sich ab und ließ sich von mir aus der Gefahrenzone begleiten. "Ich bin gespannt, wie ihr mich begeistern wollt.", äußerte sie offenkundig ihre Zweifel. "Und ich bin über die Erklärung gespannt, was ihr in Sha' Butal macht.", gab ich nur unbekümmert von ihrer Skepsis zurück.

Esmey nahm kein Gold oder Ware im Gegenzug ihrer Dienste, sondern möchte unterhalten werden. Ein Musikwerk, Theaterstück, Kunstwerk oder einen Tanz genügten und so mehr es ihr gefiel, desto gewillter war sie ein zweites Mal ein Schicksal zu lesen. Es war seltsam, doch sie schätze Erinnerungen mehr als Objekte. Nach ihrer Aussage hatte sie mehr davon ein buntes und aufregendes Leben zu haben als eine volle Schatzkammer die ihr im Jenseits eh nichts mehr brachten.

"Ich habe mich dort niedergelassen. Viele Menschen und Drachen kommen zu mir um ihr Schicksal zu erfahren.", antwortete sie schlicht. "Ist es nicht deprimierend immer wieder schlechte Nachrichten zu überbringen?", hackte ich daraufhin nur nach. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Menschen dort ein schönes Schicksal erwartete. "Für viele ist es schlecht, keine schlechte Nachricht zu erfahren. Manchmal ist es besser die Hoffnung auf Besserung im Keim zu ersticken bevor sie langsam verwittert und den Menschen verdirbt.", ihre weisen Worte hörten sich zwar grausam an, doch vielleicht steckte ein Funken Wahrheit dahinter. "Ihr könnt auch den Menschen samt Keim ersticken.", wies ich sie nachdenklich daraufhin. Ihre knochigen Schultern zuckten kurz in die Höhe. "Dann ist es ebenso.", sagte sie nur darauf und beendete schließlich das Thema.

Dragon's DancerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt